Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir stimmen ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5487 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zu:

7 Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/5410

erste Lesung

In Verbindung mit:

Open Access im Hochschulgesetz verankern – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärken

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5476

Ich eröffne die Aussprache. Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die amtierende Landesregierung ist 2010 und 2012 mit dem Versprechen in den Wahlkampf gegangen, Bildung wieder als eine öffentliche Aufgabe zu behandeln. Dafür haben uns die Wählerinnen und Wähler einen klaren Auftrag erteilt. Das gilt in ganz besonderer Weise für die Wissenschaftspolitik. Das Weltbild von der Bildung als Ware und der unternehmerischen Hochschule teilt die Mehrheit der Menschen nicht. Bildung ist ein gesellschaftlicher Auftrag und muss allen offenstehen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Als ersten Schritt haben wir deshalb die Studiengebühren abgeschafft.

(Marcel Hafke [FDP]: Die Beiträge!)

Als zweiten Schritt reformieren wir nun das Hochschulrecht. Damit lösen wir ein weiteres Versprechen des Koalitionsvertrags ein. Dass wir diese Reform besonders engagiert und gerne zugespitzt diskutieren, ist vollkommen richtig. Ich wäre auch enttäuscht, wenn das nicht so wäre. Denn Bildung ist ein wichtiges Thema, und es lohnt sich, um den richtigen Weg zu streiten. Wir wollen, dass die Politik bei der wichtigsten gesellschaftlichen Frage des 21. Jahrhunderts, der Bildung, nicht bloß Zaungast ist.

Meine Damen und Herren, das aktuelle Hochschulgesetz gibt keine Antworten auf die Fragen der Zukunft. Es gibt keine Antworten auf wichtige Fragen wie den Studienerfolg, die demokratische Mitwirkung, die Frauenförderung oder die fairen Arbeitsbedingungen. Das Hochschulzukunftsgesetz setzt hier klare Akzente.

Konkret:

Das Hochschulzukunftsgesetz hebt gute Arbeit in Gesetzesrang. Es fordert einen Rahmenkodex, um die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen aus der Abwärtsspirale der letzten Jahre zu befreien. Gemeinsam mit den Hochschulen und den Landespersonalrätekonferenzen werden wir Maßstäbe setzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen gute Beschäftigungsbedingungen. Denn sie legen mit ihrer Arbeit den Grundstein für den Erfolg unserer Hochschulen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Das Hochschulzukunftsgesetz steht für eine echte Förderung von Frauen. Angesichts einer Professorinnenquote von rund 20 % verankern wir das Kaskadenmodell, quotieren die Hochschulräte und bringen mehr Frauen in die Verwaltungsräte der Studentenwerke.

Das Hochschulzukunftsgesetz fördert die hochschulinterne Demokratie und schafft in den Hochschulen eine zukunftsfähige Managementstruktur. Dazu modernisieren wir die Hochschulverfassung und bringen das Spiel der hochschulinternen Kräfte wieder ins Gleichgewicht. Hochschulen sind

schließlich auch Schulen der Demokratie.

(Beifall von der SPD)

Deshalb stärken wir zum Beispiel den Senat und ermöglichen die Gruppenparität. Dabei lassen wir Raum für individuelle Lösungen.

Das Hochschulzukunftsgesetz sieht im Diversity Management nicht bloß eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. 27 % der Studierenden in NRW haben zum Beispiel einen Migrationshintergrund, 13 % leben mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, 4,5 % der Erstsemester in Nordrhein-Westfalen haben kein Abitur. Damit liegen wir bundesweit an der Spitze. Angesichts dieser Fakten wird der Umgang mit Vielfalt und unterschiedlichen Startbedingungen der Studierenden zu einem ganz entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit einer Hochschule. Deswegen nehmen wir den Aspekt Diversity in den Aufgabenkatalog der Hochschulen auf.

(Beifall von der SPD)

Das Hochschulzukunftsgesetz macht Studienerfolg zu einem Indikator für erfolgreiche Hochschulen. Wir können und wollen uns die Verschwendung von Talenten, Zeit und Steuergeld durch eine viel zu hohe Abbrecherquote nicht länger leisten. Wenn zum Beispiel an den Universitäten in den Ingenieurwissenschaften 46 % ihr Studium abbrechen, dann läuft etwas schief.

Deshalb haben wir gemeinsam mit den Hochschulen das Maßnahmenpaket „Erfolgreich studieren“ geschnürt. Im Hochschulzukunftsgesetz schaffen wir die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass mehr junge Leute ihr Studium erfolgreich abschließen können – und zwar ohne Abstriche bei der

Qualität. Zum Beispiel ermöglichen wir flexiblere Studienmodelle, das Studium in Teilzeit und eine individuelle Regelstudienzeit. Wir versetzen die Hochschulen in die Lage, ihre Absolventen zu befragen, eine verbindliche Studienberatung einzuführen und vieles mehr.

