Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Es lohnt sich natürlich, darüber zu diskutieren, ob nicht auch der Landtag stärker Onlineplattformen wie Wikipedia nutzen, in sozialen Netzwerken präsent sein sollte oder ob die digitale Bürgerbeteiligung ausgeweitet werden kann. Doch eines haben die Debatten der letzten 24 Monate gezeigt: Open Government ist ein Prozess und nichts, was in einem Guss umgesetzt werden kann. Auch die Kremser Erklärung hat dies erkannt und benennt eine Zielsetzung, überlässt jedoch den Parlamenten die Art und Weise und die Zeitdauer der Umsetzung.

Der Antrag der Piraten geht über die gemeinsame Erklärung der deutschen und österreichischen Landesparlamente sowie Südtirols hinaus. Zumindest erschließt sich dem Leser des Antrags nicht, wo die Parlamentspräsidenten von einer digitalen Beteiligung der Öffentlichkeit bei Anhörungen gesprochen haben oder aber von der Öffnung der Datenbanken, abgesehen von der Schaffung von Schnittstellen. Es entsteht eher der Eindruck, dass ein mehr oder weniger aktueller Aufhänger für eine erneute Debatte über die Digitalisierung des Landtags und die eigene Beweihräucherung gesucht wurde.

Sowohl dem Ältestenrat als auch dem Hauptausschuss ist klar dargelegt worden, dass zum Beispiel bei Parlamentsdokumenten die Veröffentlichung aller Metadaten wie Ersteller und Datum nicht möglich ist und andererseits datenschutzrechtliche Bedenken bei einer möglichen Identifikation von Personen auftreten können.

Der Direktor des Landtags hat darüber hinaus hinreichend dargestellt, dass die Ziffern 2 bis 4 des Beschlussvorschlags bereits in der Umsetzung sind, jedoch teilweise – unter anderem in Bezug auf OPAL – noch Zeit dafür benötigt wird.

Ich brauche nicht zu wiederholen, dass Open Government für die FDP ein wichtiges Thema ist, das wir gerne konstruktiv begleiten. Doch die zuständigen Gremien müssen genug Zeit dazu haben, ausgewogene Lösungen zu entwickeln, die allen Beteiligten gerecht werden. Nicht nur die Arbeitsgruppe zur Novellierung der Geschäftsordnung ist mit diesem Thema befasst. Warten wir also ab, was die dazu Berufenen dem Parlament präsentieren, und diskutieren wir dann konstruktiv, statt, um mit Erlaubnis der Präsidentin den Direktor beim Landtag zu zitieren, erneut über „Insellösungen“ zu beraten.

Die Kremser Erklärung wird also weiter Stück für Stück mit Leben gefüllt werden, indem auf die bereits vorhandenen Angebote aufgebaut wird. Außer dem Antragsteller haben alle Fraktionen den Antrag im Hauptausschuss aus diesem Grund abgelehnt.

Wir sehen keine Begründung, heute anders zu entscheiden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Marsching.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Beim letzten Plenum haben wir einen Antrag zur Kremser Erklärung eingebracht, jenem Dokument, in dem sich der Landtag dazu verpflichtet, zu den bereits vorhandenen und – ich möchte das noch einmal betonen – recht zahlreichen und schon recht guten Maßnahmen noch mehr Anstrengungen in Richtung Open Government und Open Data zu leisten.

Während der Vorbereitung des vorliegenden Antrags sind wir in unserer Fraktion mehrfach zu der Auffassung gelangt, dass die Landtagspräsidentin eine sehr zukunftsorientierte Frau ist.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ja, da darf man auch einmal klatschen. – Denn die Inhalte der Kremser Erklärung gehen in ihren Ausführungen sehr weit und lassen einen breiten Spielraum auch ohne eigene Initiative im Sinne einer technologisch gewandelten Umgebung. Das begrüßen wir Piraten ausdrücklich.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Grundlagen für innovatives Handeln sind nicht zuletzt aufgrund der herausragenden Arbeit auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags vorhanden. Auch das wollen wir noch einmal ausdrücklich loben.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber wir haben fast ein Jahr seit Verabschiedung der Kremser Erklärung durch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschsprachigen Landesparlamente gewartet. In der Zeit hat man hier angefangen, weitere Streamingangebote zu schaffen. Darüber hinaus ist uns allerdings zu wenig geschehen, oder – das mag auch sein – wir haben zu wenig mitbekommen. Denn der Stream ist, liebe Kollegen Töns und Hendricks – auch Kollege Wedel hat es erwähnt –, nicht alles.

