Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

terstützung. Da müssen wir nicht als Land irgendetwas frickeln, sondern wir unterstützen die Bundesregierung bei diesen Vorhaben, Gründerinnen und Gründer von Bürokratie zu entlasten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, apropos Schutz geistigen Eigentum, weil Sie so schön gesagt haben, Sie seien nicht der Buchhalter.

(Armin Laschet [CDU]: Was habe ich ge- sagt?)

Vorhin haben Sie gesagt, Sie seien nicht der Buchhalter oder die Regierungschefin sollte nicht die Buchhalterin sein oder so ähnlich. Das Zitat kenne ich. Es ist von Gerhard Schröder: Anfang der Neunziger, Landesparteitag der SPD in Niedersachsen. Der hat das damals erfunden.

(Beifall von der SPD)

Er hat gesagt: Ich bin hier nicht der Buchhalter der Partei. Ich muss mich um große Fragen kümmern. – Das hat er bei einem Wutausbruch gesagt, weil ihm ein Juso in einer Rechenschaftsdebatte auf dem Landesparteitag doofe Fragen gestellt hatte. Da ist das entstanden. Nur damit Sie das klar vor Augen haben!

Herr Laschet, wir sind es gewesen, und zwar schon vor einiger Zeit und nicht erst in der Wirtschaftskrise 2008/2009, aber danach natürlich noch einmal sehr viel intensiver, die gesagt haben: Es muss wieder zu einem Kernbestandteil von moderner Wirtschaftspolitik gehören, Industriepolitik zu betreiben. – Wir sind es gewesen, die das auf die Tagesordnung gesetzt haben. Mit zeitlicher Verzögerung kam Herr Laschet und rief: Ganz wichtiges Thema! Ich auch, ich auch, ich auch!

(Beifall von der SPD)

Dann haben wir gesagt: So, wie Schwarz-Gelb in Berlin die Energiewende macht, kann es nicht weitergehen. Das Thema „Energiewende“ muss ein zentrales Thema in der Politik sein. Da ist Frau Ministerpräsidentin nach Berlin gegangen und hat gesagt: In der neuen großen Koalition wird nichts verhandelt ohne mich, ohne NRW. – Daraufhin hat Herr Laschet gesagt: Ich auch, ich auch, ich auch! Super Thema!

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Das Gleiche passiert jetzt wieder. Wir haben bei dem Thema „Digitalisierung“ den Stein ins Rollen gebracht.

(Armin Laschet [CDU]: Oh je!)

Wir arbeiten nicht erst seit dieser Regierungserklärung, sondern kontinuierlich an diesen Themen. Viele Instrumente sind dargestellt worden. Jetzt sagt Herr Laschet: Ich auch, ich auch, ich auch! Das ist ein ganz wichtiges Thema!

(Armin Laschet [CDU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Sie kennen doch das mit dem Hasen und dem Igel und erleben es überall: Da, wo Sie hinkommen, sind wir schon gewesen. Da, wo Sie hinkommen, wird man Ihnen immer wieder sagen, dass …

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei Ihnen hat man ja manchmal den Eindruck, Sie sind nicht in der Cloud, sondern im Wolkenkuckucksheim. Das ist nicht das Gleiche, sehr geehrter Herr Laschet.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Ministerpräsidentin hat heute über diese manchmal sehr technischen Fragen hinaus in Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung, der gesellschaftlichen Teilhabe und der Demokratie unseres Landes klare Bekenntnisse abgegeben. Es wurden Themen angesprochen wie Störerhaftung, Netzneutralität. Ich kenne keine andere Landesregierung, die das in einer solchen Klarheit zum Ausdruck gebracht hat wie die Ministerpräsidentin hier heute Morgen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Seitens der Opposition ist vorgetragen worden, das sei zu detailliert gewesen. Dazu kann ich nur sagen: Nur wer sich in den Details wirklich auskennt, kann auch die großen Linien in diesem Land mitbestimmen. Das hat die Ministerpräsidentin unter Beweis gestellt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Wüst das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nach der Rede von Herrn Römer hatte ich schon befürchtet, wir würden alle in einem verspäteten Mittagsschlaf versuppen. Aber die lebhafte Rede des Ministers gibt Anlass zur Hoffnung, dass wir in der letzten Phase dieser Debatte doch noch in einen spannenden Diskurs eintreten.

