Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

Vielen Dank, Herr Wedel. – Nun tritt an das Pult für die grüne Fraktion Frau Hanses.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Wedel, es ist immer wieder eine Herausforderung, und manchmal bekomme ich das nicht übereinander: Sie sind Vorsitzender der Vollzugskommission, und hin und wieder besuchen wir gemeinsam eine Arrestanstalt und sprechen darüber, wie Jugendliche den Arrest antreten und dass es manchmal sinnvoll ist, diesen in den Ferien zu beginnen, dass es manchmal sinnvoll ist, zu warten, dass manchmal Sozialstunden, die noch nachgeholt werden, nicht zum Antritt des Arrests führen. Das alles haben wir ausführlich im Ausschuss besprochen.

(Sven Wolf [SPD]: Ganz genau!)

Eigentlich müsste Ihnen das klar sein. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie das hier noch einmal ansprechen.

(Beifall von den GRÜNEN – Sven Wolf [SPD]: Zum Haushalt hat er ja auch nicht ge- redet!)

Zum Haushalt nicht wirklich.

Mit diesem Einzelplan 04 setzen wir das fort, was in den letzten Jahren an Weichenstellungen für eine leistungsfähige bürgernahe Justiz und einen humanen, resozialisierenden Strafvollzug gemacht wurde. In diesem Einzelplan stehen 3,84 Milliarden €, davon sind 1,14 Milliarden € Einnahmen, die beachtlich gestiegen sind; dies zwar nicht in der Summe, aber allein durch das 2. Kostenmodernisierungsgesetz – das wurde schon angesprochen – haben sich die Einnahmen deutlich verbessert. Das führt eben dazu, dass allen Bürgerinnen und Bürgern trotzdem gleicher Zugang zum Recht gewährt wird.

Ein Schwerpunkt dieses Haushaltes ist sicherlich der richterliche Dienst angesichts der dauerhaften Belastung von Strafkammern. Auch da, Herr Wedel, ist es nicht so, dass die Landesregierung oder die regierungsstützenden Fraktionen Belastungen ignoriert hätten, sondern es ist ein Unterschied, wenn man sagt, es gebe eine Belastung im richterlichen Dienst, auch bei den Amtsanwälten, auch bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern, und es funktioniert trotzdem noch sehr gut.

Unsere Justiz ist trotz starker Belastung leistungsfähig. Deshalb muss man im Haushalt auch an kleinen Stellen nachsteuern, etwa beim richterlichen Dienst mit zwölf neuen Planstellen, was bereits an

gesprochen wurde. Das gilt auch bei der Sozialgerichtsbarkeit mit acht Planstellen, weil gerade da Bürgerinnen und Bürger besonders betroffen sind und schnell eine kurze Verfahrensdauer brauchen, da sie lange Verfahrensdauern schlecht ertragen können. Amtsanwältinnen und Amtsanwälte sind sicherlich die Berufsgruppe, die mit am stärksten belastet ist, sodass dort eine Entlastung von weiteren 30 Stellen dringend notwendig war.

Ich möchte noch einmal auf die CDU und den Kollegen Kamieth eingehen. Ich bin mir nicht sicher, wie er gleich zum Haushalt stimmen wird, weil das doch eher ein Lob für die Landesregierung war.

In dem von Ihnen angesprochenen Bereich der Betreuungen sind wir mit dem Aktionsplan des Justizministeriums zur Betreuungsvermeidung auf dem richtigen Weg. Es ist unser aller Ziel, Berufsbetreuungen zu vermeiden und ehrenamtliche Betreuung zu stärken, und zwar nicht allein aus fiskalischen Gründen, sondern um Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wir wollen auch dafür werben, dass Menschen sich rechtzeitig um ihre Vorsorgevollmacht kümmern; denn dann können sie so leben, wie sie es möchten, weil ihr Wille klar ist.

