Protokoll der Sitzung vom 31.01.2014

(Heiterkeit)

Ich rufe auf:

3 Nutzung eines Recyclingquoten-Benchmar

kings zur Steigerung von Recyclingaktivitäten in den Kommunen Nordrhein-Westfalens

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4830

Das ist heute mein Lieblingstitel in der Tagesordnung. Schöner kann man nicht titeln. – Dazu spricht Herr Kollege Deppe. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 470 kg Siedlungsabfall hat durchschnittlich jeder Einwohner in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 produziert; das ist die letzte verfügbare Zahl, gerade veröffentlicht. 54 % dieser Abfälle werden getrennt gesammelt, Bio- und Grünabfälle sowie Wertstoffe wie Papier, Leichtverpackungen, Glas, Metall, Holz und Elektroschrott, insgesamt 252 kg je Einwohner und Jahr, allerdings von Kommune zu Kommune mit extrem unterschiedlichem Erfolg.

Es ist im Interesse unseres Landes, dass diese wertvollen Rohstoffe aufbereitet und wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren, stabilen und kostengünstigen Rohstoffversorgung unserer produzierenden Industrie. Was im Energiebereich gilt, meine Damen und Herren, nämlich von einer ressourcenverbrauchenden zu einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise zu kommen, hat für die Rohstoffversorgung unseres Industrielandes eine mindestens genauso große Bedeutung.

Aus gutem Grund schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz die fünfstufige Abfallhierarchie vor. Danach kommen Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling ganz eindeutig vor energetischer Verwertung, Verfüllung und Beseitigung. Rohstoffe zu verbrennen, kann nur die letzte Lösung sein. Trotzdem landen in Nordrhein-Westfalen knapp 4 Millionen t des Siedlungsabfalls in Hausmüllverbrennungsanlagen. Im besten Fall werden dort noch Wärme und Strom erzeugt. Die Rohstoffe aber gehen durch die Verbrennung unwiederbringlich verloren. Wir sagen: Da ist mehr drin, da müssen wir mehr herausholen.

In exakt elf Monaten ist das getrennte Einsammeln von Papier, Metall, Kunststoff, Glas und Bioabfall gesetzlich vorgeschrieben. Die Erfassung der Abfälle – ich persönlich spreche lieber von Rohstoffen – ist aber nur die eine Seite der Medaille.

Sie bekommt nur dann einen Wert, wenn auf der anderen Seite die Verwertung der Rohstoffe tatsächlich gelingt. Es kommt also ganz entscheidend darauf an, was mit den sortierten Rohstoffen geschieht. Dies ist aber oft, und zwar zu oft, unklar. Während der Input in stoffliche Verwertungsanlagen ziemlich genau erfasst wird, bleibt der Output zu häufig im Dunkeln. Um es klar zu sagen: Die Verwendung als Ersatzbrennstoff ist keine stoffliche Verwertung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.

Ein einheitliches Berechnungssystem, nach dem Abfallbilanzen aufzustellen und Verwertungswege zu ermitteln sind, würde da weiterhelfen. Die Regeln

dafür festzulegen, ist Aufgabe der Länder. Als größtes Bundesland sollte Nordrhein-Westfalen diese Chance nutzen.

Die CDU schlägt vor, ein einheitliches Benchmarking zu entwickeln. So wird es möglich, die Recyclingquoten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu vergleichen – nicht als Selbstzweck, sondern weil über ein vergleichbares und transparentes Bilanzierungssystem Erfolge und natürlich auch Schwächen, aber gleichzeitig die große Dynamik bei der stofflichen Verwertung erkennbar werden. Wir sind davon überzeugt: Ein solches Benchmarking wird sehr schnell Impulse für ein hochwertiges Recycling auslösen.

Vor dem Hintergrund knapper und vor allem immer teurer werdender Rohstoffe wird sich die Kreislaufwirtschaft zu einer der Zukunftsbranchen entwickeln. McKinsey sieht in seiner im Juni 2013 vorgestellten Wachstumsstrategie für Nordrhein-Westfalen sogar ein Potenzial von 35.000 neuen Arbeitsplätzen in der Kreislaufwirtschaft. Die Recyclingwirtschaft hat ein großes Potenzial – für die Beschäftigung in unserem Land, für die Rohstoffversorgung unserer Industrie aus heimischen Quellen und für den Klimaschutz. Gerade das in der vergangenen Woche veröffentlichte Gutachten des Öko-Instituts gibt hier ganz eindeutige Hinweise.

Diese Chancen wollen wir in Nordrhein-Westfalen nutzen, meine Damen und Herren. Wir wollen die Recyclingquote in Nordrhein-Westfalen ambitioniert erhöhen. Ich hoffe, dass der Antrag Ihre Zustimmung findet, auch wenn er von der CDU gestellt wurde.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Deppe. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Löcker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die Deutschen sortieren ihren Müll bereits sehr gründlich, ausländische Besucher schütteln oft den Kopf über so viel Mühe mit dem eigenen Dreck.“

So titelte der „SPIEGEL“ noch am 17. Januar 2014. Schaut man genauer hin, sieht man, dass es bereits heute eine bunte Reihe an Mülltonnen – braune, blaue, gelbe, graue – gibt. Flaschen müssen zum Glascontainer, ausgediente Elektrogeräte zum

Werkstoffhof gebracht werden. Für Farbreste gibt es gesonderte Termine. Sperrmüll wird auch nach Bedarf abgeholt.

