Protokoll der Sitzung vom 02.07.2014

Der erste Punkt ist von vielen angesprochen worden. Es gibt – wenn ich das in der Debatte richtig verfolgt habe – bis auf die FDP-Fraktion einen breiten Konsens hier im Parlament – darüber freue ich mich sehr –, dass es, was die Möglichkeiten der Friedhofsträger anbelangt, im Hinblick auf die Grabsteine ein Aufstellungsgebot gibt. Darüber gibt es einen breiten Konsens.

Der zweite Punkt – das ist schon mehrfach in der Debatte angesprochen worden – betrifft die Möglichkeit der Errichtung von rein muslimischen Friedhöfen. Ich meine, wenn wir klar und deutlich sagen, dass wir eine Integration der Menschen in diesem Land – egal welcher Herkunft sie sind – haben wollen, heißt das, dass Integration nicht mit dem Tod aufhört, sondern dass wir uns auch mit der Sterbekultur, den Bedarfen und den Rahmenbedingungen für die Menschen auseinandersetzen müssen. Auch das ist, finde ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Der dritte Punkt betrifft die Maßnahmen und Verbesserungen in Bezug auf die Leichenschau. Das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt, auch wenn da die Vorstellungen darüber, warum wir ihn angehen

müssen, ein Stück weit auseinander gehen. Auch darauf werde ich gleich noch einmal eingehen.

Am meisten – darüber gab es Konsens – wurde der Punkt der Grabsteine erwähnt, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden. Das ist ein Beitrag im Kampf gegen die Kinderarbeit, der ganz wichtig ist. Auch darüber wurde hier in Nordrhein-Westfalen schon lange diskutiert. Mein Vorgänger Karl-Josef Laumann hatte sich dieses Themas ebenfalls angenommen. Er machte – dabei nahm er den Ausschussvorsitzenden und andere mit – eine Reise nach Indien, um sich die Situation vor Ort anzugucken.

In der Debatte war – das war Ausgangslage für unseren ersten Entwurf – der Wunsch insbesondere der kirchlichen Friedhofsträger nach einer echten Verbotsmöglichkeit geäußert worden. Wir haben den Entwurf gemacht und ihn auf Grundlage des Urteils vom 16. Oktober 2013 hinterfragen müssen. Daher haben wir eine längere Diskussionsschleife gerade wegen dieses Themas gemeinsam verbracht.

Klar ist, dass das Verwendungsverbot grundsätzlich verfassungsrechtlich legitimiert ist und dass wir es umsetzen können. Aber die Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze ist unzumutbar beeinträchtigt, wenn wir hierüber keine klare Regelung haben, wie dieser Nachweis geführt werden kann. Das haben wir jetzt geregelt.

Klar ist auch, dass der ursprüngliche Entwurf, nach der jede Gemeinde das selbst regeln können sollte, nicht funktioniert. Deswegen gibt es heute einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der dieses Aufstellungsverbot rechtssicher gestaltet.

Zu den Anmerkungen von Frau Schneider: An dieser Stelle ist das sehr unkompliziert und nicht sehr bürokratisch mit einer einfachen Zertifizierung umzusetzen. Denn bei Grabsteinen ist es sehr einfach, das Herkunftsland und damit die Herkunft der Steine nachzuvollziehen. Deswegen gibt es keinen nennenswerten Bürokratieaufwand, zumindest keinen Bürokratieaufwand in einem Maße, den der Schutz der Kinder, den wir damit herstellen, nicht legitimieren würde.

(Beifall von den GRÜNEN und Josef Neumann [SPD])

Der zweite Punkt in der Debatte, der zu einem Dissens mit der CDU-Fraktion geführt hat, ist die Frage der muslimischen Bestattungen. Ein Viertel der Menschen in Nordrhein-Westfalen hat eine Migrationsgeschichte. Wichtig ist, dass diese Menschen, die nach wie vor häufig die Bestattung im Herkunftsland vollziehen, Nordrhein-Westfalen nicht nur als ihren Lebensmittelpunkt, sondern auch als den Ort sehen, an dem sie über den Tod hinaus bleiben wollen.

Deswegen ist es wichtig, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, wie sie die Menschen mit muslimischem Hintergrund haben wollen. Dafür müssen wir nicht nur Orte, sondern auch die notwendigen Rahmenbedingungen für ihre Bestattungsriten

schaffen, die sich in vielen Punkten von christlichen Begräbnissen unterscheiden.

Norbert Post hat eben gesagt, es gebe gerade in größeren Städten auf kommunalen Friedhöfen eigene, ausgewiesene Felder. Sie meinen, das sei ausreichend. Nein, es gibt viele, die eine andere Bestattungsform und eine andere Trägerschaft wollen. Falsch ist, den Eindruck zu vermitteln, das müssten die Kommunen machen und damit seien hohe Risiken verbunden. Wir haben vielmehr mit dem Gesetzentwurf genau die Möglichkeit für die Kommunen geschaffen, das selbst entscheiden und vor Ort klären zu können, damit sie nicht blind in irgendwelche Risiken laufen, sondern das entsprechend ihrer kommunalen Position umsetzen können.