Das Programm zur Modernisierung von Strafvollzugsgebäuden war dringend nötig. Dabei handelt es sich um einen mutigen Schritt zu Investitionen. Bei den aktuell noch 37 Strafvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen besteht dringender Modernisierungsbedarf. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass dieser mutige Schritt gegangen wird.

Dass die CDU sich hier für Haftvermeidung und Haftverkürzung ausspricht, um Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren, ist neu. Das ist eine positive Entwicklung in der CDU. Darauf können wir gerne aufbauen. Damit das gelingt, kommt es aber gerade bei der Ableistung gemeinnütziger Arbeit darauf an, dass für die Menschen ein strukturierter Tagesablauf gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang gibt es viele Rahmenbedingungen, die funktionieren müssen. Darüber haben wir allerdings schon öfter gesprochen. Das ist auch kein Schwerpunkt des Haushalts. Da können wir aber gerne weitermachen. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Hanses. – Jetzt spricht für die Piratenfraktion Herr Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Justizpolitik ist im Haushalt insofern ein ganz wichtiges Thema, als dass die Rechtsstaatsgarantie

hier im Lande durch unseren Herrn Justizminister repräsentiert wird.

Im Einzelplan 04, über den wir hier debattieren, erkennt man grundsätzlich erst einmal den Willen, gerade der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatsgarantie etwas mehr nachzukommen, als es vielen Berichten in den Medien zu entnehmen ist, nach denen der Bürger den Eindruck gewinnen muss, dass er mit dem Rechtsstaat im Moment möglicherweise etwas hadern sollte. Das drückt sich insbesondere im Vorwort des Erläuterungsbands zum Einzelplan 04 aus. Die allermeisten der zehn Absätze befassen sich ausschließlich mit der Personalsituation an unseren Gerichten.

Das drückt sich im Übrigen auch in dem zaghaften Versuch aus, einen Stellenaufwuchs bei allen Gerichten hinzubekommen. Dass dieser Versuch so zaghaft ist, folgt letztendlich mehr dem Spardiktat des Finanzministeriums als dem Anspruch, den ich Herrn Minister Kutschaty unterstelle, nämlich hier tatsächlich mehr tun zu wollen, als er tun kann bzw. tun darf.

Der Aufwuchs von 50 Planstellen bei Richtern und Amtsanwälten, von denen 30 Planstellen für Amtsanwälte angesetzt sind, reicht bei Weitem nicht aus. Der Deutsche Richterbund spricht alleine für die nordrhein-westfälischen Amtsgerichte bezogen auf die Richterschaft von 460 fehlenden Richterinnen und Richtern. Noch überstiegen wird das durch den Bedarf an Richterinnen und Richtern bei den Landgerichten.

Sehr vorsichtig geschätzt, könnten wir mit 700 bis 800 zusätzlichen Richterstellen in Nordrhein-Westfalen erst wieder auf den Stand kommen, den wir bräuchten, um sagen zu können, dass die Rechtsstaatgarantie in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen werden kann. Davon sind wir mit dem Haushaltsentwurf zum Einzelplan 04 zurzeit weit entfernt.

Da hilft es auch nicht, bei 41 kw-Stellen die kw-Vermerke zu streichen; denn diese Richterinnen und Richter sind bereits im System. Sie sollen mit dem Streichen der kw-Vermerke nur weiter im System belassen werden. Das genügt ebenfalls nicht, um die Defizite auszugleichen.

Ich würde empfehlen – das wäre zumindest der Wunsch der Piratenfraktion –, dass sich der Justizminister in den nächsten 14 Tagen noch einmal mit dem Finanzminister zusammensetzt und hier nachbessert; denn in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik insgesamt benötigen wir gerade eine solide personelle Ausstattung der Gerichte, um dem Rechtsgarantieanspruch, den der Bürger hat, einen Ausdruck zu verleihen, wie er seinem verfassungsmäßigen Rang gebührt.

