Noch nie musste die Landesregierung so oft und immer wieder auf denselben Fehler hingewiesen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat erst letzte Woche auf Antrag einer Gewerkschaft Sonntagsöffnungen außer Vollzug gesetzt, und zwar zum wiederholten Male.
Es wird noch schlimmer: Der Senat hat Ihnen dabei gleich mitgeteilt, dass auch die neue Coronaschutzverordnung genauso fehlerhaft ist. Damit stehen jetzt alle Sonntagsöffnungen in der Weihnachtszeit zur Debatte.
Ein handwerklicher Fehler jagt den nächsten. So funktionieren keine Impulse durch Konsum – so verhindern Sie den Konsum.
Ihre neuesten Vorstellungen im Bereich der Wirtschaftspolitik sind allerdings noch viel schlimmer. Gestern haben Sie in Berlin präsentiert, was Sie sich als Bundesratsinitiative zur Belebung der Wirtschaft vorstellen. Ich muss sagen: Als ich Ihre Vorschläge zum ersten Mal im Internet gesehen habe, habe ich gedacht, es handele sich um eine Fälschung. Aber nein, Sie meinen das wirklich ernst. Sie wollen noch mehr Minijobber, indem Sie die Verdienstgrenze auf 530 Euro anheben.
Minijobs bedeuten auch: kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. – Gerade das ist doch den vielen Minijobbern in der Coronakrise zum Verhängnis geworden. Das kann man doch nicht ausbauen wollen.
Sachgrundlose Befristungen im Arbeitsrecht sind nach allgemeiner Auffassung die moderne Form von Ausbeutung. Deswegen sind Befristungen aus guten Gründen sehr enge Grenzen gesetzt.
Diese Grenzen will Herr Laschet jetzt aber abschaffen: Sie plädieren für eine Ausweitung der Befristung
von zwei auf drei Jahre. – Das wird die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufmachen. Das scheint Sie aber nicht zu stören. Sie haben den Bezug zu Recht und Realität verloren.
Oder wie nennen Sie es, wenn die berüchtigten SchulMails Freitagnachmittag nach 16 Uhr kommen und keine Zeit mehr bleibt, sie umzusetzen?
Wie nennen Sie es, wenn die neue Coronaschutzverordnung bei den Kommunen per Mail um 23:00 Uhr eingeht und am nächsten Tag gelten soll?
An Respekt fehlt es Ihnen aber an vielen Stellen. Sie respektieren ja noch nicht einmal Ihre eigenen Gesetze.
Der Innenminister verstößt bei der CDU in Lennestadt gegen die Coronaschutzverordnung des Landes. Offizielle Begründung der CDU in Lennestadt – das ist jetzt kein Scherz:
Deswegen hat die CDU in Lennestadt nach dem Foto mit Herbert Reul ohne Abstand und Masken auch ein Bußgeld in Höhe von 200 Euro bezahlt. Das wäre ja sogar fast ein bisschen lustig, wenn Sie, Herr Reul, nicht der Innenminister wären.
Wie nennen Sie es, wenn man Erzieherinnen und Erziehern in Kindergärten damit droht, die einzige Coronaschutzmaßnahme, die sie noch haben – nämlich die kostenlosen Tests –, zu streichen?
Wie nennt man es eigentlich, wenn ein Ministerpräsident allen Verkäuferinnen, Krankenschwestern und Rettungskräften im Landtag Applaus spendet, weil sie ihre Gesundheit für das Allgemeinwohl riskiert haben, wenige Wochen später dann aber die Mieterschutzverordnung aushebelt und so ihre Rechte als Mieterinnen kappt?
Wie nennt man es, wenn eine Landesregierung den Coronaheldinnen mit weniger Rechten und noch höheren Mieten dankt?
Olaf Scholz und Hubertus Heil haben eine Wirtschaftspolitik konzipiert, die Millionen Jobs gerettet hat.
Die beiden zeigen der OECD-Welt, wie moderne Wirtschaftspolitik funktioniert – nicht durch Privat-vorStaat-Ideologien und auch nicht durch Entfesselung, wie die NRW-Pipifaxvariante der Deregulierung genannt wird.
Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik verbindet private Innovationskraft mit öffentlichen Investitionen und einem starken Sozialstaat. Das sichert Arbeitsplätze. Das stützt Unternehmen. Das bringt Investitionen in Zukunftstechnologie – für einen neuen Aufschwung nach der Krise. Im Grunde genommen ist das ein Zukunftspakt, ein ungeschriebener Gesellschaftsvertrag zwischen Politik, Wirtschaft und Beschäftigten.
Deswegen ist jeder Versuch eines Konzerns, diese Krise als Vorwand zu missbrauchen, um gesunde Werke zu schließen, nichts anderes als Verrat und Betrug.
Es ist Betrug an den Beschäftigten, die ordentliche Gewinne erarbeiten und jetzt in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Es ist Betrug an den Steuerzahlern, die auch diesen Konzern in der Krise unterstützt haben. Es ist schlicht Verrat an den Werten der Sozialen Marktwirtschaft.
Sie wissen, von wem ich spreche, nämlich der Schaeffler Gruppe und ihrem Continental-Werk in Aachen und ihrem Werk in Wuppertal. Es sind gesunde Werke, die Gewinne erwirtschaftet haben – auch, weil die Beschäftigten jahrelang ohne Lohnausgleich mehr gearbeitet haben.
Diese Gewinne nutzt Schaeffler nun, um die Produktion in Niedriglohnländer zu verlagern. Von möglichen Gewinnmargen um die 30 % und mehr ist plötzlich die Rede. Was Continental und Schaeffler antreibt, ist nicht wirtschaftliche Vernunft. Es ist blanke Gier.
Herr Ministerpräsident hat völlig zu Recht gesagt, dass das, was Continental da mache, keine Soziale Marktwirtschaft sei. Das ist richtig; es ist Marktentfesselung in letzter Konsequenz.
Aber was folgt daraus? Hat das irgendwelche politischen Konsequenzen? Der Wirtschaftsminister hat bei Continental interveniert, der Arbeitsminister ist vorstellig geworden, und dann hat es sogar der Ministerpräsident persönlich versucht. Das ist aller Ehren wert. Aber was hat es gebracht? – Nichts. Sie alle waren erfolglos und sind bei den Konzernleitungen abgeblitzt wie Kassenpatienten bei einem Schönheitschirurgen auf der Königsallee.