Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Also, die Aufforderung von BITKOM, durchzustarten, nehmen wir durchaus ernst, weil wir von Prognos wissen: 2012 war mehr als ein Drittel des Wertschöpfungswachstums digital getrieben. Anders ausgedrückt: 145 Milliarden € unseres Wertwachstums war der Digitalisierung geschuldet. Oder wieder anders ausgedrückt: Wir können davon ausgehen, dass rund eineinhalb Millionen Arbeitsplätze allein in 2012 so neu entstanden sind. Das charakterisiert die wirtschaftspolitische Bedeutung mit wenigen Zahlen.

Die Landesregierung hat ihre Wirtschaftspolitik entsprechend ausgerichtet. Denken Sie an die Leitmarktstrategie „Industrie 4.0“, denken Sie an den Einsatz für leistungsstarke Infrastruktur. Natürlich sind Hochleistungsbreitbandnetze Voraussetzung. Im Ballungsraum sehen wir durchaus vergleichsweise gut aus, was hier oft diskutiert wurde. Im ländlichen Raum – da gebe ich Ihnen recht – bleibt die Herausforderung bestehen.

Nicht zuletzt mit unserem „Runden Tisch Breitband“ formulieren wir gerade praxisnahe gemeinsame Antworten. Wir wollen gemeinsam mit dem Bund und nicht gegen den Bund dafür sorgen, dass digitale Infrastruktur zügiger ausgebaut werden kann, auch mit den großen Partnern der Technologiekonzerne.

Sicherheit im Netz für Menschen und Unternehmen ist ein wichtiges angesprochenes Thema. Das wird im Ausschuss sicherlich vertieft. Ich will nur darauf hinweisen, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage natürlich ganz neue Dimensionen erreicht und wir uns bewusst machen müssen, wie wichtig Netzsicherheit unter dem Gesichtspunkt „Standortsicherheit und Entwicklung“ regional und national ist. Das schmälert nicht die individuellen Schutzrechte, die gestärkt werden müssen, und das schmälert nicht die Aspekte einer Kriminalitätsvorbeugung, wenn wir den Schutz entsprechend ernst nehmen.

Die Landesregierung hat digitale Wirtschaft als Schwerpunkt nicht nur benannt, sondern auch anerkannt. Auf unserer Agenda ist die Querschnittsbranche vom jungen Internet-Start-up bis zum Global Player im Fokus. Wir wollen, dass die Schnittstellen gestärkt werden. Der Branchendialog ist dafür ein gutes Instrument, mit den Akteuren Chancen auszuloten. Die Schnittstellenproblematik zwischen Industrie, KMU, Start ups, Unis und Finanzwelt werden wir systematisch verbessern und die Strategie, die sich aus der Agenda ableitet, mit konkreten Maßnahmen auf den Weg bringen.

Außerdem möchte ich darauf verweisen, dass gerade der Beauftragte der Landesregierung, Prof. Kollmann, ein herausragender Ansprechpartner, ein anerkannter Experte und ein lebendiges Bindeglied ist, um zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu vermitteln und entsprechende Erkenntnis in praktische Politik umzusetzen helfen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Moritz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie schimpfen auf den Bund, werte Kollegen der Piraten, aber dort passiert im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen immerhin etwas. Das mag vielleicht daran liegen, dass wir hier etwas zu entspannt sind, um die Ministerpräsidentin zu zitieren.

(Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

Auch wenn Sie sich über das Wort „Neuland“ der Kanzlerin lustig gemacht haben, sollten Sie akzeptieren, dass es in weiten Teilen oder in breiten Gesellschaftsschichten und vor allen Dingen auch Altersgruppen unserer Gesellschaft

(Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

nach wie vor viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die nicht oder erst in den letzten Jahren gelernt haben, einen Computer zu bedienen. Wir wissen noch, dass es vor 15, 20 Jahren in den Familien noch hieß: Ach, dieses Internet, das wird sich doch nicht durchsetzen.

Also akzeptieren Sie doch, dass es eine solche Digitale Agenda gibt, dass eine solche Digitale Agenda ein Zeichen ist, ein Zeichen in die Gesellschaft, dass das Thema „Digitale Gesellschaft“ angegangen wird. Bei einem Thema, das ständig so im Fluss ist, machen starre Vorgaben keinen Sinn. Ich glaube, wir sind uns einig, dass zum Ende der Digitalen Agenda im Jahr 2017 die digitale Welt ganz anders aussehen wird als wir sie heute kennen.

