Protokoll der Sitzung vom 03.12.2015

(Beifall von der CDU)

Als Arbeits- und Sozialminister müssten Sie vor allem Standortminister sein, der für die Entstehung und für die Erhaltung von Arbeitsplätzen eintritt. Das findet nicht statt, und das ist schlecht für dieses Land. Betriebe können ihren Standort verlegen und an anderen Orten Investitionsentscheidungen treffen. Die Beschäftigten haben diese Möglichkeit nicht.

Gerade deshalb ist es Ihre Aufgabe, laut und vernehmlich Ihre Stimme zu erheben. Doch das, was wir hören, ist Schweigen. Sie schweigen, wenn Ihre Parteifreunde und die Umweltministerin in Berlin davon reden, schneller aus der Kohleverstromung auszusteigen, da Ihr Koalitionspartner hier, die Grünen, das unterstützt.

Ist Ihnen klar, was das für die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen bedeutet, und zwar weit über die Mitarbeiter in der Stromerzeugung hinaus?

Gleiches gilt für die von der Regierung geplanten Veränderungen im Naturschutzrecht; wir haben bei dem Debattenpunkt vorhin darüber gesprochen. Waldbauern, Sägewerke und die Holzwirtschaft beschreiben, welche negativen Auswirkungen dieses Gesetz für ihre Betriebe haben würde. Es gibt sogar einen Zusammenschluss – die „Initiative Holz und Arbeit NRW“ –, der sich für Arbeitsplätze in diesem Bereich einsetzt.

Ich frage mich: Wo ist der zuständige Minister Schmeltzer, der seinen Kollegen Remmel an dieser Stelle stoppt und im Interesse der Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen etwas dazu sagt?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich sage auch: Kein arbeitsmarktpolitisches Programm kann später das aufholen, was hier mit falscher Politik kaputt gemacht wird. Wir fordern Sie auf, sich überall dort einzusetzen, wo Arbeitsplätze gefährdet sind oder neue nicht entstehen können.

(Beifall von der CDU)

Ich will auf zwei große Herausforderungen für unser Land in der Arbeitsmarktpolitik eingehen. Das eine

ist die Integration von Flüchtlingen in den Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt. Auch hier gilt, dass die Integration umso leichter wird, je dynamischer der Arbeitsmarkt ist. Wir erwarten, dass Sie mit den Akteuren am Arbeitsmarkt Perspektiven für diejenigen mit Bleibeperspektive entwickeln und dass Sie Ihren Instrumentenkasten dahin gehend überprüfen, ob er auch für diesen Personenkreis geeignet ist oder ob Anpassungen erfolgen müssen.

Ebenso fordere ich Sie auf, in Berlin auf Frau Nahles einzuwirken, damit in dieser Zeit alles unterbleibt, was den deutschen Arbeitsmarkt weniger flexibel macht. Mehr Regulierung bei Zeitarbeit und Werkverträgen ist genau das falsche Signal. Dieser Vorschlag darf so nicht stehen bleiben, gerade im Interesse von Nordrhein-Westfalen und all derjenigen, die in Arbeit kommen wollen.

Die zweite Herausforderung ist die Digitalisierung, also all das, was wir unter „Arbeit 4.0“ verstehen. Dieser Wandel wird Auswirkungen auf die Berufsbilder, die Ausbildung und auch auf Arbeitsplätze haben. Arbeit verändert sich, sie geht aber nicht aus. Der Prozess ist hoch dynamisch. Wir brauchen keine vorauseilende Regulierung, sondern es geht darum, diesen Wandlungsprozess gemeinsam mit den Sozialpartnern zu begleiten.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, der alte Minister hat bei der Einbringung des Haushalts im Ausschuss gesagt – ich zitiere ihn –: Das ist ein Haushalt, mit dem man Handlungsfähigkeit demonstrieren

kann. – Ihnen als neuem Minister sage ich: Sie brauchen nichts zu demonstrieren, uns reicht es völlig aus, wenn Sie handeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und Ulrich Alda [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Bischoff das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rede – Gegenrede, das ist im Prinzip sinnvoll, Herr Kerkhoff. Ich habe jetzt nur relativ wenig Redezeit.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Sie reden doch schon so schnell!)

Ich versuche, stichwortartig auf ein paar Dinge einzugehen –, weil unsere Fraktion das so eingeteilt hat, dass wir zu den drei verschiedenen Punkten jeweils einen anderen Redner haben.

