Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 81. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir in das Protokoll aufnehmen.

Mein Willkommensgruß gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie unseren Gästen auf der Zuschauertribüne.

Auf unserer Zuschauertribüne haben heute auch Ehrengäste Platz genommen, die ich mit besonderer Freude begrüße: Es ist eine Delegation aus Parlament, Regierung und Wissenschaft der Föderativen Republik Brasilien, die auf Einladung des Auswärtigen Amtes Deutschland besucht. Sehr geehrte Damen und Herren, ich heiße Sie im Namen des Landtags Nordrhein-Westfalen sehr herzlich willkommen!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Liebe Ehrengäste aus Brasilien, Ihr Besuch ist Ausdruck freundschaftlicher Beziehungen unserer Länder, die wir mit nordrhein-westfälischer Gastfreundschaft gerne unterstützen.

Das Thema Ihres Besuches in Deutschland ist die „Bioökonomie“, die für das Industrieland Nordrhein-Westfalen eine zunehmend wichtigere Rolle einnimmt. Hierzu sind sowohl Gespräche mit Landtag und Landesregierung vorgesehen als auch Besuche im Forschungszentrum Jülich und in weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen unseres Landes.

Ich wünsche Ihnen einen weiterhin sehr informativen Besuch in Nordrhein-Westfalen, gute und konstruktive Gespräche. Ich hoffe, Sie fühlen sich in unserem Bundesland sehr wohl. Sie sind uns herzlich willkommen! Wir hatten ja gerade schon Gelegenheit, Ihnen die besondere Bedeutung des Grußes „Glück auf!“ zu erklären. Herzlich willkommen und Glück auf in Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dieser erneuten Begrüßung von Ehrengästen treten wir nun in die Beratung der Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Investitionsoffensive des Bundes – wichti

ger Schritt zur Entlastung unserer Städte und Gemeinden

Unterrichtung durch die Landesregierung

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8214

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/8217

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 13. März dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem Thema „Investitionsoffensive des Bundes – wichtiger Schritt zur Entlastung unserer Städte und Gemeinden“ zu unterrichten.

Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch Herrn Minister Ralf Jäger, der nun auch das Wort hat. Bitte schön, Herr Minister.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie heute über eine Entwicklung unterrichten, die am 3. März 2015 in Berlin ihren Anfang genommen hat und die für das Land Nordrhein-Westfalen und seine 396 Kommunen von großer Bedeutung ist.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt haben sich nach vorheriger Abstimmung mit den Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf eine Investitionsinitiative verständigt, die nicht nur die Investitionen des Bundes in die öffentliche Infrastruktur ausbauen, sondern auch die Investitionstätigkeit der Kommunen unterstützen soll.

Meine Damen und Herren, gestern hat das Bundeskabinett den entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Lassen Sie mich zunächst die Auswirkungen dieser Initiative auf die Kommunen skizzieren, ehe ich dann auf die Umsetzung in Nordrhein-Westfalen zu sprechen kommen werde.

Nach den Vorstellungen der Koalition in Berlin wird der Bund noch in diesem Jahr einen sogenannten Kommunalinvestitionsförderungsfonds auflegen.

Dieser Fonds wird mit 3,5 Milliarden € ausgestattet. Diese Mittel werden für die Jahre 2015 bis 2018 finanzschwachen Kommunen zur Förderung von Investitionen zur Verfügung gestellt.

Die Förderzwecke richten sich nach Art. 104b des Grundgesetzes. Gefördert werden sollen Investitionen in Krankenhäuser, in den Lärmschutz an Straßen, in die Informationstechnologie zur Sicherung der Breitbandversorgung, insbesondere im ländlichen Raum, in Einrichtungen der frühkindlichen Infrastruktur, in energetische Sanierung kommunaler Infrastruktur, insbesondere in Schulen und in Wei

terbildungseinrichtungen, sowie in Maßnahmen des Klimaschutzes.

Sie merken schon: Die Förderbereiche entsprechen in etwa denjenigen des Konjunkturpaketes II aus dem Jahr 2009. Aber es gibt Unterschiede im Vergleich zu diesem Konjunkturpaket. Denn förderfähig sollen nur Maßnahmen sein, die nach dem 30. Juni 2015 begonnen werden und die nicht nur zusätzliche Maßnahmen darstellen. Das entspricht der Logik eines Programms zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen, das eben kein allgemeines Konjunkturprogramm ist.

Der Bund beteiligt sich an den Investitionskosten mit einem Anteil von 90 %; beim Konjunkturpaket II waren es 75 %. Nach dem Willen des Bundes sollen nur finanzschwache Kommunen Mittel aus diesem Fonds abrufen können. Die Finanzschwäche einer Kommune als Teilnahmekriterium wird ausdrücklich bundesgesetzlich vorgesehen.

Die Frage ist natürlich die Definition von „Finanzschwäche“. Der Bund gibt keine Definition vor, er überlässt dies zu Recht den Ländern. Diese werden ihrerseits verpflichtet, ihre Definition von „Finanzschwäche“ dem Bund zur Kenntnis zu geben.