Positiv zu vermerken ist darüber hinaus, dass im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung meines Wissens 545 Millionen € für die Einführung der elektronischen Akte und dergleichen mehr ange

setzt sind. Alles das wird, wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Kamp, jetzt Präsident des Oberlandesgerichts Köln, wohl federführend mit betreuen. Bei ihm ist das in guten Händen, glaube ich. Dieses Geld wird auch ausgegeben werden müssen, und zwar schnellstmöglich, damit 2018 auch Entsprechendes umgesetzt werden kann.

Zusätzliche Aufgaben sind im Haushalt allerdings noch nicht abgebildet. Das sind einmal die Ausgaben, die im Zusammenhang mit dem heute ebenfalls zur Beratung anstehenden Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften durch die Wiedereinführung von Widerspruchsverfahren in sehr vielen Bereichen noch auf die Gerichte zukommen werden. Da werden auch die acht Planstellen für Richter am Sozialgericht wahrscheinlich nicht ausreichen.

Darüber hinaus sind Kosten nicht abgebildet, die mit den Änderungen im Bereich des Strafvollzugs und des Jugendstrafvollzugs im Zusammenhang stehen. Auch da erkenne ich zumindest im vorliegenden Haushaltsplan keine entsprechende Berücksichtigung.

Wir gehen davon aus – unabhängig von den gegebenenfalls von uns noch zur dritten Lesung einzubringenden Änderungsanträgen –, dass das Justizministerium hier vielleicht doch noch einmal nachbessert.

Bis dahin – und mit der Chance, das vielleicht doch noch einmal nachzubessern – wird sich die Piratenfraktion hier bei der Abstimmung enthalten. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Schulz. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen hat eine starke und sehr leistungsfähige Justiz. Lassen Sie mich das anhand von einigen Zahlen einmal belegen.

Im letzten Jahr erledigten unsere Staatsanwaltschaften rund 1 Million Ermittlungsverfahren, und das mit einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von anderthalb Monaten.

Wir haben schnelle und effizient arbeitende Gerichte. Die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen in unserem Lande schätzen die Leistungsfähigkeit der Gerichte in Betreuungssachen, in Grundbuchangelegenheiten, in Nachlass- und Registersachen sowie im Bereich der Zwangsvollstreckungen.

Wir haben ausgezeichnet funktionierende Aus- und Fortbildungseinrichtungen in unserem Lande, in denen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet, geschult und stets auf dem aktuellen Stand gehalten werden.

Und wir haben einen Justizvollzug in diesem Land, der sich die Resozialisierung zur Aufgabe gemacht hat und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit in unserem Lande leistet.

Ich möchte an dieser Stelle allen 40.000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz ausdrücklich danken. In diesen Dank beziehe ich auch die vielen ehrenamtlich Tätigen in der Justiz mit ein. In der Woche, in der der Tag des Ehrenamtes stattfindet, sollte man erwähnen, dass Justiz auch unterstützt wird durch ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Schöffinnen und Schöffen, Betreuer und Schiedsleute.

(Beifall von der SPD)

Der vorliegende Haushaltsentwurf sichert die Leistungsfähigkeit und die Arbeitsfähigkeit der Justiz in unserem Land, meine Damen und Herren. Aber da, wo sich Entwicklungen zeigen, steuern wir auch nach.

Die Belastungssituation ist in vielen Bereichen der Justiz nach wie vor hoch, wenngleich wir auch nicht verschweigen sollten, dass es seit Erhebung der Personalbedarfsberechnungen im Jahr 2005 noch nie so günstige Belastungszahlen wie in diesem Jahr gegeben hat. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass wir in einigen Bereichen nachsteuern müssen.

