Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Gleichzeitig stellen wir fest, dass wir es mit einem riesigen Wachstumsraum zu tun haben. Die Stadt Köln wird bis zum Jahr 2040 – das sagen uns die Statistiker von IT.NRW – 200.000 Einwohner dazubekommen. Mein Heimatkreis, der Rhein-Erft-Kreis, wird in der gleichen Zeit ein Plus von 37.000 Einwohner verzeichnen. Insofern macht es doch Sinn, dass sich diese Region Gedanken darüber macht, wie man das Zusammenspiel zwischen Stadt und Land gestaltet.

In der Tat: In der Innovationsregion Rheinisches Revier wird deswegen vielleicht auch über die Utopie einer neuen Stadt oder neuer Städte diskutiert.

Und ich finde das richtig so.

(Beifall von der SPD)

Wir machen das nicht, wie Sie in Ihrem Antrag, lieber Herr Bayer, nach dem Motto: „Jetzt schreiben wir auf, dass etwas für 100.000 Einwohner gebaut werden muss; dafür machen wir einen Plan in Fünfjahresschritten“, sondern wir machen das qualitativ mit den Ideen, die ich vorhin genannt habe. Es geht um die Frage von virtuellen Kraftwerken oder: Könnten das nicht Siedlungen mit moderner E-Mobilität sein? Könnte das nicht auch in der Bauwirtschaft etwas Neues sein?

Wir machen uns gerade in der Region Aachen auf, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir Recycling-Häuser hinbekommen, wie wir Baustoffe weiter verwenden können. Andere Regionen der Welt machen sich Gedanken, ob sie die Häuser künftig ausdrucken.

Dieser Aufgabe stellen wir uns. Die Lösung könnte wirklich sein, dass wir in unserer Region dem bestehenden Siedlungsdruck mit den modernsten Siedlungen der Welt begegnen.

Wir haben so etwas im Ruhrgebiet zum Beispiel im Bereich „InnovationCity Ruhr“ in Bottrop. Das ist die

Überlegung, wie man aus dem Bestand moderne Siedlungsstrukturen hinbekommt. Hier hätten wir die Chance, auch im Neubau, im Recyclingbau und anderem so etwas auf den Weg zu bringen. Die Bürgermeister sind hoch innovativ. In meiner Heimatstadt Bedburg entsteht gerade die erste Brennstoffzellensiedlung der Republik. Ich glaube, es lohnt sich, diese Dinge anzupacken.

Vielleicht kommt am Schluss eine dezentrale Stadt heraus, dass wir in der Region mit vielen Bürgermeistern sagen: Wir wollen qualitativ das Hochwertigste haben. Wir haben an dieser Stelle einen hohen Entwicklungsanspruch und wollen nicht etwas in eine andere Richtung.

Der DGB hat mich jüngst zu einer Veranstaltung eingeladen und das bewusst mit einem ungewöhnlichen Flyer getan. Er hat gesagt: Lasst uns gemeinsam eine neue Stadt bauen und genau diese Fragen miteinander diskutieren – nicht so, wie Sie es in Ihrem Antrag gemacht haben, sondern unter den qualitativen Gesichtspunkten, die ich vorhin genannt habe.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es ist, glaube ich, wie bei jeder revolutionären Idee. Sie wird am Anfang belacht, lieber Herr Bayer, dann kommt sie irgendwann in die Phase, in der sie bekämpft wird, am Schluss will jeder dabei gewesen sein, und dann ist sie selbstverständlich.

Wir haben diese Idee vorgeschlagen, und wir diskutieren darüber längst mit der Kommunalpolitik. Ihre Rede hat sehr deutlich gemacht: Wenn Sie enger in der Kommunalpolitik verwurzelt wären, hätten Sie dazu heute auch Substanzielleres liefern können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Hachen.

Herr Präsident! Liebe dankenswerterweise immer noch sehr zahlreich hier anwesende Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Beginn sehr deutlich sagen: Dieser Antrag der Piraten zählt aus meiner Sicht zu denen der schlimmeren Sorte. Ich bedauere, dass ich das in meiner letzten Rede hier im Landtag so deutlich sagen muss. Er schürt eine Spekulation, eine Blase ohne jeden sachlich fundierten Hintergrund.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will deshalb nur einige wenige Anmerkungen zum Antrag selbst, aber viel mehr zu den Hintergründen sagen.

Zunächst zum Antrag: Da lesen wir, die modernste Stadt Europas soll aus einem modularen Ferienpark

entstehen. Wo denn, liebe Piraten? Im Restsee oder auf dem Gebiet der umliegenden Kommunen? Was ist das für eine Botschaft an Titz, Jüchen, Erkelenz, die Stadt Mönchengladbach? Das alles sind Anliegerkommunen von Garzweiler II, die sich – Kollege van den Berg hat eben darauf hingewiesen – längst auf den Weg gemacht haben, zusammen in einem Planungsverbund mit ihren Bürgern einen Weg in ihre Zukunft zu suchen. Sie kommen jetzt von außen mit einer tollen Idee, die Sie ihnen überstülpen wollen.

Auf Kosten welcher dieser Kommunen wollen Sie Ihr neues Oberzentrum aus einem Ferienpark eigentlich entwickeln? Was bedeutet das für Mönchengladbach? Aus welcher dieser Kommunen wollen Sie die dafür notwendigen 100.000 Bürger abwerben? Sie sagen in Ihrem Antrag, es sei ehrlicher, mit einem Schrumpfungsprozess in der Region umzugehen. Sie aber wollen offensichtlich nicht mit diesem Schrumpfungsprozess umgehen, sondern Sie wollen ihn für die Kommunen vor Ort noch weiter verschärfen.