Ein nicht ganz unbedeutender Eckpunkt in diesem Gesetzentwurf ist: Die nordrhein-westfälischen

Kommunen sollen 32,16 % dieser rund 3,5 Milliarden € in Anspruch nehmen können. Das ist deutlich mehr als der Anteil, der nach dem Königsteiner Schlüssel üblicherweise nach Nordrhein-Westfalen fließt.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nicht vom Himmel gefallen. Er ist das Ergebnis vielfältiger Bemühungen und insbesondere das Ergebnis der beharrlichen und nachhaltigen Aktivitäten dieser Landesregierung.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben in den vergangenen Monaten weniger durch Talkshows als durch Gespräche und Verhandlungen mit den Verantwortlichen im Bund immer wieder deutlich gemacht, dass nicht nur das Land, sondern auch der Bund für die öffentlichen Kassen in Deutschland verantwortlich ist. Es ist noch nicht lange her, dass wir in diesem Parlament den Bund einmütig aufgefordert haben, sich seiner Verantwortung zu stellen und vor allem bei den kommunalen Soziallasten für Hilfe zu sorgen. Dieser einstimmige Beschluss des Landtags aus der letzten Legislaturperiode ist in Berlin aufmerksam registriert worden.

Ich gehe noch weiter, indem ich sage: Dies war die erste Initiative zur Situation der kommunalen Haushalte in Deutschland, die in Berlin wirklich registriert worden ist, weil sie parteiübergreifend getragen wurde. Seither steht das Thema „Kommunalfinan

zen in Deutschland“ in Berlin permanent auf der Tagesordnung.

Dass seither auf der Bundesebene nicht nur debattiert wird, sondern dass auch einiges geschehen ist, ist dem stetigen Druck zu verdanken, den die Länder insgesamt und das Land Nordrhein-Westfalen im Besonderen entfaltet haben. Ohne den Druck aus NRW gäbe es die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ohne den Druck aus Nordrhein-Westfalen gäbe es den erhöhten kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer ebenso wenig wie die höhere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose.

Ein wenig hat sicher auch diese Landesregierung dazu beigetragen – auch wenn wir damit leben müssen, dass die Bedeutung des Engagements der Landesregierung in diesem Haus unterschiedlich bewertet wird. Beigetragen hat dazu auch das ständige Bemühen der nordrhein-westfälischen kommunalen Spitzenverbände, der Landräte, der vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die mit öffentlichen Aktionen und in ihren jeweiligen Parteien immer und immer wieder um Unterstützung des Bundes geworben haben. Dafür gilt ihnen unser Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit dem gestrigen Beschluss der Bundesregierung beginnt im Bund jetzt das Gesetzgebungsverfahren. Der Deutsche Bundestag muss der Investitionsinitiative ebenso zustimmen wie der Bundesrat. Derzeit lässt sich noch nicht sicher vorhersagen, ob die Initiative der Bundesregierung eine Mehrheit im Bundesrat findet.

Der Verteilungsschlüssel, der sich zu je einem Drittel aus Einwohnerzahl, aus Arbeitslosenzahl und aus dem Stand der Kassenkredite zusammensetzt, wird in einigen Ländern – insbesondere im Süden und im Osten dieser Republik – als „zu NRWfreundlich“ kritisiert. Wir empfinden diesen Verteilungsschlüssel nicht als „zu NRW-freundlich“, aber als „NRW-freundlich“.

Wir empfinden ihn zudem als gerecht, weil mit dieser Investitionsinitiative ein Teil dessen an die nordrhein-westfälischen Kommunen zurückfließt, was sie in den letzten 25 Jahren an Hilfe in anderen Bundesländern geleistet haben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, Minis- terpräsidentin Hannelore Kraft und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Außerdem ist das Paket auch gar nicht ein Hilfspaket nur für finanzschwache Kommunen; das Paket sieht schließlich auch für das Jahr 2017 eine Erhöhung der Umsatzsteueranteile der Kommunen und einen erhöhten Bundesanteil an den Kosten der Un

terkunft vor – Maßnahmen also, die allen Kommunen, unabhängig von ihrer eigenen Finanzkraft, unter die Arme greifen werden.

Aus Sicht der Landesregierung gibt es deshalb keinen vernünftigen Grund, das weitere Gesetzgebungsverfahren im Bundestag oder im Bundesrat zu torpedieren. Es sollte im Gegenteil so schnell wie möglich zum Abschluss gebracht werden. Ich bin relativ optimistisch, dass dies in den kommenden Monaten gelingen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Investitionsinitiative des Bundes wird im weiteren Verfahren auch das Landesparlament beschäftigen. Derzeit sieht alles danach aus, dass, wie schon seinerzeit bei dem Konjunkturpaket II, die Umsetzung innerhalb Nordrhein-Westfalens durch ein eigenes Landesgesetz zu regeln sein wird. Wir haben uns vorgenommen, diese Umsetzung so kommunalfreundlich wie irgend möglich auszugestalten. Das heißt, wir wollen den Kommunen so viel Freiheit wie möglich über die Verwendung der Mittel geben; denn sie wissen am besten, wo bei ihnen der Schuh drückt und wo die Hilfen sinnvoll eingesetzt werden können. Bevormundungen durch das Land wird es nicht geben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber dennoch wird es ganz ohne Bürokratie nicht gehen. Der Bund verlangt Rechenschaft über die Verwendung seiner Mittel. Dies werden wir organisieren müssen. Dies verlangt auch eine möglichst frühzeitige Klärung von Zweifelsfragen. Da steckt oft der Teufel im Detail. Wir wollen uns nicht später mit dem Bund über mögliche Rückforderungsansprüche streiten, sondern ein klares und ordentliches Verfahren in Gang bringen.

Die schwierigste Frage in NRW wird die Auswahl der Kommunen sein, die solche Mittel abrufen können, also letztlich die Definition von „Finanzschwäche“. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs der Finanzschwäche gibt es nicht – weder im Bund noch in den einzelnen Ländern. Das heißt, jedes Land muss seine eigene Definition finden und selbst entscheiden, welche Kommunen finanzschwach sind und welche es nicht sind.