Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

2018, 2019 und 2020 durfte Nordrhein-Westfalen bereits erleben, dass Wehrhaftigkeit und die besondere Bedeutung des Rechtsstaates nicht wie unter RotGrün nur vorgeschobene Begrifflichkeiten sind. Seit dem Regierungswechsel zeigt Schwarz-Gelb stringent und nachhaltig, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat wiederhergestellt werden kann.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU] und Gregor Golland [CDU])

Der Haushalt 2021 geht diesen Weg konsequent weiter. Er macht klar, dass NRW die Konstante in der bundesweiten Umsetzung des Pakts für den Rechtsstaat bleibt. Wir kümmern uns um eine stärkere Justiz und zeigen das sowohl in finanzieller als auch personeller und technischer Hinsicht.

Unsere Nulltoleranzstrategie greift auch in diesem Haushalt wieder, in dem Mittel bereitgestellt werden, um entscheidende Ziele zu erreichen. Wir wollen eine konsequente Strafverfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie gewährleisten. Wir wollen die neuen Regelungen zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet implementieren. Und wir wollen für die konsequente strafrechtliche Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte Sorge tragen.

Zur Erreichung dieser Ziele brauchen wir zuallererst Personal. Wir schaffen deshalb eine finanzielle Grundlage für insgesamt sagenhafte 646 neue Stellen für die Justiz. Davon entfallen 109 Stellen auf Richterinnen und Richter sowie zahlreiche Stellen auf den Justizwachtmeisterdienst. Hinzu kommen 164 neue Planstellen für die Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften. Allein 14 neue Stellen werden bei der ZAC zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität geschaffen.

In den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021 schafft die NRW-Koalition somit 449 neue Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Das ist mehr als das, was in dem bundesweiten Pakt für den Rechtsstaat vorgesehen ist.

Wenn man zusätzlich bedenkt, dass keine dieser Stellen kw-Vermerke hat, wird noch deutlicher, was ich schon zu Beginn angedeutet habe: NRW geht nachhaltig voran und schafft Ressourcen, die gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern kein Selbstläufer sind.

Christian Friehoff, Landesvorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW, findet dazu passende Worte – ich zitiere mit Ihrem Einverständnis –: Der Haushaltsentwurf ist erneut ein starkes Bekenntnis zum Rechtsstaat. – Weiter bezeichnet er die Schaffung von Stellen in den vergangenen Jahren und in diesem Jahr als beispiellos.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können Herrn Friehoff nur zurufen: Recht haben Sie. Wir werden so weitermachen.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU], Gregor Golland [CDU] und Christian Mangen [FDP])

Uns gelingt es, eine Ausgangslage zu schaffen, in der NRW zahlreichen und unterschiedlichen Bedrohungen mit einer starken Justiz die Stirn bieten kann. Das geht nur mit erfolgreicher Strafverfolgung und gewappneter Justiz, die unkompliziert mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet.

Mit Blick auf den demografischen Wandel brauchen wir aber nicht nur hier und jetzt Kapazitäten, sondern auch zukunftsgewandte Ansätze. Wir priorisieren deshalb den Ausbau der Ausbildung und konzentrieren uns auch in diesem Haushalt weiter auf die Digitalisierung der Justiz.

70 zusätzliche Einstellungsermächtigungen für Justizanwärterinnen und -anwärter, zusätzliche Planstellen für Aus- und Fortbildungseinrichtungen der Justiz sowie ein enormer Betrag an Sachmitteln rund um die Aus- und Weiterbildung sind ein Teil der Säulen, auf denen die Justiz der Zukunft steht. Die Erweiterung des Angebots der digitalen Lehre und der Digitalisierung der Justiz im Generellen geben weiteren Halt. Die Fortführung der IT-Zentralisierung, die Pilotierung der elektronischen Akte und die Fortführung des Projekts eJustice seien hier nur beispielhaft erwähnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können mit Fug und Recht festhalten: Trotz schwerer Bedingungen in der Coronapandemie kann die NRW-Koalition einen äußerst erfolgversprechenden Justizhaushalt 2021 vorlegen. Dieser Haushalt wird der Bedeutung der dritten Gewalt in unserem Land gerecht. Denn für uns ist eines ganz klar: Der Rechtsstaat hat immer zu funktionieren, gerade jetzt in schweren Zeiten. Wir wollen Sicherheit und Rechtsfrieden gewährleisten. Dafür stabilisieren wir mit diesem Haushalt das Fundament weiter. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erwin. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Engstfeld das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz gut, wenn hier desinfiziert wird. Dann kann sich der Weihrauch, den die Kollegin Erwin gerade über diesen Haushaltsentwurf verteilt hat, noch ein bisschen verziehen.