Die Stellungnahme der Landtagsverwaltung, die Gegenstand im Ausschuss war, besagt zumindest, dass man bereits in Teilen an unseren Forderungen arbeite. Das freut uns natürlich. Aber das zeigt auch, dass es immer jemanden braucht, der eine solche Erklärung nicht nur unterzeichnet, sondern auch von den Grundwerten her mit Leben füllt.

Wir werden jetzt gleich in beeindruckender Art und Weise erleben, wie vier von fünf Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen ablehnen werden, was die Landtagspräsidentin im Namen des Landtags unterschrieben hat, nämlich die Forderungen auf Grundlage der Kremser Erklärung.

Nichtsdestotrotz ruft die Piratenfraktion dazu auf, dass man sich als Zivilgesellschaft – nicht Gesellschaft, sondern das Wort ist „Zivilgesellschaft“ – in ähnlicher Art und Weise wie bereits zur EnqueteKommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Deutschen Bundestag einbringt. Denn dort wurde die Forderung nach Beteiligung vernommen, wie man selbst auf der Seite der Enquetekommission nachlesen kann, und es wurde am Ende fraktionsübergreifend mit Sachverständigen gearbeitet. Diese Souveränität im Umgang mit Bürgerbeteiligung würden wir uns hier im Landtag NordrheinWestfalen auch wünschen.

Denn alleine die Abstimmung wird gleich zeigen, welch große Diskrepanz es gibt zwischen dem eigenen formulierten Anspruch, beispielsweise mit dem Antrag Drucksache 16/811 „Modernes Regieren im digitalen Zeitalter – Open Government Strategie für Nordrhein-Westfalen vorantreiben!“, und dem, was letztendlich hier im Parlament tatsächlich praktiziert wird. Da kann ich nur appellieren, lieber Adhocracy e.V., Mehr Demokratie e.V. und all die anderen: Bringt euch hier im Landtag genauso ein wie auf Bundesebene, denn Bürgerbeteiligung kann nicht von der Politik, von oben verordnet werden, sondern Bürgerbeteiligung lebt davon, dass sich Bürgerinnen und Bürger aktiv in Prozesse einbringen!

(Beifall von den PIRATEN)

Ich werbe hier noch einmal nachdrücklich dafür, diesem Antrag zuzustimmen. Ich weiß, es hat keinen Sinn, aber es wäre ein klares und eindeutiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass sie mehr sind als die puren Stimmen bei der Landtagswahl. Man sollte ihnen auch danach noch die Möglichkeit einräumen, in der laufenden Wahlperiode bei der Meinungsfindung zu bestimmten Themen mitzuarbeiten. Die Verfassungskommission kann da nur ein Anfang sein.

Wir Piraten werden uns der Weiterentwicklung der parlamentarischen Arbeit auf Basis der Kremser Erklärung widmen. Und wir hören nicht damit auf. Wir sind gerne bereit, immer wieder in den konkreten Dialog mit der Landtagsverwaltung und auch den anderen Fraktionen zu treten. Nur eines ist auch klar: Versteckt sich jemand hinter dem Rücken politischer Mehrheiten, um zwar in der Öffentlichkeit tolle Dokumente zu propagieren, aber am Ende die Arbeit nicht zu leisten, dann werden wir selbstverständlich die Dinge selbst in die Hand nehmen.