(Beifall von der CDU)

Wie Sie letztlich zu der abstrusen Behauptung kommen, dass die älteren Städte von einer neuen Stadt profitieren werden, bleibt auch Ihr Geheimnis.

(Beifall von der CDU)

Darüber hinaus sind Sie gemäß Ihrem Antrag sogar bereit, für diese Schnapsidee besondere Regeln, Gesetze und Ausnahmen auf Kosten anderer zu erlassen. Das zeigt, wie weltfremd und wie abartig dieser Antrag eigentlich ist.

(Beifall von der CDU)

Interessant ist der Antrag aber in anderer Hinsicht. Jeder in der Region weiß, dass der eigentliche Motor dieser Idee der SPD-Kollege und stellvertretende Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Guido van den Berg, ist, der gerade vorher gesprochen hat. Er hat diese Idee auch zuletzt wieder in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem DGB propagiert. – Guido, ich habe das Plakat einmal mitgebracht. Darauf sieht alles außerordentlich positiv aus, es wirkt wie Aufbruchsstimmung, die dann sozusagen von außen anderen vorgeschrieben werden soll.

Während aber in dem Flyer für die Veranstaltung – deshalb habe ich ihn mitgebracht – die Idee als Ankündigung von Ministerpräsidentin Kraft dargestellt wird, erweckt die Ministerpräsidentin in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage den Eindruck, als sei diese Idee völlig unabgestimmt und losgelöst von der Landesregierung allein aus der SPD-Fraktion gekommen.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Bereits im Dezember vergangenen Jahres habe ich auf einer Revierkonferenz der Innovationsregion

Rheinisches Revier Wirtschaftsminister Duin darauf angesprochen. Er hat mit dem Hinweis auf das Bemühen um Innovationsfreundlichkeit lediglich mitgeteilt, dass man – ich zitiere – auch mal den Mut haben muss, eine offensichtlich als spinnert erscheinende Idee zu verfolgen, wenn man weiterkommen wolle. – Ich lasse das mal so stehen.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: War das O-Ton?)

Die Strategie der SPD ist offensichtlich: diesen Unfug schüren, aber selbst so weit wie möglich im Hintergrund bleiben, damit weder Ministerpräsidentin Kraft noch Wirtschaftsminister Duin noch der Kollege van den Berg dafür verantwortlich gemacht werden können. Der Antrag der Piraten dürfte deshalb der SPDStrategie sehr entgegengekommen sein. Man darf noch einmal öffentlich darüber diskutieren, ohne selber Verursacher dieser Debatte zu sein. Haben sich die Piraten hier vielleicht instrumentalisieren lassen?

(Lachen bei der CDU)

Deshalb hier mein persönlicher und abschließender Hinweis, Herr Vorsitzender.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Jetzt hat er uns erwischt!)

Lieber Guido van den Berg, wir haben ausgehend von der Zusammenarbeit in der Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie eine Fülle von Dingen für die Entwicklung der Region positiv gemeinsam auf den Weg gebracht. Deshalb noch einmal mein Appell: Hör bitte auf mit diesem versteckten Verfahren, mit dem man versucht, bestimmten Bereichen in der Innovationsregion von außen die Wege vorzugeben, obwohl sie sich längst auf den Weg gemacht haben!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das sollten wir nicht fortsetzen.

Herr Kollege, der von Ihnen angesprochene Kollege van den Berg würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Aber selbstverständlich.

Lieber Herr Kollege Hachen, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich wollte einfach nachfragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich beim Thema „Braunkohle“, beim Thema „Strukturwandel“, aber auch erst recht bei dem Thema „neue Stadt“ nicht bekannt bin als jemand, der das irgendwie versteckt, sondern als jemand, sehr offensiv damit umgeht und das sogar jüngst in einer DGB-Veranstaltung mit Kollegen diskutiert hat? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Ich nehme das gerne zur Kenntnis, auch dass das hier noch einmal dargestellt wird. Letztendlich sind aber die Signale, die von Minister Duin und der Ministerpräsidentin kommen, etwas andere. Das muss man dann auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Eine letzte Bemerkung zur Landesregierung: Die Glaubwürdigkeit dieser Landesregierung in Bezug auf das gebetsmühlenartig vorgetragene Ziel, die Regionen in ihrem Strukturwandel unterstützen zu wollen, gerät auch ins Wanken. Während sich die Region selbst über Parteigrenzen hinweg mit vielen kreativen Ideen und Prozessen längst auf den Weg gemacht hat, gibt das Kabinett der Region nicht die erhoffte Unterstützung bei der so wichtigen Bewerbung für die Regionale 2022/2025.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kollegen, mein letzter Satz, den man mir vielleicht noch zubilligt: Ich bedauere sehr, meine letzte Rede im Plenum mit einem solchen Verriss bestreiten zu müssen. Ich bedanke mich aber ausdrücklich für die vielen guten Kontakte und positiven Erfahrungen, die ich hier in drei Legislaturperioden habe machen dürfen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Zu diesen guten Kontakten zählt ausdrücklich auch Guido van den Berg. Es ist mir wichtig, das noch einmal zu sagen.

Ich wünsche allen, die weiterhin in diesem Hause tätig sein werden, alles Gute, viel Erfolg und viel Glück auf ihrem Weg. – Vielen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)