Dieser Haushalt sieht für die Justiz insgesamt 646 Stellen vor. Das ist erst einmal erfreulich.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Schaut man aber genauer hin, stellt sich schnell heraus, dass mit diesem Haushalt zwar immer weitere Stellen geschaffen werden, dann aber nicht besetzt werden können.

Die Lage in der Justiz ist jedoch ernst. Sowohl bei den Gerichten als auch in den Justizvollzugsanstalten sowie in allen Bereichen der Justiz sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlastet. Es fehlt überall an geeignetem Personal. Zudem steht die große Pensionierungswelle in der Justiz an. Neueingestelltes Personal gleicht also nur die anstehenden Pensionierungen aus – nicht mehr und nicht weniger.

Es reicht deshalb nicht, was Sie, Herr Justizminister, in diesen Haushalt eingebracht haben. Das gilt zum einen für die Anzahl der neugeschaffenen Stellen. Zum anderen gilt es auch dafür, dass Sie alle diese Stellen gar nicht besetzt bekommen. Im Ergebnis wird die Überbelastung in der Justiz mit diesem Haushalt nicht spürbar reduziert werden.

Die Entlastung in der Justiz muss aber jetzt geschehen. Herr Minister Biesenbach, Sie können nicht länger darauf warten, irgendwann doch noch genügend Personal für all die unbesetzten Stellen zu finden.

(Beifall von den GRÜNEN und Sven Wolf [SPD])

Unserer Meinung nach muss eine Entlastung durch eine veränderte Prioritätensetzung geschehen. Statt Schwarzfahrerinnen und Schwarzfahrer oder Menschen, die containern, durch die Staatsanwaltschaften strafrechtlich verfolgen zu lassen, sollten endlich vernünftige Prioritäten gesetzt werden, damit letztlich nicht Menschen im Gefängnis sitzen, die dort nicht hingehören. Zum Beispiel belasten Ersatzfreiheitsstrafen den Justizvollzug massiv, ohne jedoch eine nennenswerte positive Wirkung zu haben. Ändern Sie das, Herr Biesenbach!

Ändern Sie Ihre Politik auch dahin gehend, dass sich Steuersünder in Millionenhöhe nicht entspannen können, sondern dahin kommen, wo sie hingehören, nämlich ins Gefängnis.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Stichwort „Cum-Ex“: Der Name leitet sich daraus ab, dass Aktien mit, also „cum“, und ohne, also „ex“, Dividende gehandelt wurden. Das Ziel war: Viele Beteiligte ließen sich Steuern vom Staat erstatten, obwohl diese nur einmal gezahlt wurden. Der Schaden für die Allgemeinheit lag damit im Milliardenbereich.

Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es – ich zitiere –:

„Christdemokraten und Freie Demokraten werden künftig eine Null-Toleranz-Politik gegen Kriminelle verfolgen …

Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit und die Durchsetzung von Recht und Gesetz gehören zu den wichtigsten Kernaufgaben des Staates.“

Kriminelle sollen sich nicht sicher fühlen. In Sachen „Cum-Ex“ findet sich davon keine Spur. Hat Minister Biesenbach ein Konzept zu Cum-Ex? – Nein.

