Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Sie konnten dem Bericht des Innenausschusses entnehmen, dass es dort nur eine sehr kurze Beratung geben konnte. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich entsprechend eingelassen und deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht dieser Gesetzentwurf entbehrlich ist. Es sind dort viele kritische Fragen gestellt worden, die nicht beantwortet werden konnten. Insbesondere ging es um die Frage, inwieweit das eigentlich nach Bürgerrecht konzipierte Informationsfreiheitsgesetz jetzt auf juristische Personen auszuweiten ist.

Die kommunalen Spitzenverbände haben ferner deutlich gemacht, dass sie die Sorge haben, dass beträchtliche Zusatzaufwände – insbesondere bei Schulungen und bei Fortbildungen – ausgelöst werden könnten. Weiter haben sie deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die nach dem Gesetzentwurf vorgesehene Regelung der Kostenerstattung nicht hinnehmbar sei.

Hinsichtlich der elektronischen Form, die künftig für Antworten vorgesehen sein soll, haben die kommunalen Spitzenverbände – wie wir finden, völlig zu Recht – den Hinweis gegeben, dass das eigentlich ein Sachverhalt ist, der nicht in diesem Gesetzestext zu regeln wäre, sondern viel treffender in § 4 Absatz 1 des E-Government-Gesetzes.

Von daher kommen wir zu demselben Ergebnis wie bei der Einbringung: Dieses Gesetz ist nicht zustimmungsfähig. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hegemann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zum Gesetz reden, dann aber auch noch ein paar Sätze darauf verwenden, dass dies nach 37 Jahren Landtag meine letzte Rede hier ist.

Wir werden dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, aber nicht deshalb, weil wir ihn in Gänze für falsch halten, sondern weil es kein geregeltes Beratungsverfahren mehr gab.

Zunächst einmal stelle ich fest: Wenn das Land sagt: „Es gibt ein individuelles Informationsgesetz und kein kollektives“, dann ist mir das grundsätzlich nicht unsympathisch. Das müsste man dann aber auch bei der Verbandsklage sagen; da bin ich auch dagegen.

Die Tatsache jedoch, dass in fast allen anderen Bundesländern eine andere Praxis herrscht als in Nordrhein-Westfalen, ist durchaus diskussionswürdig. Das muss doch Gründe haben. Ich empfehle dem neuen Landtag daher, mit ausreichend Zeit darüber noch einmal zu diskutieren. Ich werde nicht mehr dabei sein – aber nicht aus Desinteresse, sondern weil meine Zeit hier abgelaufen ist.

Meine Damen und Herren, ich habe hier im Landtag viele Kollegen kommen und gehen sehen. In allen Fraktionen habe ich Menschen kennengelernt, was ich nicht missen möchte. Ich habe mich gefreut, dass ich sie kennenlernen durfte. Im Umgang war ich nicht immer einfach. Das liegt unter anderem auch daran, dass ich nicht leise sprechen kann. Es war schon in der Schule mein Problem, dass ich nicht abschreiben konnte, ohne dass der Lehrer es gemerkt hat.

Ich bin jedoch der Meinung, dass Politik auch Auseinandersetzung, auch Streit sein muss. Sie darf nicht nur im Ablesen von Reden bestehen, die kluge Leute aufgeschrieben haben. Es muss das Wort und das Widerwort geben, so wie man es unten im Eingangsbereich auf der Bronzeskulptur von Ewald Mataré – „Phönix“ – lesen kann: „Um’s Wort und Widerwort und wieder Wort“.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, im Jahr 1980 habe ich gedacht: An und für sich ist die Nachkriegszeit vorbei; die großen Aufbauleistungen sind geschafft. Ich habe mich gefragt: Haben wir eigentlich noch genug Themen für die nächsten Jahre, oder haben wir nicht schon alles irgendwo geregelt und geschafft?

Ich musste feststellen, dass es heute viel mehr Themen gibt, die zu besprechen sind, als man damals absehen konnte. Es gibt einen viel höheren Regelungsbedarf. Das, was andere als Bürokratie bezeichnen, ist – das sage ich mal so – der Versuch der Politik, es vielen Menschen gerecht zu machen. Es wird sehr viel geregelt, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Das wird dann oft als Bürokratie angesehen, und man fragt: Was soll der Blödsinn?

Bei der Wiedervereinigung habe ich festgestellt, dass wir den öffentlichen Dienst dringend brauchen. Viele haben immer gesagt: Na ja, das ist alles so aufgeblasen. Brauchen wir das überhaupt? – Ich sage Ihnen: Ohne öffentlichen Dienst wäre in den neuen Bundesländern keine Verwaltung möglich gewesen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich, was das angeht, bei der Wiedervereinigung in einem hervorragenden Maße engagiert.