Für einen Minister, der mittlerweile bekannt dafür ist, dass er wenig zu regeln, wenig zu sagen hat und sich gegen die grünen Minister kaum durchsetzen kann, haben Sie gerade ganz schön die Backen aufgeblasen, Herr Duin. Das war ganz schön mutig.

(Beifall von der CDU)

Ich fände es toll, wenn Sie mit all den Behauptungen, wie schön alles in Nordrhein-Westfalen sei, auch noch recht hätten.

Sie kommen jetzt mit dem Standardkostenmodell – das hat übrigens mal eine Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, eine gewisse Frau Müller, eingeführt, die schon seit Langem nicht mehr da ist; es ist also schon ein wenig her – um die Kurve, nachdem Sie das Tariftreue- und Vergabegesetz, das Klimaschutzgesetz eingeführt haben. Nichtraucherschutz, Ladenöffnung, LEP, all die ganzen Schweinereien haben Sie gemacht, und jetzt kommen Sie mit der Erfassung mit Blick auf die Zukunft. Ich weiß nicht, wem Sie das als Leistung verkaufen wollen. Hier kommen Sie damit jedenfalls nicht durch.

(Beifall von der CDU)

Ihre Regierung bedroht Handwerk und Mittelstand mit Ausbildungsplatzumlage. Ihre Regierung fordert ein Unternehmensstrafrecht. Das ist die graue Realität der Wirtschaftspolitik in diesem Lande und nicht die schönen Überschriften, die Sie bei IHKNeujahrsempfängen den Leuten erzählen.

(Beifall von der CDU)

Für die Industriepolitik gilt das Gleiche. Es ist wahrscheinlich ein großer Regiefehler gewesen, dass Sie erst nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind, als der Koalitionsvertrag schon fertig war. Sonst hätten Sie das bestimmt alles ganz anders gemacht. Auch hier ist ja die Realität, dass die Industriepolitik vor allem dadurch bedroht wird, dass im Landesentwicklungsplan kein Raum mehr dafür ist und dass Sie einen Klimaschutzplan verhandeln, von dem zwar heute noch niemand etwas weiß, aber jeder ahnt: Gut wird das nicht, was dabei herauskommt. – Das ist die Realität in der Industriepolitik.

Zur Energiepolitik – daran erinnere ich mich noch sehr genau – haben Sie hier gesagt: Wir legen bis März einen Masterplan vor. – Ich habe wohl vergessen, welches Jahr. Das muss noch kommen. Der Masterplan liegt nämlich noch nicht vor. Also: mal langsam, mal langsam, mal langsam!

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Jetzt sagen Sie, die Digitalisierung hätten Sie auch erfunden – das ist interessant – und auch für Netzneutralität seien Sie schon immer gewesen. Die Debatte hat sich auch da längst gedreht. Man muss den Piraten zugutehalten, dass sie viele dieser Themen gesetzt haben. Ich will das ausdrücklich tun, ohne jede Ironie. Auch bei der Netzneutralität waren die Piraten vorne. Inzwischen gibt es aber selbst bei den Piraten – jetzt kommt eine Spekulation – bestimmt den einen oder anderen, der das infrage stellt oder jedenfalls differenzierter diskutiert. Ich bin nicht sicher, ob wir mit Netzneutralität „Industrie 4.0“ wirklich hinbekommen.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Genau, Frau Kraft sagt gerade: Was versteht man darunter? – Die orthodoxe Variante „Netzneutralität“ und „Wir haben es erfunden“ wird mit „Industrie 4.0“

nicht vereinbar sein, wird mit eHealth nicht vereinbar sein. Armin Laschet hat es beschrieben. Da kommt es darauf an, dass die Daten ruckzuck da sind, ohne Zeitverzug. Bei unseren E-Mails ist das nicht ganz so wichtig. Deswegen wird es, wenn man es schematisch darstellt, in der Frage des Internets Kanäle oder Ähnliches geben müssen. Die Landesmedienanstalt hat letzten Freitag beschlossen, dass das für bestimmte Telemedien laufen soll. Herr Staatssekretär Eumann könnte die Debatte sicherlich um den Punkt bereichern. Es geht also schon jetzt los, zu definieren, für wen ein Vorrang gelten soll.