Wir haben jetzt aber ein Problem, und das sind die Verjährungsfristen, die vor der Tür stehen und die dafür sorgen können, dass viele Steuerbetrüger ungestraft davonkommen. Noch im Juni haben Sie, Herr Minister Biesenbach, im Rechtsausschuss erklärt, dass Sie in der Sache der Verjährungsfrist keine Not sähen. Ein paar Monate später haben Sie sich dann vehement bei der Bundesregierung für die Verlängerung der Fristen eingesetzt.

Am 5. November dieses Jahres antworteten Sie auf eine Kleine Anfrage, die ich gemeinsam mit meiner geschätzten Kollegin Frau Düker gestellt habe – ich zitiere –:

„Fallkonstellationen, in denen schon im Zeitpunkt der Aufnahme von Ermittlungen (Teil-)Verjährung eingetreten ist, sind nicht auszuschließen.“

Ist Ihnen erst zwischen Juni und November aufgefallen, wie viel Beschuldigte es gibt?

Warum braucht es außerdem die Verlängerung der Verjährungsfristen? – Sie haben es ganz einfach jahrelang nicht geschafft, die Justiz in NRW personell vernünftig auszustatten. Die immer noch ausbaufähige Personalausstattung der Justiz – das wird gerade am Beispiel Cum-Ex deutlich – lässt daran zweifeln, dass der Rechtsstaat durchsetzungsfähig ist. Das geht nicht, und das liegt in Nordrhein-Westfalen in Ihrer Verantwortung.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Es zeigt sich auch, Herr Biesenbach, dass die zuständige Staatsanwaltschaft von Ihrem Dienstherren trotz markiger Ankündigung, die Aufarbeitung dieses Steuerskandals zur Chefangelegenheit zu machen, hängen gelassen wird. Offenbar gilt die Nulltoleranzstrategie der Regierung Laschet nicht für die CumEx-Betrüger mit ihrem beispiellosen Raubzug durch die öffentlichen Kassen. Das ist beschämend.

Ein letzter Punkt, der mich in diesem Haushalt stört, ist die Streichung der Ausgaben für Maßnahmen zur Haftverkürzung und zur Haftvermeidung auf null. Laut dem Ministerium werden diese Projekte künftig mit dem eigenen Personal bewältigt anstatt wie bislang in Kooperation mit freien Trägern. Das ist seltsam. Anscheinend hat an vielen Stellen eine Unzufriedenheit mit den freien Trägern geherrscht, wenn nun alles mit den eigenen Leuten bewältigt werden soll.

Ich finde es bedauerlich, dass die bewährte Arbeit der freien Träger an den bestehenden Standorten alleinig durch die justizinternen Dienste ersetzt wird.

Selbst bei einer flächendeckenden Ausweitung der Haftvermeidung und Haftverkürzung wäre eine Beteiligung der freien Träger mit ihrer Expertise in den Anstalten wünschenswert und im Sinne des Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Das machen Sie aber nicht. Warum eigentlich nicht? Darauf hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen.

Wir lehnen den Haushalt ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Als nächster Redner hat nun Herr Abgeordneter Mangen für die FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um in dem Bild mit dem Weihrauch zu bleiben, das der Kollege Engstfeld gerade gezeichnet hat: Wir hätten die Zeit nutzen können, damit sich der Nebel, den er hat aufziehen lassen, lichtet.

Wenn wir ehrlich sind, ist heute ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen. Wir diskutieren den Haushaltsentwurf für das Jahr 2021 in denkbar außergewöhnlichen Zeiten. Gerade jetzt zeigt sich, dass ein funktionierender Rechtsstaat ein entscheidender Pfeiler unserer Demokratie ist.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns im kommenden, aber auch in den darauffolgenden Jahren in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Justiz gut aufstellen. Die NRW-Koalition plant daher für das kommende Haushaltsjahr fast 5 % Mehrausgaben in der Justiz gegenüber dem Vorjahr.

Ich meine, das Ministerium kann alles in allem mit dem Haushalt sehr zufrieden sein; denn wenn das, was gerade an Kritik von der Opposition kam, alles ist, hat das Ministerium seine Hausaufgaben offenbar sehr gut erledigt.