(Beifall von der CDU)

Wir hatten es 1980 mit Themen zu tun, an die heute kein Mensch mehr denkt. Beispielsweise haben wir seinerzeit darüber diskutiert, den Hochtemperaturreaktor in Hamm ans Netz zu bringen, dessen Kugeln Sie jetzt wiedergefunden haben, Frau Ministerin. Der

ist am Ende nur 14 Tage gelaufen. Aber das damals ein riesiges Thema.

Wir haben auch darüber diskutiert, ob eine Autobahn durchs Rothaargebirge führen soll. Ich habe damals gesagt: Eine ökologisch verantwortbare Autobahn nach neuesten Erkenntnissen wäre sinnvoll. Eine Einigung hierüber war über Parteigrenzen hinweg nicht möglich. Nach der Wiedervereinigung hat man gesagt: Mensch, da fehlen 100 km Autobahn von Aachen bis Zwickau. Es wäre eine tolle Sache gewesen, wenn wir die gehabt hätten. Auch das ist heute nicht mehr machbar. – Wir haben uns über viele andere Dinge aufgeregt, über die heute kein Mensch mehr spricht.

Ich unterstelle, dass alle Kollegen ihr Bestes für dieses Land gegeben haben. Es lohnt sich, sich für dieses Land und für seine Menschen zu engagieren. Es gibt noch viel zu tun.

Ich weiß, es hat immer auch zwischenmenschliche Auseinandersetzungen gegeben; es hat tragische Geschichten gegeben. Aber irgendwie haben wir, auch wenn wir uns nicht immer in die Arme gefallen sind, zu dem Konsens gefunden, dass es sich lohnt, für diese Menschen Politik zu machen. Wir haben allerdings auch versucht, den Menschen Politik nahezubringen. Das ist für die Landespolitik am schwierigsten. Sie wird oft zwischen Kommunalpolitik und Bundespolitik zerrieben.

Ich kann nur sagen: Ich bin dankbar, dass ich in den letzten 37 Jahren meinen Teil dazu beitragen konnte. Ich wünsche diesem Land alles Gute und Gottes Segen. Was man allerdings auch noch braucht, ist ein bisschen Glück. Deshalb sage ich: „Glück, tu dich auf“, oder, wie die Bergleute sagen: Ein herzliches Glück auf!

(Anhaltender allgemeiner Beifall)

Vielen herzlichen Dank, lieber Kollege Hegemann, nicht nur für Ihre sehr nachdenkliche Rede. Sie haben jetzt ein bisschen durchscheinen lassen, was Sie alles in der Politik erlebt haben.

Sie sind im Jahr 1980 zum ersten Mal in den Landtag gewählt worden – zu einem Zeitpunkt, als sich die meisten der aktuellen Abgeordneten noch nicht vorstellen konnten, einmal Abgeordnete zu werden – wenn sie sich überhaupt schon irgendetwas vorstellen konnten. Das zeigt, über welch langen Zeitraum Sie die Politik begleitet und mit wirklich großem Engagement mitgestaltet haben.

Dafür, lieber Kollege Hegemann, gebührt Ihnen partei- und fraktionsübergreifend der Dank des gesamten Landtags Nordrhein-Westfalen. Ihnen alles, alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Auch nach solchen nachdenklichen Augenblicken müssen wir in der Tagesordnung voranschreiten. So ist das Geschäft. Niemand kennt es besser als der Kollege Hegemann.

Das heißt: Nächster Redner ist für die Fraktion der Grünen Herr Kollege Bolte.

Danke schön. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hegemann, an dieser Stelle auch von meiner Seite einen ganz herzlichen Dank für die spannenden Ausführungen dazu, womit sich der Landtag in Ihrer langen Zeit in diesem Haus politisch beschäftigt hat. Der Präsident hat gerade schon ausgeführt, was für eine lange Zeitspanne das ist. Ich war noch gar nicht auf dieser Welt – wahrscheinlich war ich noch nicht einmal in Planung –, als Sie zum ersten Mal in dieses Haus eingezogen sind.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Deswegen sage ich: Ich habe großen Respekt vor dem, was Sie in diesem Haus bewegt und geleistet haben – auch wenn ich mich nicht an viele Situationen erinnern kann, in denen wir den letzten fünf Jahren, die wir zusammen im Innenausschuss sowie im Kultur- und Medienausschuss verbracht haben, einer Meinung waren. Dennoch herzlichen Dank, alles Gute und Gottes Segen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Von hier aus zum Thema „maschinenlesbare Daten“ zu kommen – das ist jetzt allerdings ein sehr großer Schritt.