Dass die Arbeitslosigkeit zu hoch ist, brauchen Sie einem Gewerkschafter nicht zu sagen. Das ist in meinen Augen immer so, solange es Arbeitslosigkeit gibt; das ist völlig klar. Aber es gibt die Tendenz, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Das ist in Nordrhein-Westfalen genauso wie im Bundesgebiet.

Das haben Sie jedoch nicht erwähnt. Gerade die letzte Statistik war ausgesprochen erfreulich, was diese Tendenz angeht.

Völlig ignoriert haben Sie auch, dass wir ganz verschiedene Regionen haben. Arbeitslosigkeit in dem Sinne gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht, sondern es gibt regionale Arbeitslosigkeit. In Duisburg ist sie vergleichsweise hoch. Bei Ihnen in Südwestfalen haben wir eine Situation wie in Baden-Württemberg, ebenso im Münsterland. Da müssen Sie in der Analyse schon ganz anders herangehen, als Sie das getan haben.

Die Rahmenbedingungen sind in Nordrhein-Westfalen völlig anders als im Vergleichsland Thüringen. Es ist völliger Unsinn, einen solchen Vergleich zu ziehen. Man muss sich auch die Rahmenbedingungen anschauen. NRW müsste man eher mit dem Saarland vergleichen, mit Hamburg oder mit Berlin, weil das Großräume sind.

Die Folgen der Energiewende als landespolitische Arbeitsmarktproblematik darzustellen, ist natürlich genauso unsinnig. Das ist eine bundesweite Sache, und das ist in anderen Ländern nicht anders. Das haben Sie als Branche herausgegriffen.

Dass Sie dann immer den Minister im Fokus haben und Ihnen die Kontinuität nicht passt, die offensichtlich da ist, auch bei einem Ministerwechsel, führt mich zu der Erkenntnis: Ihnen ist ganz egal, wer Minister ist – Ihnen passt immer nicht, was wir machen. So weit mein Hinweis.

Unsere Arbeitsmarktpolitik ist gut, sie hat Kontinuität; das habe ich gerade in einem Nebensatz angedeutet. Deswegen ist der vorgelegte Haushalt auch im Wesentlichen eine Überrollung. Diese Überrollung sehen wir Sozialdemokraten als richtig an; einzelne Punkte lasse ich jetzt einmal aus.

Ich will abschließend auf eine Situation hinweisen, die bei Ihnen nur am Rande vorkam: Durch die Zuwanderung, durch die Flüchtlinge, die in diesem Jahr gekommen sind, stehen wir vor wesentlichen Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik. Das wirkt sich noch nicht immens auf den Haushalt aus, aber es ist ganz wichtig, dass wir folgende Schritte bedenken:

Wir brauchen Integration Points. Die werden gerade flächendeckend in Nordrhein-Westfalen eingerichtet; bei mir in Duisburg sogar noch vor Weihnachten. Die müssen finanziert werden.

Wir brauchen das Profiling der Zuwanderer in diesen Integration Points. Wir müssen wissen: Was können sie und was nicht? Wo brauchen sie Hilfe? Welche Module brauchen sie?

Und wir brauchen natürlich Deutsch- und Integrationskurse. Dafür existieren einige Millionen im Haushalt, die aus ESF-Mitteln bereits in diese Richtung gewidmet werden. Das ist richtig und gut so, sodass wir mit dem Programm „Early Intervention

NRW+“ entsprechende Angebote machen können. Das müssen wir sehr dringend, sehr schnell für die Flüchtlinge umsetzen.

Dann setzt der Punkt der Qualifikation, der Weiterbildung und der Vermittlung an. Dabei ist mir folgender Aspekt noch ganz wichtig: Natürlich müssen den neu hinzugekommenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern diese Angebote gemacht werden, aber genauso auch den bereits vorhandenen Arbeitslosen. Hier darf niemand Verlierer sein. Bei allem, was über „Early Intervention“ hinausgeht, muss sehr deutlich werden, dass die Angebote für alle Menschen gelten, die arbeitslos sind. Keiner ist benachteiligt, keiner ist bevorzugt. Dann werden wir weiterkommen.

