Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

lingshelfer in Deutschland. Da wurden Beispiele von couragierten Menschen aufgezeigt, die Flüchtlingen direkt und aktiv helfen.

Umso trauriger stimmt es mich, wenn ich von der Politik lese und höre, dass die Personen in Verantwortung nicht anpacken und dieselben Fehler immer und immer wieder machen. Beispielsweise gibt Frau Reker, Oberbürgermeisterkandidatin in Köln, zurzeit zur Flüchtlingsunterbringung die Devise aus: „Tempo geht vor Qualität“.

Genau davor haben wir immer wieder gewarnt. Wenn das Land verantwortungslose Politik vormacht, nehmen sich die Kommunen ein Beispiel daran. Es ist ein Trauerspiel, dass fast alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen zurzeit auf Unterbringung in Schulen und Turnhallen zurückgreifen.

Deshalb schlagen wir vor, dass das Land einen Leitfaden für die Unterbringung von Flüchtlingen entwickelt. Das Ziel muss dabei die generelle Unterbringung in Wohnungen und ein Prüfverfahren für die Qualität der verbleibenden Übergangseinrichtungen sein. Das Konzept soll dann von der Landesregierung beworben und an alle Kommunen verteilt werden.

Liebe Abgeordnete, gehen Sie jetzt in Ihre Wahlkreise und Kommunen. Sorgen Sie dort für dezentrale Unterbringungen in Wohnungen. Standards in den Landesaufnahmeeinrichtungen sind wichtig; Standards für die Unterbringung in den Kommunen sind noch viel wichtiger. Denn dort bleiben die Menschen lange und auf Dauer.

Lieber Herr Laschet – er ist gerade nicht da –, lieber Herr Kuper, ich finde es gut, dass Sie im neuen Grundsatzprogramm der West-CDU den Integrationsgedanken hervorheben wollen. Ihre Partei muss diesen Gedanken aber auch leben! Deshalb lassen Sie uns gemeinsam mit Hochdruck am Ausbau eines humanen und nachhaltigen Flüchtlingsaufnahmesystems in ganz Nordrhein-Westfalen arbeiten. Dabei muss die Perspektive der Geflüchteten und der Schutzsuchenden endlich in den Vordergrund gestellt werden.

Das sehe ich in Ihrem Antrag leider nicht. Aber dazu werden wir im Ausschuss weiter sprechen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Herrmann. – Nun hat die Landesregierung das Wort, und es spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kuper, fernab von Ihrem Antrag kann ich sagen, dass wir – mit „wir“ meine ich Sie, mich, die regierungstragenden Fraktionen, die anderen Fraktionen und die

komplette Landesregierung –, wie ich glaube, seit langer Zeit auf einer Linie liegen, was die nordrheinwestfälische Flüchtlingspolitik angeht.

Das haben wir in verschiedenen Debatten manifestiert. Die steigende Zahl der Asylbewerber ist Dauerthema im Innenausschuss und im Ausschuss für Kommunalpolitik. Sie ist häufiges Thema auch hier im Plenum.

Man fragt sich: Was ist der Anlass für diesen Antrag? – Ich sage Ihnen ganz offen: So richtig erkennen kann ich ihn nicht. Denn wir haben gemeinsam hohe Ansprüche an eine humanitäre Unterbringung in Nordrhein-Westfalen. Wir haben sie beim ersten Flüchtlingsgipfel in Essen letztes Jahr manifestiert. Das haben wir mit vielen gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam getan, aber vor allem fraktions- und parteiübergreifend.

Herr Stamp, es bedurfte nicht zwingend Ihrer Aufforderung, aber es ergänzt sich wunderbar: Die Einladung zur Fortsetzung des Flüchtlingsgipfels wird heute unterzeichnet und morgen per Post versandt. Dieser Gipfel findet am 15. April dieses Jahres statt. Wir wollen den Dialog, den wir seinerzeit begonnen haben, mit Ihnen und den anderen Fraktionen und mit allen gesellschaftlichen Gruppen fortsetzen.