Bei der Kriminalitätsentwicklung macht mir bei insgesamt sinkenden Kriminalitätszahlen ein Bereich aber doch Sorgen – auf den müssen wir verstärkt unser Augenmerk richten –, und das ist die Wirtschaftskriminalität. Sie macht zwar nur 2 % der Delikte in Deutschland aus, aber immerhin 50 % des Schadens aller Delikte. Dabei geht es darum, ehrliche Unternehmen in unserem Land zu schützen, die Opfer von Wirtschaftskriminalität werden. Letztendlich wird durch Steuerbetrug jeder von uns und wird der Staat insgesamt Opfer von Straftaten.

Deswegen schaffen wir, um gerade auch hier noch effektiver werden zu können, zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität 32 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte. Ich glaube, es ist gut investiertes Geld, dort weiter ausbauend tätig zu sein.

Wir schaffen acht weitere neue Stellen in der Sozialgerichtsbarkeit, weil das der Bereich ist, in dem die Bürgerinnen und Bürger, die klagen, in ihrer Existenz elementar betroffen sind, weil es um Renten- oder Krankenversicherungsansprüche geht.

Und wir arbeiten, lieber Herr Kamieth, auch im Bereich des Betreuungsrechts sehr intensiv. Es ist gerade schon angesprochen worden, dass die Landesregierung den Aktionsplan Betreuungsrecht auf

gelegt hat, den wir in der letzten Rechtsausschusssitzung ausführlich diskutiert haben. Aber nicht erst seit diesem Aktionsplan arbeiten wir daran, möglichst hohe Betreuungszahlen zu vermeiden. Aktionstage an den Amtsgerichten sind ein Beispiel dafür, wie wir für Alternativen zur Betreuung werben.

Wir sind positiver Dinge, dass wir den Anstieg der Betreuungszahlen in den Griff bekommen. Während es 2012 noch 308.000 Verfahren gewesen sind, lässt sich hier eine Trendwende erkennen. Wir sind auf gutem Wege, um jetzt unter die 300.000erGrenze zu rutschen. Das zeigt, unsere Maßnahmen wirken auch in diesem Bereich.

Insgesamt haben wir 111 Stellen dauerhaft erhalten oder zusätzlich neu geschaffen. Das ist in Zeiten einer angespannten Haushaltssituation für die Justiz ein sehr gutes Ergebnis, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich abschließend noch zum wichtigen Bereich des Strafvollzuges kommen. Wir beraten ja seit einigen Monaten das neue Strafvollzugsgesetz, das wir in den nächsten Monaten verabschieden werden. Dieses setzt sicherlich Maßstäbe für die inhaltliche Arbeit, für die qualitative Arbeit im Justizvollzug in Deutschland. Wir haben in den vier Jahren seit Regierungsübernahme über 300 neue Stellen für den Strafvollzug geschaffen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diese neue Situation bestens vorzubereiten.

Aber auch vernünftige bauliche Voraussetzungen gehören dazu. Eine Großzahl unserer Haftanstalten befindet sich leider nicht in einem optimalen baulichen Zustand. Es gab über viele Jahrzehnte einen Instandhaltungsrückstau. Die älteste Anstalt ist aus dem Jahre 1853, aber viel mehr Sorgen machen mir die Bauten aus den 60er- und 70er-Jahren, die in der Bauqualität manchmal deutlich schlechter sind als die Anstalten aus der Kaiserzeit.

Deswegen haben wir das wohl größte Modernisierungsprogramm im Strafvollzug aufgelegt, das das Land Nordrhein-Westfalen je erlebt hat. Wir wollen Haftanstalten in Köln, Iserlohn, Münster und Willich neu errichten und im Gegenzug natürlich Altanstalten schließen. Darüber hinaus wollen wir wirtschaftlich unrentable kleinere Zweiganstalten vom Netz nehmen. Das ist wohl der richtige Weg, um inhaltlich und auch mit optimalen baulichen Voraussetzungen nicht nur einen verfassungskonformen Strafvollzug, sondern auch einen resozialisierenden Strafvollzug gewährleisten zu können.