Die NRW-Koalition ist sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst. Sie hat in der aktuellen Pandemie immer einen Ausgleich zwischen notwendigen Eingriffen zum Schutz der Gesundheit auf der einen und dem Schutz der Grundrechte auf der anderen Seite gesucht.
Daher überprüft sie alle zwei Wochen, ob die Maßnahmen noch verhältnismäßig und gerechtfertigt sind. Die Freien Demokraten werden dabei auch weiterhin Verteidiger der Verhältnismäßigkeit sein, gerade weil wir nicht immer von jeder einzelnen Maßnahme überzeugt sind. Wir werden das in gutem Einvernehmen mit unserem Koalitionspartner tun.
Ich bin mir sicher, dass, wenn das Pandemiegesetz im nächsten Jahr ausläuft, bei einer Neufassung Parlamentsrechte wesentlich stärker als bisher verankert werden. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Schneider. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Engstfeld das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die Frage auch schon gestellt: Worum geht es eigentlich in diesem Antrag, in der ganzen Serie von insgesamt elf Anträgen der AfD
zum Thema „Corona“ in dieser Plenarwoche? Geht es wirklich um die Pandemie? Geht es wirklich um deren Bekämpfung, um das Abfedern der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Folgen? – Nein, darum geht es nicht.
Dieser Debattenplatz hier, dieser Antrag und all die anderen Initiativen, die wir in diesen Plenartagen behandeln, haben in Wirklichkeit ein anderes Thema. Das Thema lautet nicht „COVID“, sondern es lautet „AfD“. Es ist der Versuch einer Partei, von ihrer inneren Zerstrittenheit, von ihren Grabenkämpfen, von ihren Flügelkämpfen, von Korruptionsvorwürfen, von Skandalen, von schlechten Umfragewerten seit der Bundestagswahl abzulenken. Es ist der Versuch, den schleichenden Niedergang der AfD zu stoppen. Es ist ein politisches Schauspiel, der Versuch einer Partei, die politisch nichts zu bieten hat, wieder Relevanz zu entwickeln.
Die AfD hat am Anfang versucht, sich als Anti-EuroPartei zu profilieren. Dann ist sie dazu übergegangen, sich als Anti-Flüchtlings- und -Migrationspartei zu profilieren, dann als Anti-Klima-Partei.
Zu Beginn der Pandemie ist sie politisch irrelevant geworden. Die Partei, die davor davon geträumt hatte, dass es keine Regierungsmehrheiten gegen sie geben könne, ist während der Pandemie auf 8 % abgesackt.
Also steigen Sie voll auf das Thema ein, das gesellschaftliche Relevanz hat, Herr Seifen, die Coronapandemie, und versuchen, sich jetzt als neue AntiCorona-Partei zu stilisieren. Es wundert mich deswegen nicht, dass Sie die beschlossenen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und des Gesundheitssystems an allen Ecken und Enden kritisieren und deren Ende und Abschaffung propagieren. Das haben Sie ja von dem ehemaligen Pressesprecher Ihrer Partei als Geschäftsmodell gelernt. Ich zitiere: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“
Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit sind einfach nicht Ihr Ding. Ihre Partei ist nicht krisenfest, sie lebt von der Krise. Da konstruktive Sacharbeit auch nicht in Ihrem Repertoire liegt, geht es wieder los mit der vollen populistischen Breitseite. Nun sollen also die „Querdenker“ Sie aus Ihrem Umfrageloch holen. Das zeigt ehrlicherweise, wie verzweifelt Sie sein müssen.
Auf der anderen Seite versuchen Sie noch einen anderen Schritt. Ich zitiere eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 30. Oktober dieses Jahres:
„Um neue Wählergruppen zu erreichen, will die AfD Alleinerziehende, Künstler, Veranstalter, Gastronomen, Alte und Pflegebedürftige ansprechen, die von den Corona-Einschränkungen besonders betroffen sind. In einem internen Diskussionspapier ihrer Bundestagsfraktion heißt es: ‚Es besteht die Chance, über die eigene Anhängerschaft hinaus Gehör in jenen gesellschaftlichen Milieus zu finden, die der Partei bisher skeptisch gegenüberstanden.‘“
Sie arbeiten in Ihrem Antrag auch wieder mit den üblichen AfD-Methoden. Es wird aus wissenschaftlichen Studien und Texten nur ungenau, verzerrt oder halb zitiert. Es wird sprachlich radikalisiert.