Eben wegen dieses ständigen Wandels haben Sie recht, dass die starre Festlegung auf 50 Mbit/s mittelfristig nicht zielführend ist. Aber solange sich in Nordrhein-Westfalen weite Teile der Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, schon über 6 Mbit/s beim Download freuen würden, so lange müssen wir an der Digitalisierung der Gesellschaft grundsätzlich weiterarbeiten. Diese Millionen Bürgerinnen und Bürger und unzählige Unternehmen können über ihren durchaus berechtigten Wunsch nach symmetrischen Upload-Bandbreiten vermutlich nur ungläubig den Kopf schütteln.

Sie haben genauso recht, wenn Sie die Überarbeitung des Förderprogramms „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ fordern, wobei entgegen der Ansicht von Herrn Minister Duin eine Förderung des Breitbandausbaus auch unter dem jetzigen Förderprogramm durchaus möglich wäre. Die Landesregierung ist offenbar nicht in der Lage, die Vorgaben zu verstehen und umzusetzen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielmehr bleibt sich die Landesregierung auch bei diesem Punkt treu und schreit nach Hilfe vom Bund, anstatt ihre eigenen Ziele erreichen zu wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und in Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie, werte Kollegen von Rot-Grün, selbst versprochen, dass bis 2018 flächendeckend 50 Mbit/s verfügbar sein sollen. Manchmal frage ich mich, ob Sie selber noch daran glauben, was Sie da erzählen. Denn beim jetzigen Ausbautempo hätten wir diesen Ausbaustand in NRW erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erreicht.

(Beifall von der CDU)

Um es an Zahlen festzumachen: Während in Bayern bis 2017 rund 2 Milliarden € in den Ausbau der Breitbandinfrastruktur gesteckt werden, investiert Nordrhein-Westfalen gerade einmal 9 Millionen € jährlich. Das ist für ein Industrieland beschämend. Aber auch bei diesem Punkt sehe ich bei Ihnen von Scham keine Spur.

Lassen Sie mich zum Thema „Datenschutz“ kommen. Da bin ich grundsätzlich bei Ihnen. Damit die digitale Gesellschaft Realität werden kann und auch weitgehend akzeptiert wird, brauchen wir adäquate Datenschutzkonzepte. Ich halte nichts von den Utopisten, die völlig auf jeden Datenschutz verzichten wollen. Solange die Menschen so sind, wie sie sind, solange wird die Digitale Agenda ohne Datenschutz nicht akzeptiert werden.

Ich kann Ihnen allerdings in Ihrer Bewertung von unkontrollierten staatlichen Behörden nicht folgen. Denn angesichts der schweren Bedrohung, der sich unser Staat und unsere Gesellschaft ausgesetzt sehen, benötigen wir geheimdienstliche Erkenntnisse. Die Geheimdienste können auch nur dann effektiv arbeiten, wenn sie auch im Internet Zugriff auf unsere Daten haben. Denn wir alle akzeptieren es im Gegensatz dazu, dass Hausdurchsuchungen mit einem Durchsuchungsbefehl in Ordnung sind, wo in jeden Schrank, in jede Schublade geschaut wird. Warum wir dann das Internet außen vor lassen sollen, verstehen wahrscheinlich auch nur Sie alleine.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den PIRATEN)

Um es auch hier sehr deutlich zu sagen: Ich will keineswegs die Exzesse einzelner Geheimdienste gutheißen. Aber ich plädiere für eine ausgewogene Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Sommer von den Piraten zulassen?

Ich glaube, sie kommen zum Schluss eh noch einmal. Dann würde ich darauf zurückgreifen. Eine Zwischenfrage jetzt nicht, aber Kurzintervention ja.

Okay. Ich komme darauf zurück.

Angesichts ständig wechselnder Bedrohungsszenarien wird man auch nicht umhinkommen, diese Balance ständig neu auszutarieren.

Um diese Balance zu gewährleisten, sieht die Digitale Agenda beispielsweise die Stärkung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor.

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Nachdem Sie es ver- schleppt haben, Herr Kollege!)