In der ersten Lesung haben wir über die Defizite dieses Gesetzentwurfs der Piratenfraktion gesprochen und dass wir an vielen Stellen nicht ganz nachvollziehen konnten, warum es kurz vor Toresschluss noch dieses Gesetzentwurfs bedurfte und was durch ihn verbessert werden könnte.

Diese Bedenken sind durch die antragstellende Fraktion im Innenausschuss nicht ausgeräumt worden. Insofern bleibt es bei den aus der ersten Lesung bekannten Argumenten, dass wir den Gesetzentwurf in dieser Form nicht brauchen.

Ich möchte aber an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei dem Kollegen Herrmann und auch seiner Fraktion für die vielen Impulse in der parlamentarischen Arbeit zu bedanken. Sie haben es uns nicht immer leicht gemacht. Ich habe eben schon gesagt, dass ich mich an sehr viele Ihrer Anträge erinnere, weil ich – zumindest gefühlt – einen großen Teil der Anträge, die aus der Piratenfraktion kamen, bearbeiten durfte und auch immer zuständig war, wenn meiner Fraktion niemand anderes einfiel. Als Netzpolitiker ist man da relativ nah dran.

Insofern vielen Dank für Ihre Impulse für unsere Arbeit und auch Ihnen alles Gute. Viele von Ihnen haben ihre Reden in den letzten Tagen mit „Auf Wiedersehen!“ beendet – möglicherweise, darüber entscheidet der Souverän in diesem Haus. Wenn nicht hier, dann mit Sicherheit an anderer Stelle. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Piraten habe ich mich für die FDP-Fraktion in der ersten Lesung am 16. März dieses Jahres eingehend auseinandergesetzt. Die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände ist erwartungsgemäß negativ ausgefallen. Die Beratung im Innenausschuss hat zu keinen neuen Erkenntnissen geführt.

Ich kann daher vollumfassend auf meine Ausführungen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs verweisen. Der Gesetzentwurf ist in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig. Die FDP-Fraktion wird den Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Das führt uns umso schneller zu Herrn Kollegen Herrmann.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und im Stream! Wir Piraten wollen die Informationsfreiheit in Nordrhein-Westfalen stärken. Das ist der Grund, warum wir diesen Gesetzentwurf eingebracht haben. Denn weder Rot noch Grün stehen in diesem Land für Transparenz. Beide Fraktionen haben es in den letzten fünf Jahren nicht geschafft, den Entwurf für ein Transparenzgesetz in den Landtag einzubringen.

Auch wenn die Abgeordneten von der SPD und den Grünen regelmäßig etwas anderes behaupten: Transparenz per Gesetz hat es mit Ihnen nicht gegeben. Vielfältig sind die Ausreden, mit denen Anträge und Gesetzentwürfe von uns Piraten zu mehr Transparenz, zu mehr Offenheit, zu Open Data und zu offenen Standards abgelehnt wurden. Aktuell heißt es eben, das sei zu kurzfristig.

Was es bei Rot-Grün gegeben hat, waren freiwillige und unverbindliche Angebote. Ich habe hier noch den Bericht zum „Fortschritt von Open Data in der Landesverwaltung“. Er ist ungefähr ein Jahr alt. Da

ist ganz toll erzählt, was man so alles vorhat: Unter anderem steht darin, dass das Transparenzgesetz noch im ersten Halbjahr im Innenministerium beraten wird und in der Ressortabstimmung ist. Das ist dann ja leider auf der Strecke geblieben.

Das Open.NRW-Projekt: befristet bis nach der Wahl; Transparenz immer nur dann, wenn sie der Mehrheit gefällt, wenn man die eigene Arbeit gut darstellen will oder wenn man durch vermeintliche Transparenz von den eigentlichen Problemen ablenken möchte. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich Kollege Stotko heute Mittag hierhinstellt und die Veröffentlichung der Zeugenaussagen im PUA „Anis Amri“ noch vor der Beweiswürdigung und dem Schlussbericht des PUA ankündigt?

Zugleich hat man uns die sowieso jährlich zu erhebenden Zahlen von Straftaten in Verbindung mit der Videoüberwachung in der Düsseldorfer Altstadt vorenthalten, und zwar mit dem Hinweis, dass die Bekanntgabe der Zahlen der für 2018 vorgesehenen Evaluierung vorgreifen würde. Das passt irgendwie nicht zusammen.