Der Gesetzentwurf ist von der intensiven Dialogkultur der letzten Jahre geprägt. Im Rahmen der Anhörung der Hochschulen und Verbände konnten wir zahlreiche gute Anregungen in den Entwurf aufnehmen und Missverständnisse ausräumen.

Wir konnten zum Beispiel Klarheit darüber schaffen, welche Transparenz wir in Zukunft bei der Forschung mit Drittmitteln einfordern.

Der Prozess der Landesplanung und die Abstimmungswege zwischen Landesregierung, Parlament und Hochschulen sind jetzt klarer beschrieben. Wir werden die engen Finanzverflechtungen zwischen dem Land und den Hochschulen weiterentwickeln und damit auch eine Anregung des Landesrechnungshofes aufgreifen. Wir schaffen einen Liquiditätsverbund, der die Finanzierung der Hochschulen sichert und zugleich die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wahrt.

Bei vielen wichtigen Punkten konnten wir im Laufe der Gespräche einen weitgehenden Konsens erzielen.

Von Beginn an nicht verhandelbar war jedoch unsere Forderung nach mehr Transparenz. Hierbei geht es tatsächlich darum, dass wir wissen wollen, was mit dem Steuergeld an den Hochschulen geschieht.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

In diesem Jahr sprechen wir dabei von einem Rekordbudget in Höhe von rund 6 Milliarden €. Dabei geht es nur um einige wenige vergleichbare Datensätze. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich ein in sich stimmiges Controlling im Hochschulbereich, das führen wir mit dem Hochschulzukunftsgesetz jetzt endlich ein.

Das Hochschulzukunftsgesetz bringt Hochschulen, Landesregierung und Parlament in einer gemeinsamen Entwicklungsplanung zusammen. Sie alle tragen für unsere Hochschulen Verantwortung und werden durch das Hochschulzukunftsgesetz nun in die Lage versetzt, diese Verantwortung im Rahmen einer neuen Governance-Struktur auch wahrzunehmen.

In der Verantwortung des Landes liegt insbesondere ein angemessenes und ausreichendes landesweites Angebot an Hochschulleistungen. Das umfasst zum Beispiel solch grundsätzlichen Fragen wie ein überregional abgestimmtes Fächerangebot, eine ausgewogene Fächervielfalt oder auch die Auslastung der Kapazitäten. Hier gilt: Wenn 37 Hochschulen für sich planen, kommt nicht automatisch das beste Ergebnis für das gesamte Land heraus.

(Lachen von der CDU)

Was für eine einzelne Hochschule rational ist, bildet nicht automatisch gemeinsame Interessen ab. Diesen Irrweg des Neoliberalismus beenden wir mit diesem Gesetz. Wir ermöglichen eine Landeshochschulentwicklungsplanung, die die Anforderungen an das Hochschulsystem in Nordrhein-Westfalen formuliert.

Konkretisiert und verbindlich wird die gemeinsame Planung dann durch individuelle Verträge mit den einzelnen Hochschulen, in denen Rechte und Pflichten sowohl des Landes als auch der einzelnen Hochschule festgehalten sind.

Damit sowohl das Land als auch die Hochschulen sicher sein können, dass alle Beteiligten sich an die Regeln halten, besteht die Möglichkeit, unter sehr engen Voraussetzungen einen angemessenen Teil der Landeszuschüsse an die Hochschulen zurückzuhalten. Das Land hat so die Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Vereinbarungen kein Papiertiger sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Zusätzlich kann das Ministerium nach Anhörung der Hochschulen Rahmenvorgaben machen. Der Anwendungsbereich solcher für Hochschulen gültigen Rahmenvorgaben ist klar beschränkt. Er umfasst laut Gesetz die genau umgrenzten Bereiche der Personalverwaltung, der Haushalts- und Wirtschaftsangelegenheiten und das Gebühren-, Kassen- und Rechnungswesen.

Es geht um ehemals staatliche Aufgaben und nicht um inhaltliche Fragen von Forschung und Lehre. Es geht dabei – wohlgemerkt! – um den Umgang mit Steuergeld in öffentlichen Hochschulen, und zwar in Form von allgemeingültigen Standards. Eingriffe in Einzelfällen sind ausgeschlossen – übrigens im Gegensatz zu anderen Bundesländern, zum Beispiel Sachsen, wo das Ministerium sich bei Personalfragen die Fachaufsicht über die eigentlich selbstständige Hochschule vorbehält.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen bleibt mit dem Hochschulzukunftsgesetz in Sachen Hochschulautonomie die Nummer eins unter allen Bundesländern.

(Marcel Hafke [FDP]: Das meinen Sie doch nicht ernst!)

Es gibt also keinen Grund, die auch heute zu erwartenden Empörungsrituale – Sie treiben sie gerade wieder voran –

(Marcel Hafke [FDP]: Das sind keine Rituale!)

weiter auf die Spitze zu treiben. Der Blick über den Tellerrand zeigt: Wer sich so empört, wie Sie von CDU und FDP das in den letzten Wochen und Monaten getan haben, steht mit seinem Verständnis von Hochschulautonomie ziemlich einsam da.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU – Lachen von der FDP)