Hier soll eine neue Oberste Bundesbehörde für den Datenschutz geschaffen werden. Ich persönlich empfinde dies als deutliche Stärkung des Thema „Datenschutzes“ auf Bundesebene.

Wir sind uns auch einig, dass die IT-Sicherheit gestärkt werden muss. Der Bundesinnenminister hat den Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vorgestellt. Auch hier ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg.

Die Digitale Agenda, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann und soll gar nicht die Digitalisierung Deutschlands nach sozialistischem Muster bis ins kleinste Detail regeln. Sie soll ein Zeichen in die Gesellschaft geben, und sie soll einen Rahmen setzen und mögliche Ziele aufzeigen, damit Deutschland auch weiterhin eines der wirtschaftlich und gesellschaftlich führenden Länder dieser Welt bleibt.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der Piratenfraktion! Lassen Sie uns gemeinsam die Digitale Agenda der Bundesregierung mit Leben füllen. Bringen Sie sich konstruktiv mit ein und zeigen Sie kreative Konzepte auf, die Deutschland und vor allen Dingen Nordrhein-Westfalen nach vorne bringen!

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte bleiben Sie vorne. Zwischenzeitlich hatte sich in den letzten Sekunden auch noch mutmaßlich Herr Bolte, der auf dem Platz von Herrn Engstfeld sitzt, mit der Bitte an uns gewandt, ob er Ihnen eine Frage stellen könnte.

(Arne Moritz [CDU]: Bitte schön!)

Dann kommt anschließend die Kurzintervention der Piratenfraktion. – Dann ist jetzt erst, zu einer Frage aber bitte, Herr Kollege Bolte dran.

Herzlichen Dank, Herr Präsident, Herr Kollege, dass Sie die Frage jetzt noch zulassen. Ich musste mir einmal die Tabelle raussuchen. Deshalb hat es ein wenig gedauert, bis ich mich eingedrückt habe.

Ist Ihnen bekannt, dass nach einer kürzlich veröffentlichten TÜV-Rheinland-Studie die Breitbandversorgung mit 50 Mbit/s in Nordrhein-Westfalen derzeit bei 70,5 % liegt, während sie in BadenWürttemberg bei 68 % und in Bayern bei 53 % liegt?

Die Statistik ist richtig. Das ändert aber nichts daran, dass Sie 9 Millionen € jährlich investieren, dass die Bayern bis 2017 2 Milliarden € investieren und dass Sie mit den 9 Millionen €...

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Sie müssen sich mit den Programmen auseinandersetzen!)

Dass die Zahlen Ihnen wehtun und dass Sie jetzt laut werden, ist verständlich. Aber mit 9 Millionen € jährlich werden Sie Ihr Ziel bis 2018 nicht erreichen, ganz einfach.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank. Das war die nachgereichte Zwischenfrage und die Antwort von Herrn Kollegen Moritz. – Jetzt erhält der Kollege Sommer für 90 Sekunden das Wort zu seiner Kurzintervention.

Vielen Dank, Herr Präsident! Lieber Kollege! Ein paar Sachen, die ich gerade von Ihnen gehört habe, waren gar nicht so schlimm. Aber Sie haben eine Analogie aufgemacht, die mir in der politischen Diskussion immer wieder quer runtergeht, nämlich die Analogie zwischen einer physischen Hausdurchsuchung und einer Onlinedurchsuchung.

Wenn Sie Daten von irgendjemandem haben wollen, dann können Sie die jetzt schon über eine ganz normale Hausdurchsuchung bekommen – eine Hausdurchsuchung, bei der ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt werden muss, von einem Richter unterschrieben, wo der Beschuldigte oder sein Vertreter möglichst dabei sein sollten – wohingegen die Onlinedurchsuchung, die Sie gerade ansprachen, wobei Sie das Analogon aufmachten, eben ohne einen entsprechenden Vertreter und ohne die Anwesenheit des Besitzers der Daten durchgeführt wird, und zwar heimlich. Das widerspricht ganz klar unseren staatsrechtlichen Prinzipien, technisch möglich hin oder her.

Wenn Sie einfach nur an Daten von irgendwelchen Festplatten kommen wollen und das staatsrechtlich richtig und offen machen möchten, dann machen Sie doch eine jetzt schon mögliche Hausdurchsu

chung und beschlagnahmen die Datenträger. – Danke.