Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

Die Konsequenz wäre: Wollten wir jetzt das Mehr an Beiträgen, das in der Krankenversicherung durch das Schließen dieser Ungerechtigkeitslücke entstanden ist, herausnehmen, müssten Leistungen für sämtliche Versicherten in Deutschland gestrichen werden oder Leistungen wieder zusätzlich selbst finanziert werden.

Ihr Vorschlag bedeutet also, dass ein kleiner Teil von Menschen eine Besserstellung gegenüber den damaligen Beschlüssen haben würde, der größte Teil der Bevölkerung aber eine Schlechterstellung hätte. Das funktioniert gar nicht. Das ginge zulasten der gesamten Versichertengemeinde. Gerade vor dem Hintergrund der Situation, die wir heute bei der gesetzlichen Krankenversicherung haben, geht das nicht.

Wir haben es nämlich damit zu tun, dass die Kassen wieder Defizite machen. Ende des letzten Halbjahres waren es ca. 500 Millionen €. Die Ausgaben der GKV steigen, weil wir mit einer älter werdenden Bevölkerung mehr gesundheitliche Versorgungsbedarfe haben. Die Arzneimittelausgaben sind auf einem Höchststand. Das hat etwas mit unserer älter werdenden Bevölkerung zu tun.

Zusätzliche Maßnahmen, die wir gemeinsam beschließen, um die Gesundheitsstrukturen sicherzustellen, verursachen zusätzliche Kosten. Die GKV ist aber kein Selbstläufer. Vielmehr haben wir große Probleme, wie wir sie mit den ganzen Bedarfen, die wir haben, stabil halten können.

Wir wollen den Menschen die Leistungen, die sie brauchen, nicht wegnehmen. Wir wollen nicht zusätzliche finanzielle Belastungen in der Breite für alle haben. Also ist dieser Vorschlag so nicht akzeptabel.

Trotzdem müssen wir die Diskussion darüber führen, wie wir eine Sicherung erreichen und die Probleme bewältigen können – aber ohne solche Vorschläge, bei denen wir mit Zusatzbeiträgen nur die Arbeitnehmerinnen belasten. Wir müssten eigentlich sogar Diskussionen in die andere Richtung führen: Wie schaffen wir eine finanzielle Entlastung der Arbeitnehmerinnen, also Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung? Das sind Diskussionen, die für viele ganz wichtig sind und dringend notwendig wären.

Doch zurück zu dem, was der Kern Ihres Antrags ist: Wie schaffen wir es, die Menschen hier zu entlasten? Sie wissen, dass die Landesregierung dazu schon tätig geworden ist. Bei der 936. Sitzung des Bundesrates am 25. September 2015 sind wir aktiv geworden und haben zu dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie die Bundesregierung aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zur Entschärfung der Problematik sinkender Zinsen für die Altersversorgung zu ergreifen.

Wir müssen gemeinsam mit der Bundesregierung Wege finden, wie die betriebliche Altersversorgung in der Nullzinsphase oder Niedrigzinsphase, die wir zurzeit haben, trotzdem gesichert bleiben kann. Der Weg, den Sie einschlagen, ist nicht unser Weg. Aber die Diskussionen können wir gemeinsam führen. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Nun hat Herr Alda noch einmal um das Wort gebeten. Das bekommt er selbstverständlich auch. Ich darf Sie jedoch vorsorglich darauf hinweisen, dass Sie jetzt eine sehr sportliche Leistung hinzulegen haben. Sie haben noch 25 Sekunden Redezeit.

Liebe Frau Ministerin! Was ist der richtige Weg? Dafür diskutieren wir hier. Dafür sitzen wir hier zusammen. Sonst könnten wir alle nach Hause gehen.

Liebe Frau Spanier-Oppermann, es ist ein Blick zurück. Das geht auch nicht anders. Die Leute haben vor 25 Jahren eingezahlt. Das mit der Änderung und Abschaffung des Systems lasse ich einmal unter sportlichen Gesichtspunkten laufen.

Kollege Post, Kollege Sommer, Kollegin Maaßen, ja, ihr alle hättet diesen Antrag stellen können. Ihr seid alle angeschrieben worden. Es sind übrigens ein paar Leute auf der Tribüne, die mich und auch euch angeschrieben haben. Ich habe euch in dem Verteiler gesehen.

Ihr hättet diesen Leuten ebenso gut helfen können, um diese Sache anzustoßen. Ihr könnt der FDP nicht vorwerfen, wenn wir Benachteiligten helfen wollen, dass wir das dann auch tun. – Danke.

(Beifall von der FDP - Zurufe von der SPD: Och!)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda, Sie haben die sportliche Leistung in 35 Sekunden geschafft. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache

16/9789 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

8 Gesetz über die Feststellung eines dritten

Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Drittes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/9800 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/9820

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/9893

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/9894

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/9895

zweite und dritte Lesung

In Verbindung mit:

Achtes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/9808

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 16/9821

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache, und für die SPDFraktion hat Frau Kollegin Gebhard das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Erst gestern sind der Dritte Nachtragshaushalt und in Verbindung mit ihm das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz eingebracht wor

den. Bereits heute steht die abschließende Beratung an – ein sicherlich außergewöhnliches Vorgehen.

An den Anfang meines Beitrags möchte ich einen recht herzlichen Dank an die Oppositionsfraktionen stellen, dieses verkürzte Verfahren mitzugehen. Das setzte unser aller Bereitschaft voraus, dieses heute – bereits vor dieser Plenarsitzung – parallel in vier Ausschüssen zu beraten, um es gemeinsam voranzubringen.