Damit wir jetzt nicht über den Unterschied zwischen API und Suchmaske reden müssen, was, glaube

ich, der Kollege Olejak fragen wollte, kann ich nur mit den Worten abschließen, liebe Frau Präsidentin: Als ersten Schritt und nach den Erkenntnissen der Beratungen im Hauptausschuss fangen wir jetzt mal direkt damit an. Ich möchte Ihnen gerne jetzt, wenn sie ihn annehmen, oder im Nachgang einen Antrag nach dem Informationsweiterverwertungsgesetz

überreichen, in dem wir die Übergabe sowohl der Parlamentsdatenbank als auch des Parlamentsspiegels inklusive aller Metadaten erfragen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Bevor Sie das Rednerpult verlassen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich der Kollege Herter zu einer Kurzintervention gemeldet hat.

Herzlichen Dank. – Herr Marsching, ich möchte von meiner Seite nur deutlich machen: Wir teilen ausdrücklich die Kremser Erklärung, so wie sie von den Präsidenten der deutschsprachigen Parlamente unterzeichnet worden ist. Wir teilen nicht Ihre Schlussfolgerungen, die Sie in Ihrem Antrag daraus gezogen haben. Mir ist wichtig, diese Unterscheidung zu treffen. Wir haben uns sehr lange damit beschäftigt. Wenn Sie hier versuchen, einen Dissens in der Grundlage darzustellen, dann weise ich das auf das Schärfste zurück. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie können, aber Sie müssen nicht darauf reagieren, Herr Kollege Marsching.

(Heiterkeit)

Ich möchte gerne einen Satz dazu sagen. Es liegt mir fern, einen Dissens zu provozieren, denn ich hätte gerne gerade in dieser Frage Open Government/Open Data einen Konsens, und zwar am liebsten mit allen Fraktionen hier im Landtag, die heute hier gesagt haben, dass ihnen Transparenz wichtig ist. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der Debatte. Die Landesregierung wird auch zu diesem Tagesordnungspunkt wie zum Tagesordnungspunkt zuvor nicht reden. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Drucksache 16/5786, den Antrag Drucksache 16/5479 abzulehnen. Ich weise darauf

hin, dass wir zum ersten Mal das geänderte Abstimmungsverfahren, das den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten allen bekannt ist, anwenden werden. Wir stimmen deshalb nicht über die Beschlussempfehlung ab, sondern direkt über den Antrag Drucksache 16/5479 selbst.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 16/5479 abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe auf den Tagesordnungspunkt

6 Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes

beachten und anlasslose Vorratsdatenspeicherung verhindern

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5754

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5863

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt, dass wir als Liberale uns von Anfang an gegen die Vorratsdatenspeicherung gestemmt haben. Sie werden sich sicherlich noch daran erinnern, welch massiver Kritik die damalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ausgesetzt war, als sie sich gegen die Umsetzung der EU-Richtlinie gestellt hatte.

Als ob wir es nicht von Anfang an gewusst hätten: Der Europäische Gerichtshof hat am 8. April 2014 unsere Auffassung bestätigt. Gespeicherte Daten lassen Rückschlüsse auf das Privatleben zu: Gewohnheiten, Aufenthaltsorte, den Rhythmus des Einzelnen, wo er sich wann befindet, welche sozialen Beziehungen er hat. Diese Maßnahmen sind geeignet, bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu erzeugen, ihr Privatleben sei Gegenstand einer ständigen Überwachung. So etwas möchte man ja auch nicht selber haben.

Man hätte glauben können, dass nun Ruhe eingekehrt ist. Jedoch müssen wir immer wieder hören, dass man auf Ebene der Bundesregierung, auf Ebene des Bundestages und in Teilen auch auf Ebene der Landesregierung an der Vorratsdatenspeicherung festhalten möchte.

Meine Damen und Herren, wir als Liberale können nicht nachvollziehen, wie Sozialdemokraten, wie Christdemokraten hier einen nationalen Alleingang starten wollen. Wir sind der Ansicht, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung in keinem Fall eingeführt werden darf.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Wie positionieren sich neben uns die anderen? Die Grünen haben im Bundestag letzten Freitag eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Insofern gehen wir davon aus, dass die Grünen auch unserem Antrag heute in vollem Umfang zustimmen werden. Denn da steht nichts anderes drin.