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit in der Arbeitsmarktpolitik und ende jetzt, weil die Zeit voranschreitet. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank Ihnen, Herr Kollege Bischoff. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Alda das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Haushalt des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration werden insgesamt über 4,2 Milliarden € bewegt. Sicher beruht ein Großteil davon auf bundesgesetzlichen Vorgaben und der Durchleitung von Bundesmitteln, zum Beispiel für die Kosten der Unterkunft. Es lohnt sich aber immer, einen Blick auf die Positionen zu werfen, die nicht gesetzlich vorgegeben sind.

Allein im Politikfeld „Arbeit“ sind Fördermittel der EU und des Landes von über 240 Millionen € vorgesehen. Einerseits haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten, die über den ESF gefördert werden, andererseits steigt der Ansatz für die landeseigenen Programme noch einmal um 113 Millionen €.

Das Land gibt also reichlich Geld für Arbeitsförderung aus. Die Ergebnisse sind aber nicht überzeugend. Es gelingt Ihnen einfach nicht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Jeder dritte Langzeitarbeitslose lebt in Nordrhein-Westfalen. Das sind rund 300.000 Personen. Unser Bundesland leidet unter der hohen verfestigten Arbeitslosigkeit wie kaum ein anderes Land. In fast allen anderen Arbeitsmarktstatistiken liegt Nordrhein-Westfalen auf den hinteren Plätzen.

Aber an dieser Stelle wird es auch einmal Zeit, dem Kollegen Bischoff ein dickes Kompliment zu machen. Sie besitzen ein sagenhaftes Talent, selbst die miesesten Zahlen schönzureden. Das muss ich wirklich sagen. Darum beneide ich Sie. Das ist einfach klasse.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dafür musste ich 60 Jahre alt werden, um das einmal zu sagen.

Sie können dafür nicht immer wieder nur den Strukturwandel und die Wirtschaftskrise verantwortlich machen. Sie müssen sich auch fragen lassen, ob die Maßnahmen und Förderprogramme effektiv sind, ob die eingesetzten Haushaltsmittel auch sinnvoll eingesetzt werden und ob sie tatsächlich mehr Menschen zum Einstieg in den Arbeitsmarkt bringen.

Ich möchte hier nur auf einige leuchtende Beispiele eingehen: Sie haben einen neuen Haushaltsansatz in Höhe von 13 Millionen € unter dem Titel „Kein Abschluss ohne Anschluss“ eingerichtet. Ich möchte dabei gar nicht infrage stellen, dass eine bessere Vorbereitung der Berufsorientierung etc. durchaus sinnvoll sein kann und auch hilft, eine ungeeignete Berufswahl und spätere Berufsabbrüche bei der Ausbildung zu vermeiden.

Haushaltspolitisch haben Sie hier aber ein Eigentor geschossen. Denn bisher wurden vergleichbare Maßnahmen auch über den ESF finanziert. Jetzt haben Sie daraus ein Regelprogramm gemacht, das allein aus Landesmitteln finanziert werden soll. Sie wollen hier ein vermeintlich großes Projekt der rot-grünen Landesregierung ins Schaufenster stellen. Dazu kann ich nur sagen: Der Wahlkampf lässt langsam grüßen.

(Beifall von der FDP)

Im Sinne einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik wäre das Ziel einer besseren Berufsorientierung hingegen auch ohne diese zusätzlichen Landesmittel im ESF umsetzbar, vielleicht nur nicht so gut zu vermarkten. Deshalb können wir den Weg über einen neuen Haushaltstitel nicht mittragen.

Sie stellen alle Instrumente des Arbeitsmarktes unter den Generalverdacht des Missbrauchs. Arbeitgeber werden verbal pauschal in eine kriminelle Ecke gestellt, um den angeblichen Massenmissbrauch bei Zeitarbeit, Werkverträgen und Minijobs als Vehikel zu benutzen, um die Flexibilität unserer Wirtschaft, unserer Stärke, in Gänze abzuschaffen.

Die direkte Befehlsautobahn Nahles-SchmeltzerKraft ist hier offengelegt – aber bitte nicht mit unseren Geldern hier aus Nordrhein-Westfalen. Sie ignorieren die Bedeutung dieser Instrumente sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit unserer arbeitsteiligen Volkswirtschaft wie auch als Einstiegschance für Arbeit und Teilhabe, gerade für geringqualifizierte Bewerber. Mit bürokratischen Einschränkungen und öffentlichen Kampagnen werden hier an Stelle eines vermeintlichen Missbrauchs letztlich die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die Chance auf mehr Beschäftigung bekämpft.

(Beifall von der FDP)