Frau Präsidentin, ich wollte Sie mit meinem vorzeitigen Erscheinen nicht nervös machen. Aber ich wusste natürlich, dass ich bald dran bin.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank für die Gelegenheit, nun zum Antrag zu sprechen. – Wir haben von McKinsey, ohne dafür bezahlen zu müssen, eine Studie präsentiert bekommen, die der Wirtschaftspolitik der letzten 30 Jahre in Nordrhein-Westfalen den Spiegel vor
Ich bin dankbar für dieses Engagement von McKinsey. Wir haben mit diesem Antrag genauso wie die Kollegen der FDP die Gelegenheit genutzt, dieses Thema auf die plenare Ebene zu ziehen.
Nordrhein-Westfalen ist in einzelnen Sektoren unterdurchschnittlich produktiv, schöpft seine Potenziale nicht aus – und das, wie gesagt, seit über 30 Jahren. Wir liegen heute 3 % unter dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Im Rheinland haben wir eine Wirtschaftskraft pro Person von rund 33.200 €, im Ruhrgebiet von 28.400 € und in Westfalen von 29.400 €. Zum Vergleich: In Bayern sind es fast 37.000 €. Das macht die Dimension, von der wir hier sprechen, für jeden einzelnen Bürger in unserem Land deutlich.
McKinsey versucht sich in einer Analyse den Gründen zu nähern. Wir haben eine geringere Produktivität beispielsweise im Vergleich zu Bayern in Höhe von minus 7 % im verarbeitenden Gewerbe und von minus 16 % im Bereich Finanzsektor, Versicherungswesen, Dienstleistung etc. Die Gründe liegen laut McKinsey in einer deutlich unterdurchschnittlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in Nordrhein-Westfalen und in einer zu niedrigen Neuanlagenquote.
Die Potenziale – da hält uns McKinsey eine ausreichend fette Möhre vor die Nase, die wir nicht ignorieren sollten – liegen bei 27 Milliarden € zusätzlicher Wirtschaftskraft, 300.000 Arbeitsplätzen, einem um 1.400 € höheren Pro-Kopf-Einkommen und zusätzlichen Steuereinnahmen für Kommunen und Land in Höhe von 3,2 Milliarden €. Deswegen lohnt es sich, sich mit diesem Thema nicht nur heute, sondern auch in der Ausschussberatung zu befassen.
Es werden Potenziale in der Recyclingwirtschaft beschrieben. Voraussetzung dafür ist beispielsweise, dass man mal einen Sammeltag veranstaltet. Man sollte also nicht nur einen Blitzmarathon machen, bei dem der Landesinnenminister für das anständige Verhalten im Straßenverkehr wirbt, sondern auch einen Sammelmarathon, bei dem wir alle unsere alten Handys und das, was wir sonst noch in den Ecken liegen haben, zusammenlegen.
Eine weitere Voraussetzung, die für den Bereich Recycling beschrieben wird, ist die Notwendigkeit, neue Flächen auszuweisen. Ich bin nicht sicher, ob der LEP das ausreichend berücksichtigt.
Urbane Mobilität ist ein spannendes Thema. Man muss sich nur einmal anschauen, welche Fahrzeuge vormittags auf zweispurigen innerstädtischen Erschließungsstraßen stehen. Die Fahrer von DHL und UPS liefern dann Sendungen von Amazon usw. aus. Ob das beim Flächenbedarf wiederum mit den Zahlen aus dem Gutachten von Herrn
Frage. Die will ich hier gar nicht politisch hochziehen. Das muss man aber einmal miteinander besprechen.
Der neue Handel hat, weil wir in NordrheinWestfalen Standort der großen Mobilfunkunternehmen genauso wie der großen Handelsketten sind, hier sicherlich auch Potenzial. McKinsey beschreibt, dass da gerade eine Blockade stattfindet. Vielleicht kann man als Landespolitik diese Blockade zwischen den großen Händlern und den großen Telekommunikationsunternehmen mit einer Pilotregion, einem Pilotprojekt oder Ähnlichem auflösen.