(Zuruf)

Herr Eumann kann leider hier nicht reden, weil er Staatssekretär ist, aber ich weiß, dass er es weiß.

Die Debatte ist also längst eröffnet: Wer erhält Vorfahrt? Wer erhält Vorrang in der Netzneutralitätsdebatte? Also sagen Sie bloß nicht, Sie hätten es erfunden. Ich bin nicht sicher, ob Sie wirklich in der aktuellen Debatte drin sind.

Ich möchte Ihnen noch eines zu der DZ-Studie sagen, die ja beschreibt und immer wieder dafür angeführt wird, wenn es heißt, dass der Mittelstand noch nicht so genau weiß, wie ihn Digitalisierung trifft. Da geht es ein Stück weit auch um Begriffe.

Wenn Sie von vernetzter Automatisierung reden, dann werden wahrscheinlich ganz andere Zahlen herauskommen. Dann werden die sagen: Das machen wir längst, wir sind da voll drauf. Wenn Sie mit denen über „Industrie 4.0“ sprechen, meinen die vielleicht gar nicht das Gleiche.

Bei einem jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher: Der Mittelstand wird nicht warten, bis die Politik hier in die Hufe kommt und ihnen erklärt, wie das Geschäft funktioniert. Das glaube ich ganz sicher nicht. Nach den beiden Reden der Regierung heute bin ich in dieser Annahme noch bestärkt.

Ich will aber gar nicht motzen, Frau Ministerpräsidentin, wie Sie das von mir gewohnt sind, sondern Sie wirklich ernsthaft loben.

(Lachen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Da müssen Sie selber lachen. Es gibt nichts Höheres, um ein Thema in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung zu setzen, als eine Regierungserklärung. Deswegen finde ich es gut, dass Sie es – bei allen inhaltlichen Schwächen, über die jetzt schon ausführlich gesprochen wurde – gemacht haben. Man könnte auch sagen: Nach der digitalen Agenda der Bundesregierung wurde es auch langsam Zeit. Alles geschenkt! Es ist aber gut, dass wir das in dieser Bedeutsamkeit und Ausführlichkeit heute hier miteinander besprechen. Selbst der Letzte hat heute gemerkt, dass „Industrie 4.0“ für ein altes Industrieland bedeutsam ist.

Der „Letzte“ ist Herr Römer, der uns aus Wikipedia die Definition von „Industrie 4.0“ vorgetragen hat. Das hat mich etwas überrascht. Ich finde gut, dass er sich damit auseinandergesetzt hat. Er hätte aber sein Wissensdefizit nicht besser zur Schau stellen können, als mit dieser Definition anzufangen. Aber auch da hat die Debatte offensichtlich dazu geführt, sich damit auseinanderzusetzen.

Wir sind stolz auf die industrielle Stärke unseres Bundeslandes und auf die langen Wertschöpfungsketten. Jedenfalls gilt das für die meisten von uns. Bei den Grünen bin ich da nicht immer so sicher; denn am Anfang der langen Wertschöpfungsketten wird oft viel Energie verbraucht. Insgesamt aber finden wir das alle eigentlich ganz gut.

Wir glauben auch, dass unsere Industrie stark ist und einiges abkann. Es soll aber bitte niemand glauben, dass die enormen Veränderungen, die mit der Digitalisierung und „Industrie 4.0“ beschrieben sind, nicht eine ganz brutale, zerstörerische Kraft auch für einen alten Industriestandort entfalten können. Sie können aber auf der anderen Seite eben auch sehr viele Chancen bringen.