Voraussetzung für die Oppositionsfraktionen, sich auf diesen Weg einzulassen, war, dass sich dieser Dritte Nachtragshaushalt ausschließlich darauf konzentriert, die Mittel zur Bewältigung der großen Aufgabe in Verbindung mit der Zuwanderung, mit der großen Zahl von Flüchtlingen, die wir aufzunehmen haben, bereitzustellen. Das heißt, in diesem Parlament gibt es große Einigkeit, dass der Zuzug von bundesweit etwa 800.000 Flüchtlingen, von denen 170.000 nach Nordrhein-Westfalen kommen, uns in eine Situation bringt, die diese außergewöhnliche Maßnahme notwendig macht und uns allen eine große Flexibilität abverlangt.

Es gibt aber Anzeichen, dass es weitaus mehr werden können als die prognostizierten 800.000. Deshalb sieht dieser Nachtragshaushalt insbesondere an zwei Stellen schon Verstärkungsmittel vor, um nicht im Laufe der letzten drei Monate dieses Jahres nochmals in die Situation zu kommen, gegebenenfalls haushaltstechnisch nachbessern zu müssen.

Wir haben in der Tat nur noch drei Monate in diesem Jahr. Umso wichtiger war es – das ist heute Morgen in den Ausschüssen ausführlich geklärt worden –, deutlich zu machen, dass die anstehenden Maßnahmen, für die die Mittel bereitgestellt werden müssen, bereits eingestielt sind. Das heißt, insbesondere die Vorarbeiten zur Besetzung der Stellen in den Bereichen Schule und Polizei sind weit gediehen, und wir sind hoffnungsfroh, dass die Stellen in der Tat kurzfristig besetzt werden können.

Alles in allem stellen wir in 2015 mit diesem Dritten Nachtragshaushalt 1,7 Milliarden € bereit. Das ist sicherlich kein kleiner Beitrag und macht deutlich, mit welcher Ernsthaftigkeit wir uns in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr um diese Aufgabe kümmern und uns der Entwicklung stellen.

Frau Präsidentin hat schon darauf hingewiesen, dass es darüber hinaus heute zu diesem Dritten Nachtragshaushalt einen Änderungsantrag gibt, der bereits gestern im Plenum von unserem Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer angekündigt worden ist. Mit diesem Änderungsantrag wollen wir Vorkehrungen dafür treffen, die Ankündigung der Bundesregierung beim Flüchtlingsgipfel in der letzten Woche auch umzusetzen, nämlich die zusätzliche 1 Milliarde € für 2015 bereitzustellen und die Möglichkeit zu verschaffen, diese eins zu eins an die Kommunen weiterzuleiten.

Es ist gut, und ich freue mich ausdrücklich darüber, dass die Fraktionen von CDU und FDP diesem Antrag von Rot-Grün beigetreten sind und wir das Ganze gemeinsam in die Wege leiten. Aber ich denke, gerade an diesem Punkt bedarf es einiger klarer Worte zu dem Versuch der Legendenbildung seitens der Opposition, insbesondere der CDU.

(Zuruf von der CDU)

Ja, das ist notwendig. – Ich will daran erinnern: Es gab in der Tat eine erste Charge des Bundes in Höhe von 500 Millionen € bundesweit. Das heißt, 108 Millionen € sind für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt worden, wobei – das verschweigen Sie immer – 54 Millionen € – sprich: 50 % – tatsächlich frisches Geld des Bundes ist, während die anderen 54 Millionen € von den Ländern – von uns, von Nordrhein-Westfalen -zurückzuzahlen sind. Es ist also ein Kredit für Nordrhein-Westfalen.

Um das auch noch mal klarzustellen: Diese 54 Millionen € sind direkt an die Kommunen weitergeleitet worden, und von den zweiten 54 Millionen €, die das Land Nordrhein-Westfalen als Kredit erreicht haben, sind 40 Millionen € über das Flüchtlingsaufnahmegesetz ebenfalls direkt an die Kommunen geflossen.

Wir haben damals mit dem Haushalt 2015 weitere 34 Millionen € für Maßnahmen zur Versorgung und Begleitung von Flüchtlingen bereitgestellt. Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil und erkennt, dass wir damit deutlich mehr ausgegeben haben als die 108 Millionen €. – Das ist das eine.

Ich möchte hinzufügen: Daran, dass beim Land nur 14,2 Millionen € für zusätzliche Lehrerstellen verblieben sind, sieht man auch, dass der Restbetrag, der für die Maßnahmen vor Ort eingesetzt worden ist, immer noch über 108 Millionen € beträgt und sehr konkret bei der Arbeit in den Kommunen und den dort Beteiligten hilft.

Die zweite Charge – vor der Sommerpause seitens der Bundesregierung angekündigt und politisch verkündet – haben wir sofort im zweiten Nachtragshaushalt etatisiert.

Das heißt, wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Geld, wenn es denn kommt, sofort vollständig weitergeleitet wird. Bis heute konnten die Mittel leider noch nicht durchgeleitet werden – nicht etwa, weil das Land irgendetwas versäumt hätte, sondern deshalb, weil das Bundeskabinett formal erst im September beschlossen hat und der Bundestag bis heute noch gar nicht hat beschließen können.

Was hat die CDU hier im Land Nordrhein-Westfalen daraus gemacht? – Sie hat, nachdem der politische Beschluss gefasst worden ist, eine erste Kampagne gestartet: Oh, Land, bitte schön sofort an die Kommunen durchleiten, und ja keine klebrigen Finger

haben! – Es gab keine Veranlassung dafür. Wir haben das im zweiten Nachtragshaushalt geregelt.