Nun könnte man meinen, dass in diesem Land eigentlich alles gut organisiert ist. Diesen, allein gesehen, durchaus positiven Umstand nimmt die CDU

zum Anlass, heute einen wichtigen Beitrag zu Sache leisten zu wollen. Sie beantragen, die Recyclingquoten weiter zu erhöhen. Dazu bedienen Sie sich der McKinsey-Studie, die deutlich macht, dass der Recyclingmarkt große Chancen bietet. Natürlich weisen Sie im gleichen Atemzug – das ist auch erlaubt, meine Damen und Herren – darauf hin, dass Ihr Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes, 2012 verabschiedet, für exzellente Rahmenbedingungen sorgt. Die Einführung eines Benchmarkings als Treiber für höhere Recyclingquoten scheint da nur noch Nebensache zu sein, meine Damen und Herren.

Ich will mich heute aber nicht mit den Schwächen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes aus dem Jahr 2012 beschäftigen. Das würde sich lohnen; dafür ist aber nicht die Zeit.

Der von Ihnen jetzt eingebrachte Antrag konzentriert sich im Wesentlichen – das haben Sie gerade noch einmal deutlich gemacht – auf das Thema „Siedlungsabfälle“. Diese Abfälle, meine Damen und Herren, machen aber nur einen kleinen Teil der insgesamt anfallenden Abfallmengen aus.

Wenn man zu spürbaren Verbesserungen kommen will – das versteht sich eigentlich von selbst; das wollen wir alle –, muss man sich auch mit dem weit höheren Aufkommen von Gewerbe- und Industriemüll beschäftigen. Diese Abfallströme müssen in Zukunft ebenfalls möglichst vollständig in die Abfallwirtschaftsplanung mit aufgenommen werden. Dafür brauchen wir zunächst Hinweise auf Verwertungswege, meine Damen und Herren. Das versteht sich, denke ich, von selbst.

Sie fokussieren sich hauptsächlich auf Siedlungsabfälle und deren stoffliche Verwertung. Damit springen Sie aus unserer Sicht erheblich zu kurz. 2015 führen wir – Sie haben gerade darauf hingewiesen – die flächendeckende Biotonne und die Wertstofftonne ein. Wollen wir die Wertstofftonne ab 2015 zum Erfolg machen – an diesem Beispiel wird das, denke ich, deutlich –, muss zunächst sorgfältig abgeklärt werden, welche schadlosen sowie hochwertigen Verwertungsverfahren bei der Einführung der Wertstofftonne für stoffgleiche Nichtverpackungen aus Kunststoff heute schon bestehen, die eine ordentliche Recyclingquote erst ermöglichen.

Wir wissen, dass die heutigen Fehlerquoten bei der gelben Tonne auf Dauer unproduktiv sind und zu wenig Ertrag führen. Eine Betrachtung rein nach Verwertung reicht deshalb aus unserer Sicht überhaupt nicht aus. Weil es aus unserer Sicht wenig Sinn macht, industrielle Abfälle – darauf haben Sie bereits hingewiesen – auf Dauer nur einer energetischen Verwertung zuzuführen, so läuft es heute – auch das wissen wir – auf den Weg einer ressourcenschonenden Rohstoffwirtschaft hinaus.

Nur so kann die stoffliche Verwertung auf diesem Gebiet besser gelingen. Im Kreislaufwirtschaftsge

setz steht auch, dass stoffliche Verwertung vor energetischer Verwertung geht.

Noch ein kurzer Hinweis zu Ihrer irrigen Annahme, dass sich der neue Entsorgungsplan des Landes vor allem auf die reine Entsorgungssicherheit konzentriert. Im Antrag ist – das kann nachgelesen werden – von einer quotalen Zuweisung an Müllbeseitigungsanlagen, von einer Stärkung der regionalen Entsorgung, von Vermeidung usw. die Rede. Eigentlich müsste man fragen: Wie kommen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, eigentlich darauf, dass der Abfallwirtschaftsplan der noch nicht auf dem Tisch liegt, diese Dinge nicht berücksichtigt? Sie unterstellen damit doch, dass die Debatte ohne Beteiligung der Öffentlichkeit stattfindet und die Behörden in dieser Sache nicht beteiligt werden.

Der ökologische Abfallwirtschaftsplan – so viel ist doch klar – wird bald auf den Tisch kommen. Dann werden erst einmal alle Kommunen, öffentlichrechtliche Entsorgungsträger, Verbände und sonstige interessierte Kreise beteiligt. Die können dazu erst einmal Stellung beziehen.