Mobile Health mit Umsatzpotenzialen bis 2020 in Höhe von 45 Milliarden € allein in unserem Heimatland darf man sicherlich auch nicht ignorieren.
Was kann Politik tun? Wenn eine der Ursachen eine zu geringe Investitionstätigkeit ist, dann besteht eine der Lösungen sicherlich darin, Lust auf Investitionen zu schaffen. Das schafft man nicht mit Wiedereinführung der Vermögensteuer, Erhöhung der Erbschaftsteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes und solchen Orgien, wie sie jetzt bundesweit von Rot und Grün im Wahlkampf propagiert werden. Man schafft das sicherlich auch nicht mit dem, was hier durch Regierungshandeln schon passiert ist. Damit meine ich zum Beispiel das Tariftreue- und Vergabegesetz, das Klimaschutzgesetz und das Verbandsklagerecht.
Bei der Förderpolitik hält uns McKinsey vor, wir hätten über viele Jahrzehnte falsch gefördert. Gerade jetzt ist das operationelle Programm in der Pipeline. Wir sprechen am Freitag hier im Plenum darüber. Es ist eine Aufgabe aller in der Politik, egal wer gerade regiert, dann eine Fokussierung auf Forschung und Entwicklung, auf den Mittelstand vorzunehmen und den Begehrlichkeiten anderer Ressorts zu widersprechen. Denn da hat es jeder schwer, der das mit den Kabinettskollegen verhandeln will.
McKinsey kommt zu dem Schluss, eine Bildungsoffensive müsse sein, Bürokratieabbau müsse sein. Das Lob der nordrhein-westfälischen Wirtschaft für die bisherigen Aktivitäten der Landesregierung auf diesen beiden Themenfeldern muss mir entgangen sein.
Strich drunter: McKinsey beschreibt einige wunde Stellen, aber auch eine Menge Potenziale. Lassen Sie uns darüber in den nächsten Wochen und Monaten engagiert diskutieren und das Beste im Sinne unseres Landes heraussuchen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen, geehrte Herren! Egal, wie wir es interpretieren, umdeuten, gewichten, verklausulieren oder politisch übersetzen, es bleibt eine Tatsache: Wir in NRW waren schon mal besser.
NRW fällt zurück. Das heißt nicht, dass wir nicht immer noch stark wären. Wir sind für uns genommen noch immer auf Platz 17 der stärksten Volkswirtschaften der Welt. Aber wir waren schon mal auf Platz 14. Wir haben noch immer eine starke Infrastruktur, eine starke Wirtschaft, viele leistungsstarke Menschen. Aber unser Bruttoinlandsprodukt ist im Bundesvergleich anders als früher in der Regel nur noch unterdurchschnittlich. Wir hinken hinterher.
Und das hat Gründe. Die vorliegende McKinseyStudie zeigt einige davon auf. Sie liegen nicht in dem zugegebenermaßen lange vor uns hergeschobenen Strukturwandel. Ich erwähne nur kurz, dass wir noch heute die Steinkohlesubventionen mit 400 Millionen € jährlich alimentieren. Das sind 400 Millionen €, die wir besser in Bildung, in Forschung, in Infrastruktur und damit in Zukunft investieren würden.
Aber dieses Strukturargument reicht nicht mehr aus, um sich dahinter zu verstecken. Auch das zeigt die vorliegende Studie.
Die Gründe für den langsamen Abstieg des Landes liegen, wie die Studie zeigt, bei Schwachstellen und Problemen in anderen Bereichen: in Forschung und Entwicklung und bei Investitionen in Neuanlagen sind andere Länder besser. Bei der Produktivität in der Wirtschaft ist Luft nach oben. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist ausbaufähig. Im Ergebnis sind die Wachstumstreiber Arbeit, Investitionen und Innovationen eben nicht schlagkräftig, man kann sogar sagen, dass sie in erheblichem Umfang behindert werden.
Dabei gibt es gemeinsame Ziele, zu denen wir uns bekennen – der Wirtschaftsminister hat das zu verschiedenen Punkten immer wieder gesagt –: Wachstum, Beschäftigung, Industrie, wirtschaftliche Dynamik.