(Beifall von der SPD)

Das aus folgendem Grund: Man muss abends nur in der „tagesschau“ oder das „heute journal“ sehen, was in der Welt passiert. Dann weiß man, dass diese dynamische Entwicklung, was Fluchtbewegungen auslöst, bleiben wird, dass immer mehr Menschen den Weg nach Deutschland finden werden, dass immer mehr von ihnen lange bleiben, möglicherweise viele von ihnen für immer. Diese dynamische Entwicklung lässt manchmal eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die wir mittelfristig schließen wollen.

Aber wir haben schon vieles angepackt. Wir haben vor allem die Kommunen bereits entlastet, Herr Kuper, sei es dadurch, dass wir inzwischen rund 10.000 Unterbringungsplätze des Landes geschaffen haben, eine Versechsfachung seit 2012, und damit auch den Unterbringungsdruck in den Kommunen gemildert haben. Wir haben für eine finanzielle Entlastung gesorgt. Herr Körfges hat Ihnen schon in einem Dreisatz dargelegt, wie das Verhältnis zueinander ist.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Die finanzielle Entlastung für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den nordrheinwestfälischen Kommunen kommt überwiegend aus Landesmitteln, Herr Kuper, und nur in ganz kleinen Teilen vonseiten des Bundes. Dass Sie das in Ihrem Antrag nicht lobend erwähnen, das kann ich noch nachvollziehen.

Dass Sie allerdings die Aktivitäten des Bundes über den grünen Klee loben, kann ich nicht nachvollzie

hen, Herr Kuper, weil ich finde, dass man einmal festhalten muss, dass die 54 Millionen €, die die nordrhein-westfälischen Kommunen erstmalig für die Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern vom Bund erhalten haben, doch nicht aus einer Gönnerlaune heraus gezahlt worden sind. Nur nach massivem Druck der Bundesländer und insbesondere Nordrhein-Westfalens hat sich der Bund überhaupt erstmalig bewegt und sich an den Kosten beteiligt.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir schon bei einer Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit sind, dann muss man einfach sagen: Der Zustrom von Menschen nach Deutschland ist eine Herausforderung für uns alle – keine Überforderung, um das deutlich zu sagen, aber eine echte Herausforderung. Diese Herausforderung ist aber leider nicht gleichmäßig auf die drei staatlichen Ebenen Bund, Länder und Kommunen verteilt. Diese Menschen unterzubringen, die morgens kommen und abends ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit haben müssen, das zu finanzieren und zu organisieren ist in Deutschland ausschließlich Aufgabe der Länder und der Kommunen. Herr des Verfahrens, wie lange ein Asylverfahren dauert bis es beschieden ist, bis die Menschen wissen, ob sie bei uns eine Perspektive haben oder man ihnen ehrlicherweise sagen muss, sie müssen zurückkehren, ist ausschließlich der Bund.

Ich weiß aus der Realität sehr genau, Herr Kuper, weil ich diesen Teil des Koalitionsvertrags der Großen Koalition in Berlin mitverhandelt habe, dass wir uns da einig waren, die Asylverfahren auf drei Monate verkürzen zu wollen. Im Durchschnitt sind es in der Realität sechs Monate. Frau Düker hat völlig recht: Es ist falsch, Menschen, denen man ehrlich sagen muss, sie haben keine Chance, dauerhaft hier zu bleiben, sich hier erst sozialisieren und integrieren zu lassen, um dann nach ein oder zwei Jahren ihnen ehrlich zu sagen, dass ihr Asylbegehren abgelehnt wird.

Die 350 Stellen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusätzlich in diesem Jahr erhält, reichen nicht einmal aus, um den prognostizierten Zuwachs im Jahre 2015 zu bearbeiten. 140.000 Asylanträge sind in Deutschland zurzeit unbearbeitet. Die Folgen daraus haben die Flüchtlinge als Allererstes zu tragen, aber was die finanziellen Aspekte und die Unterbringung angeht, haben ausschließlich die Länder und die Kommunen die Folgen zu tragen.