Der Kollege Neumann wird gleich auf das Beispiel Wuppertal eingehen. Ich freue mich sehr darüber, dass die Stadt Wuppertal mit dem ersten muslimischen Friedhof ein bundesweit einmaliges Beispiel auf den Weg bringen will.

Ich möchte, dass wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Ich halte das für wichtig ist, und es steht uns als Gesellschaft gut an, die Bedarfe und Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen mit den Rahmenbedingungen zu unterstützen.

Der Punkt der Leichenschau – das habe ich eben schon gesagt – hat zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Wir haben schon beim letzten Bestattungsgesetz und darüber hinaus immer wieder die Diskussion geführt: Sind die heutigen Leichenschauen so exakt, dass die wirkliche Todesursache erfasst wird? Es gab viele Diskussionen darüber, ob die Todesfeststellung und die Ermittlung der Todesart nicht voneinander getrennt werden kann.

Frau Schneider, Sie haben eben Zahlen genannt, wie viele Fälle bei der Leichenschau – vielleicht aus Ihrer Blickrichtung – falsch im Hinblick auf die Todesursache beurteilt worden seien. Das alles wissen wir nicht wirklich. Es liegt zwar eine Studie vor, die aber überhaupt nicht übertragbar ist. Bei ihr ist nicht klar, ob die immer wieder im Raum stehende falsche Diagnose bei Todesursachen wirklich Fakt ist.

Deswegen können wir nicht flächendeckend eine zweite Leichenschau fordern. Erstens haben wir dafür die Ärzte nicht. Zweitens gibt es dafür die Ressourcen nicht. Drittens ist nicht klar, ob sie überhaupt notwendig ist. Deswegen wollen wir in Modellregionen ermitteln, ob man überhaupt eine zweite Leichenschau braucht. Herr Post, es ist nicht sinnvoll, die Stichproben irgendwo per Zufall zu nehmen. Wir wollen Sicherheit, Klarheit und Transpa

renz haben, um nicht weiter im Nebel zu stochern und um zu wissen, was notwendig ist.

Ich möchte auf zwei Punkte jenseits der großen und bedeutenden Aspekte eingehen. Norbert Post, Sie haben eben klar und deutlich hervorgehoben, dass Sie die Nachweispflicht der Urne begrüßten. Im Nachsatz haben Sie ausgeführt, das sei falsch wegen der Krematorien geregelt.

(Zuruf von Norbert Post [CDU])

Dabei haben Sie nicht ausgeführt, dass klar sei, dass die Krematorien nach wie vor nur beliehen würden und dass das ausschließlich der öffentlichen Hand vorbehalten sei. Deswegen ist Ihr Argument, das seien nur die Krematorien, völlig falsch. Die Krematorien sind vielmehr die richtige Stelle dafür.

(Widerspruch von Norbert Post [CDU])

Wir halten das nach wie vor für den sinnvollen Weg. Daher ist bei Ihnen aus meiner Sicht das eine oder andere durcheinandergegangen.

Ich möchte nochmals den zweiten Punkt ansprechen – ich habe ihn eingangs schon erwähnt –: Sie haben zum Schluss Ihrer Rede eine breite Einlassung bezogen auf die anonyme Bestattung gemacht. – Die anonyme Bestattung hat etwas mit dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu tun. Sie sollen für ihren Todesfall festlegen können, dass sie anonym bestattet werden wollen.

Das ist eine Realität, wie wir sie in NordrheinWestfalen an vielen Stellen vorfinden, und wo auf den Friedhöfen der Umgang gerade mit anonymen Bestattungen oft ein sehr würdevoller ist.

Auf vielen Friedhöfen in Nordrhein-Westfalen finden viertel- oder halbjährlich Trauerfeiern an den Feldern der anonymen Bestattungen für die Menschen statt, die zwar wissen, dass ihre Angehörigen dort bestattet sind, die aber vielleicht das Feld nicht kennen.

Die anonyme Bestattung ist insofern zwar eine Entscheidung, vielleicht nicht mit Grabstein, mit Prunk und mit Blumen bestattet zu werden, aber das steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Friedhof dennoch ein Trauerort sein kann. In diesem Sinne haben wir damals in 2003 diese Regelung für die Frühchen eingeführt; das gilt aber auch für andere.

Deswegen finde ich es schon etwas arg übertrieben, …

Die Redezeit.

… wenn Sie den Untergang des Abendlandes für den Fall heraufbeschwören, dass die anonyme Bestattung in Nordrhein-Westfalen nicht aufgehoben würde, weil es bei

einer anonymen Bestattung an Würde und einem Ort zum Trauern fehlte.

Ich freue mich, dass wir dieses Bestattungsgesetz heute – hoffentlich – auf den Weg bringen, und ich glaube, dass zwischen den Positionen von CDU und FDP genau der richtige Weg liegt für die Bedarfe der Menschen in Nordrhein-Westfalen. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Jetzt hat Herr Kollege Neumann für die SPD-Fraktion das Wort.

Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass das Grundgemurmel hier im Raum relativ laut ist und der Geräuschpegel ansteigt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Menschenrechte sind da zu Hause, wo die Menschen wohnen, wo sie leben, wo sie arbeiten und auch da, wo sie sterben.

Eine moderne Gesellschaftspolitik auf der Höhe der Zeit, die den demografischen Entwicklungen und dem Deutschland von heute Rechnung trägt, schließt das Bestattungswesen mit ein: aus Achtung und Respekt vor den Verstorbenen und ihrer Würde, aber genauso aus Achtung, Respekt und Würde vor den Angehörigen, Freunden und ihrem sozialen Umfeld.

Die Art und Weise, in der ein Land den Tod, die Toten und ihre Familien behandelt, verrät viel über die humanitären Qualitäten und die politische Kultur dieses Landes. Dabei gilt es, die Individualität und die Wünsche der Menschen zu berücksichtigen. Weil dem so ist, befinden wir heute nicht allein über ein Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes, sondern über einen maßgeblichen integrationspolitischen Schritt, dem gleichermaßen faktisch wie symbolisch eine außerordentliche Bedeutung zuzumessen ist.

Der rot-grüne Entschließungsantrag unterstreicht noch einmal diesen qualitativen Sprung, der statt von Furcht und Misstrauen von Wertschätzung, religiöser Vielfalt und freier Religionsausübung getragen ist. Ein selbstbewusstes Nordrhein-Westfalen erweist sich heute als interkulturell und menschenrechtlich erwachsenes Land.

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir Zeichen setzen. Ja, Kollegin Schneider, wir wollen auch ein Zeichen setzen zum Schutz von Kindern vor Ausbeutung. Und mag dies auch mit einer gewissen Form von Bürokratie verbunden sein, so sage ich Ihnen: Die Menschenwürde dieser Kinder ist es wert, dass wir sie vor Ausbeutung schützen.

(Beifall von der SPD)

Erlauben Sie mir aber, mich auf einen wichtigen Aspekt zu konzentrieren: die Frage der nicht christlichen, vor allem muslimischen Friedhöfe. Ich spreche hier zu Ihnen als Landespolitiker, aber zugleich als Abgeordnete aus der Stadt Wuppertal, die hier eine Vorreiterrolle einnimmt. Dort haben sich schon vor Jahren verschiedene Akteure – gerade auch die Interessensgemeinschaft der lokalen Moscheevereine – mit ausdrücklicher Unterstützung auch der Landtagsabgeordneten der SPD auf den Weg gemacht, den landesweit ersten Friedhof dieser Art Wirklichkeit werden zu lassen.

Die heutige Entscheidung schafft die erste entscheidende gesetzliche Grundlage, dass dieser lang gehegte, bei den Muslimen seit Jahrzehnten vorhandene Traum endlich Wirklichkeit wird. Integration und soziale Inklusion können sich nicht auf einzelne Personengruppen und Lebensphasen beschränken. Echte, ernsthafte Integration reicht von der Wiege bis zur Bahre.

Ist es nicht merkwürdig, wenn wir Menschen muslimischen Glaubens bisher signalisiert haben: „Bis zum Sterben seid ihr hier willkommen und gehört durchaus zu uns, aber danach ist es uns ganz recht, wenn ihr in die Länder eurer Vorfahren oder in eure Geburtsländer zurückkehrt“?

(Zuruf von der CDU: So ein Unfug!)

Sind wir uns eigentlich dessen bewusst, was es bedeutet, wenn Muslime hier in Deutschland auf muslimischen Friedhöfen unter Berücksichtigung islamischer Glaubensgrundsätze und Bestattungsriten beerdigt werden wollen, wenn sie und ihre Familien darauf Wert legen, unweit ihres Lebensmittelpunktes und in der Nähe ihrer Angehörigen eine Grabstätte zu finden?

Lassen Sie mich hier den Satz einschieben: Davon können auch in Deutschland viele Menschen, die in einem Krieg vertrieben wurden und immer wieder in die Heimat zu den Gräbern zurückkehren, ein Lied singen.

Es ist ja nun nicht gerade so, dass die Politik muslimischen Menschen die Neuregelung des Bestattungsgesetzes aufzwingen würde. Sie selber haben diese Möglichkeit angeregt und den Willen artikuliert, dass sie, ihre Eltern und ihre Kinder hier beerdigt werden können.

Häufig wird von Migrantinnen und Migranten Identifikation eingefordert, werden eigentümliche Begriffe wie „Integrationsbereitschaft“ und „Integrationswillen“ verwandt. Gibt es eine deutlichere Form von Identifikation und des Integrationswillens, als hier, wohnortnah, allen Diskriminierungserfahrungen zum Trotz seine letzte Ruhestätte zu finden? – Die Botschaft lautet: Wir sind hier zu Hause, das ist unsere Heimat.