Die Bilanz ist etwas ernüchternder. Wir haben ein Mittelstandsgesetz, das bisher nicht wirklich zur Anwendung gekommen ist. Wir haben beim Ladenschluss und beim Rauchverbot eher eine Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit als das Gegenteil. Im Zusammenhang mit Fracking zeigt die Landesregierung, wie man ein Thema politisch in erster Linie an Risiken messen kann und nicht an den Chancen, die damit in Verbindung stehen. Und auch bei der Energiepolitik bleibt die Landesregierung bisher ein Konzept schuldig, das sie dem Parlament eigentlich zuleiten wollte. Von daher verstehen wir auch nicht, warum die Landesregierung sich bisher sogar der Abmilderung der Strompreiserhöhung widersetzt.
Mit Verlaub: Mit dieser Bilanz kann man die immerhin noch siebzehntgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht auf einen Wachstumspfad zurückführen.
Ein Wirtschaftsminister muss sich auch immer daran messen lassen, was er tatsächlich dazu beiträgt, dass wirtschaftliches Wachstum in einem Land entsteht. Aus unserer Sicht ist das momentan zu wenig.
Ich sage es noch einmal: In den beschriebenen Zielen sind wir uns weitestgehend einig. Deswegen ist dieser Antrag, den wir gestellt haben, auch ein Angebot an die Landesregierung und an die Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün. Diese können dieses Angebot im Moment nicht persönlich vernehmen. Ich hoffe aber, dass man es ihnen zuträgt, Herr Schmeltzer.
Die Autoren der McKinsey-Studie – darauf ist der Kollege Wüst eingegangen – zeigen exemplarisch auf, in welchen Bereichen wir Verbesserungspotenziale haben.
Leider, meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot-Grün, zeigt Ihr eingebrachter Entschließungsantrag in dieser Richtung wenig. Sie sprechen von Handwerk und Mittelstand. Sie loben ein diesbezüglich bisher wenig wirksames Mittelstandsgesetz. Bei den Belastungen durch das TVgG, das Tariftreue- und Vergabegesetz, bleiben Sie dagegen tatenlos und sprachlos.
Forschung und Entwicklung: Sie geben Verweise auf die ideologische Überfrachtung in diesem Bereich, statt Perspektiven für die freie Entfaltung von Kreativkräften zu eröffnen, zum Beispiel indem Sie das Hochschulfreiheitsgesetz belassen, wie es ist.
Rahmenbedingungen. Mit dem Klimaschutzgesetz oder auch der Debatte um andere Großprojekte am heutigen Morgen zeigen Sie nur eine Verlässlichkeit: Die einzige Verlässlichkeit durch die Landesregierung ist Unsicherheit in diesem Bereich.
Stattdessen rufen Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, permanent und gebetsmühlenartig nach Hilfen aus Berlin. Das kann nicht die Lösung sein. Damit versuchen Sie nur, Ihre eigene Handlungsunfähigkeit zu überdecken.
Es muss doch Aufgabe nordrhein-westfälischer Wirtschaftspolitik sein, zukunftsträchtige und nachhaltige Wachstumspotenziale zu identifizieren und diese dann in Partnerschaft mit Wirtschaft, Unternehmen, Wissenschaft, Verbänden, Kammern, Kommunen und Bürgern zu initiieren.
Die Voraussetzung dafür ist, sich zu Wachstumszielen zu bekennen und ideologische Sackgassen zu vermeiden. Die Voraussetzung ist, Potenziale zu nutzen und Fehlsteuerungen zu verhindern.
Damit wir – um mit den Worten aus dem Jahresbericht von unternehmer.nrw zu schließen – nicht den Weg fortsetzen in immer mehr Kontrolle, mehr Regulierung, mehr finanzielle Belastung und damit mehr Staat, fordern wir Sie auf: Die nordrheinwestfälische Wirtschaft wartet auf Ihre Starterlaubnis, sie steht bereit – blockieren Sie nicht länger die Startbahn, geben Sie die Starterlaubnis! – Vielen Dank.