Ich hoffe, Herr Kuper, dass wir uns gemeinsam auf einer Linie finden. Diese Dynamik muss der Bund als dritte staatliche Ebene auch selbst spüren. Nur dann ist der Anreiz da, Anstrengungen zu unternehmen, an diesem Missstand etwas zu ändern. Ein Vorschlag kann sein, dass alles, was länger als drei Monate dauert, vom Bund finanziert wird. Das werden wir auch so formulieren – bei der Minister

präsidentenkonferenz und bei der Innenministerkonferenz. Wir werden den Druck erhöhen. Ich würde mich freuen, Herr Kuper, wenn Sie – bildlich gesprochen – nicht nur hier die Backen aufblasen, sondern auch in Berlin pfeifen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Wir sind am Ende der Aussprache über den gemeinsamen Antrag von CDU und FDP, der Ihnen im Neudruck vorliegt.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/8122 – Neudruck an den Ausschuss für Kommunalpolitik – federführend –, an den Innenausschuss sowie an den Integrationsausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Das halten wir meistens so. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir ihn einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

4 Landesregierung muss für Transparenz und

Verlässlichkeit bei der Erhebung des Unterrichtsausfalls sorgen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8125

In Verbindung mit:

Keine Tricksereien beim Unterrichtsausfall – endlich schulscharfe, IT-basierte Unterrichtsausfallstatistik einführen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8132

Es beschäftigt sich als Erster mit den beiden Anträgen, aber vor allem wahrscheinlich mit dem von der CDU, Herr Kollege Kaiser. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung drückt sich vor der Antwort auf die Frage, wie viel und welcher Unterricht an unseren Schulen wirklich ausfällt.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Diese Mauertaktik hat offensichtlich einen Grund. Die Sprecherin der SPD-Fraktion, Frau Hendricks,

hat das bereits entlarvend gesagt. Ich zitiere aus der Presse: Sie können sich sehr sicher sein, dass wir Ihnen keine Gelegenheit geben werden, Wahlkämpfe mit dem Thema „Unterrichtsausfall“ zu gewinnen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Mit anderen Worten: Wir wollen keinen Unterrichtsausfall erheben, weil uns das politisch nicht in den Kram passt.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erteilter Unterricht und guter Unterricht sind zwei Seiten einer Medaille.

Beide sind die Erfolgsgaranten für ein leistungsstarkes, qualitatives und aufstiegsorientiertes Bildungssystem. Beim Thema Unterrichtsausfall haben Sie, Frau Löhrmann, im Moment keinen guten Lauf. Erst geben Sie ein Gutachten in Auftrag, offensichtlich mit der Idee, dass die Erhebung des Unterrichtsausfalls kaputtzurechnen ist. Dann legen Sie eine Statistik vor – und es wird schlimmer –, die Ihnen keiner glaubt.

Heute wäre ein guter Zeitpunkt für einen Neustart zu diesem Thema. Wir als Opposition machen Ihnen dazu konkrete Vorschläge. Wir wissen auch aus Ihrer umstrittenen Studie, dass besonders Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen durch Unterrichtsausfall benachteiligt sind. Wer also sagt, er möchte kein Kind zurücklassen, der muss dafür sorgen, dass Unterrichtsausfall die absolute Ausnahme bleibt.

(Beifall von der CDU)

Die Eltern haben einen Anspruch darauf zu erfahren, ob Unterricht ausfällt. Ebenso sind für Lehrerinnen und Lehrer und die Schuladministration verlässliche Informationen über den Unterrichtsausfall unerlässlich. Gibt es genug Lehrerinnen und Lehrer an einer Schule? In welchem Fach fällt der Unterricht aus? Gibt es Ursachen für außergewöhnliche Belastungen, die dazu führen, dass Krankenstände überdurchschnittlich hoch sind? Gibt es eine Stellenreserve? Ist das Vertretungsbudget ausreichend? Die Lehrerverbände, die das in diesem Zusammenhang immer wieder anmahnen, haben völlig recht, hier den Finger in die Wunde zu legen.

In der Vergangenheit gab es vielleicht durchaus Probleme, den Unterrichtsausfall exakt zu erfassen. Im Zeitalter von NRW 4.0 gilt das nicht mehr. Wir haben alle gelesen, die Ministerpräsidentin hat die CeBIT besucht. Das war wohl der Versuch, die Blamage ihrer Regierungserklärung beim letzten Plenum auszuwetzen.

(Widerspruch von der SPD)