Man sieht dann auch mal einen AfD-Abgeordneten im Plenarsaal des Deutschen Bundestages mit einem „Querdenker“-T-Shirt herumlaufen oder einen anderen Abgeordneten auf einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin ein Schild hochhalten, auf dem der Virologe Christian Drosten und der SPD-Politiker Karl Lauterbach in Sträflingskleidung mit der Aufschrift „Schuldig“ zu sehen sind. Also: der übliche und gewollte Tabubruch.
Wie schlecht es aber einem Land geht, dessen Politik es ist – wie bei Ihnen von der AfD –, die Gefahren des Coronavirus zu verharmlosen oder gar zu leugnen, sehen wir gerade in den Vereinigten Staaten von Amerika: 10 Millionen Fälle, mehr als 230.000 Tote. Das sind schlimme Zustände, von denen wir hier weit entfernt sind, weil wir eine andere Politik betreiben, Gott sei Dank.
Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss: Es gibt Momente, in denen ich noch dankbarer dafür bin als ohnehin, dass die AfD in diesem Land keine politische Verantwortung hat. Der Blick auf diese Zahlen in den USA ist ein solcher Moment.
Danke schön, Herr Engstfeld. Die AfD-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. – Bitte schön, Herr Seifen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Engstfeld, Ihr Redebeitrag hat mich wirklich tief erschüttert, weil er die ganze kalte Ignoranz verdeutlicht,
Außer Herrn Preuß, der wenigstens noch auf einige sachliche Elemente eingegangen ist, ist keiner meiner Vorredner überhaupt auf die Sachargumente eingegangen, die erstens im Antrag stehen und zweitens in meiner Rede vorkamen.
Aber Sie haben wirklich den Vogel abgeschossen, Herr Engstfeld. Ihr Redebeitrag war absolut unsachlich. Sie haben sich nur mit der AfD beschäftigt.
Wir beschäftigen uns aber nicht mit der AfD, sondern mit den Sorgen der Bevölkerung. Die Sorgen der Bevölkerung werden einfach nicht gehört.
Die Menschen kommen nicht zu Wort und wenn sie zu Wort kommen, dann immer mit dem pejorativen Hinweis, dass hier irgendwelche Rechte und Reichskriegsflaggen dabei sind.
Es gibt renommierte Ärzte, die ganz klar sagen, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist. Selbstverständlich ist COVID-19 eine Erkrankung, die wir keinem wünschen. Das ist doch gar nicht bestritten worden. Aber eine staatliche Behörde, die Exekutive und die Legislative müssen immer abwägen: Welche Maßnahmen sind verhältnismäßig, um die Gesundheit der Bevölkerung auf der einen Seite zu schützen und nicht auf der anderen Seite alles niederzureißen, weil es diese Krankheit gibt?
Darüber haben wir gesprochen, und ich habe vier Dinge genannt, die ich jetzt nicht wiederholen will. Sie sind mit keinem Wort darauf eingegangen.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist aufgrund der Beiträge der Opposition keine gute Stunde, die wir hier erlebt haben. Ich bedauere das zutiefst.
Danke schön, Herr Seifen. – Jetzt hat Herr Engstfeld das Wort für eine Replik. Bitte schön, Herr Engstfeld, 1:30 Minuten für Sie.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter Seifen, ich teile keine Ihrer Einschätzungen zu meinem Wortbeitrag und bleibe bei meiner Meinung, die ich vorhin vorgetragen habe. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Engstfeld. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Laumann. Sie haben das Wort. Bitte schön.
Ich will vorwegschicken, dass ich die Politik der AfD natürlich nicht nur für falsch, sondern für gefährlich halte.
Erste Anmerkung: Das, was in diesem Antrag steht, ist in der Frage, wie man auf der ganzen Welt mit der Pandemie umgeht, in keinem einzigen Punkt fachlich begründbar. Das ist schlicht und ergreifend nicht begründbar.
Zweite Anmerkung: Die Antragsüberschrift lautet: „NRW muss sich der verordneten Prohibitionsstimmung durch Kanzlerin Merkel widersetzen!“ Auf Deutsch heißt das: NRW muss die Verbotspolitik der Kanzlerin stoppen.
Dazu kann ich Ihnen sagen: Ich habe Angela Merkel vor knapp 30 Jahren kennengelernt, nachdem ich am 2. Dezember 1990 mit ihr zusammen in den ersten gesamtdeutschen Bundestag gewählt worden bin. Diese Frau hat in den ersten 35 Jahren ihres Lebens keine Freiheit gekannt. Ihr zu unterstellen, dass sie die Freiheit unseres Landes untergräbt, halte ich – ich sage es ganz ehrlich – einfach für widersinnig.