Wir werden in den Fachausschüssen anschließend ausreichend Zeit haben, inhaltliche Debatten zu führen und auch unsere politischen Positionen zu finden, meine Damen und Herren. Deshalb meinen wir, dass der Antrag, den Sie hier heute eingebracht haben, nicht wirklich viel Neues bietet. All das, was Sie betrachtet haben, ist schon bekannt. Es wird zum großen Teil schon praktiziert.

Vor allem weil wir es ganz unterschiedlich betrachten – in der Sache sind wir aber hier und da vielleicht nicht unterschiedlicher Meinung –, brauchen wir die inhaltliche Befassung im Fachausschuss. Dort wird es Gelegenheit geben, die Positionen auszutauschen und sich auf den neuesten Kenntnisstand zu bringen. In diesem Sinne laden wir Sie herzlich dazu ein, die Debatte im Ausschuss aufzunehmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Löcker. – Für die grüne Fraktion hat nun Herr Kollege Markert das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, lieber Herr Kollege Deppe, freut es mich außerordentlich, dass Sie als CDU-Fraktion mit diesem Antrag offensichtlich erkannt haben, dass konsequenter Umweltschutz nicht nur ein Kostenfaktor ist, sondern selbst zu Wertschöpfung sowie Arbeitsplatzbeschaffung und -sicherung beitragen kann.

Wenn wir hier und heute über den ökologischen Abfallwirtschaftsplan und damit auch über Prinzipien der Kreislaufwirtschaft reden, dann sprechen wir anders als sonst – was viel zu oft geschieht – nicht

über nachgelagerten Umweltschutz, sondern über prozessorientieren Umweltschutz.

Wenn ich Ihre offensichtliche Vorliebe für anglizistisches Neudeutsch – Stichwort: Benchmarking – berücksichtige, dann reden wir über „Cradle to Cradle“ – „von der Wiege zur Wiege“ –, statt von „End of the Pipe“.

Der Kollege Löcker hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht nur der Hausmüllabfall eine Rohstoffquelle der Zukunft ist. Er ist zu schade für die Verbrennung. Gestern hat der Präsident des BDE – das ist der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsindustrie – noch einmal daran erinnert, dass er davon ausgeht, dass bis 2050 damit zu rechnen sei, dass rund 60 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland stillgelegt sein werden. Wenn man weiß, dass wir im Moment gut 70 haben, kann man sich die Dimension dessen, was er ausgeführt hat, ziemlich gut vorstellen.

Insofern geht es hier um eine Rohstoffquelle. Am besten wäre es, diese Rohstoffquellen gleich einer neuen Produktverwertung zuzuführen, also beispielsweise biologische Abfälle, aber auch andere industrielle Abfälle sofort wieder in die Neuproduktion bestimmter Produkte einzuführen. Ich finde, das ist spannend.

Es wird in der Tat dazu führen, dass wir weniger Verbrennung brauchen. Das sollten übrigens auch diejenigen berücksichtigen, die in Müllverbrennungsanlagen immer noch Energieerzeugungsanlagen der Zukunft sehen. Wenn wir diese Entwicklung ernst nehmen, müssen wir uns auch überlegen, dass ein Weg, bei dem wir die Müllverbrennungsanlagen als Heizkraftwerke betrachten, am Ende dazu führen würde, dass wir immer noch mehr Müllimporte bekämen, was sicherlich auch einem gesteigerten Recyclingansatz bzw. Vermeidungsansatz zuwiderlaufen würde.

Dankenswerterweise haben Sie in Ihrem Antrag die Abfallhierarchie nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und der europäischen Rahmenrichtlinie angesprochen. Allerdings wundert es mich ein wenig, dass Sie sich vor allen Dingen in Ihrer Rede, aber auch im gesamten Antrag sehr stark auf einen einzelnen Punkt kaprizieren. Wenn Sie tatsächlich Quoten im Auge haben und ein Benchmarking bei Quoten erreichen wollen, hätten Sie dies in den letzten Jahren bei der Erstellung des neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes stärker einbringen können. Dann wären wir in dieser Hinsicht bereits weiter.

Allerdings sind Quoten eher Ziele. Spannend ist doch die Frage, wie wir diese Ziele – ganz gleich, wie hoch wir uns diese setzen – tatsächlich erreichen und welche Instrumente wir wählen, um diese Ziele zu erreichen. Das führt uns dann bei Stichworten wie „Verlängerung der Produktverantwortung“

tatsächlich von der Produktion bis zur Entsorgung, nach dem Motto „Cradle to Cradle“.

Dann sind wir bei der Frage, wie wir den Produktzyklus verlängern können. Mein Vorschlag lautet an der Stelle, wir sollten darüber diskutieren, wie wir Gewährleistungsrechte für Produkte verlängern. Denn dann wäre die Produktverantwortung automatisch länger, und die Langlebigkeit der Produkte würde automatisch gefördert werden.

Das oberste Ziel in der Abfallpolitik ist übrigens nicht das Recycling – das geht oft unter –, sondern die Vermeidung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn Abfälle, die gar nicht erst entstehen, müssen wir auch nicht verbrennen.