Protokoll der Sitzung vom 26.11.2020

Wir haben gestern einige Kriterien festgelegt, die dann erfolgen können. Dazu gehört auch der Distanzunterricht. Das ist heute schon rechtlich möglich und in Einzelfällen auch schon verabredet worden.

Es ist aber ganz wichtig, dass schulscharf entschieden werden muss. Es geht nicht, dass ganze Kreise und Städte mal eben erklären, Distanzunterricht zu machen. Schulscharf und mit dem Ziel, auch Hybridunterricht möglich zu machen – so ist die Verabredung von gestern. Ich glaube, das ist eine wichtige Entscheidung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Er soll auf Berufsschulen und auf ältere Jahrgänge beschränkt werden. Man hat ein bisschen hin und her diskutiert, was ein „älterer Jahrgang“ ist. Ich hätte mir auch die Oberstufe vorstellen können. Wir haben uns jetzt darauf verständigt, dass diese Möglichkeit in den Kreisen, die den Inzidenzwert von 200 überschreiten, in Zukunft ab Klasse 8 gegeben ist.

Ich habe es hier gestern schon erwähnt, und es ist gestern auch so beschlossen worden: Unser Vorschlag, die Weihnachtsferien vorzuziehen, um mehr freie Tage bis zum Weihnachtsfest zu haben, ist mit Ausnahme von zwei Ländern von allen übernommen worden. Das heißt, der letzte Schultag vor den Ferien wird der 18. Dezember 2020 sein.

Das hat aber nur Sinn – auch hier wieder der Appell –, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht den Montag, den Dienstag und den Mittwoch für große Begegnungen außerhalb der Schule nutzen, sondern möglichst im familiären Bereich bleiben. Quarantäne wäre das falsche Wort, aber man sollte bei der Familie bleiben, damit dieses Infektionsrisiko wirklich minimiert wird.

Viertens. Wir haben die Hotspotstrategie nachgeschärft, weil auch Deutschland im Moment wieder auseinanderdriftet. Als wir Ende Oktober zusammen waren, waren die Zahlen überall hoch.

In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern liegen sie heute schon wieder unter 50. Trotzdem tragen diese Länder das mit. Auch sie werden keine Restaurants öffnen, obwohl sie es eigentlich von ihrem Inzidenzwert her könnten.

Sie sagen aber: Dafür erwarten wir von den Ländern, in denen der Inzidenzwert hoch ist – dazu gehört Nordrhein-Westfalen –, dass sie weitergehende Maßnahmen in den Gebieten mit einem Inzidenzwert von mehr als 200 vornehmen.

Wir werden uns im Kabinett in den nächsten Tagen noch einmal damit beschäftigen, was wir in den Gebieten mit einem Inzidenzwert von über 200 noch unternehmen können, um auch die wieder auf den Landesdurchschnitt zurückzuführen.

Das fünfte wichtige Thema – ich glaube, da hat Nordrhein-Westfalen wirklich gute Vorarbeit geleistet – ist die Corona-Warn-App. Die braucht mehr Optionen, damit mehr Menschen sie nutzen.

Jeder guckt mal auf die App. Da steht dann meistens etwas von drei, vier oder fünf Risikobegegnungen in den letzten Tagen, und man steckt das Handy wieder in die Tasche.

Ich kenne sogar Leute, bei denen es rot geblinkt hat, die aber gesagt haben: Wenn ich drei Tage warte, ist es wieder grün. – Der richtige Umgang mit dieser App ist noch verbesserungsfähig.

Deshalb hat unser Expertenrat als erstes ein Dashboard entwickelt, in das weitere Zahlen aufgenommen werden. Wir wollen, dass diese App weitere Funktionen hat und ein echter Mehrwert ist, der dem Gesundheitsschutz dient.

Alle diese Maßnahmen haben wir mit Maß und Mitte getroffen. Wir befinden uns inmitten der zweiten Welle. All unsere Nachbarn – Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Frankreich – haben wesentlich

schärfere Maßnahmen ergriffen und trotzdem immer noch wesentlich höhere Inzidenzwerte als wir.

Frankreich hat übrigens trotz seiner dramatischen Lage mit Ausgangssperre und vielem anderen mehr immer die Schulen offen gehalten. Das zeigt: Man kann auch in einer solchen Krise Prioritäten setzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir liegen im europäischen Vergleich der letzten 14 Tage im unteren Drittel, obwohl es bei uns die größten Ballungsräume gibt. Ich habe die Zahlen hier schon oft vorgetragen, wiederhole sie aber noch einmal:

In Deutschland kommt eine Person auf 260 m². In Nordrhein-Westfalen kommen 500 Personen auf 1 km², im Ruhrgebiet 1.100 Personen auf 1 km² und in der Stadt Herne 3.000 Personen auf 1 km². Das zeigt, was für einen verdichteten Lebensraum wir haben. In ganz Europa gibt es keinen Lebensraum, der so verdichtet ist wie Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist es eine große Leistung, dass wir trotzdem im unteren Drittel des europäischen Durchschnitts liegen.

Für uns stellt sich eine andere wichtige Frage, wenn das mit dem Reiseverkehr alles stimmt und wir im Dezember in Deutschland quasi touristische Reisen untersagen: Wäre es gut, dass das auch in einem zusammengewachsenen Europa gilt?

Frankreich und Italien verzichten auf Skitourismus und werden alle Skiorte in diesem Winter jedenfalls bis zum 10. Januar 2021 schließen. Der Appell der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin an die Republik Österreich lautet, auch mitzumachen – sie ist das einzige Land, das diesen Weg noch nicht mitgeht –, damit wir die Pandemie in diesem Sommer wirklich auch gemeinsam in Europa bekämpfen.

Als Zweites haben wir Hilfe für diejenigen beschlossen, die einen besonders großen Beitrag leisten. Die Gastronomie und die selbstständigen Familienunternehmer erbringen Sonderopfer. Die Kultur erbringt für alle ein Sonderopfer, indem sie ihre Einrichtungen schließt.

Es ist gut, dass jetzt gesichert worden ist, dass wie bei der Novemberhilfe die Verdienstausfälle auch für den Monat Dezember zu 75 % erstattet werden. Das hilft vielen in das neue Jahr. Wir werden uns jetzt schon Gedanken darüber machen, wie es im Januar weitergeht.

Eine Erläuterung noch zu den Hotels, da dies nur in wenigen Berichten steht: Touristische Reisen sind untersagt. Wenn sich aber Familien besuchen und keine Übernachtungsmöglichkeit bei demjenigen besteht, den man besucht, ist es über die Weihnachtsfeiertage möglich, in einem Hotel zu übernachten. Ein Familienbesuch in der entsprechenden Stadt wird nicht als touristische Reise verstanden.

Es bleibt dabei: Diejenigen, die Geschäfte geschlossen haben oder ihrer Arbeit aktuell nicht nachgehen können, haben finanzielle Nöte. An die denken wir in diesen Tagen ganz besonders und danken ihnen für ihre gesamtgesellschaftliche Unterstützung.

Wir denken aber auch daran – das dürfen wir nicht verdrängen –, dass auf vielen Intensivstationen in Nordrhein-Westfalen Menschen um ihr Leben ringen, während wir hier sitzen und reden. Wir denken an sie und an all diejenigen, die an die Grenze ihrer eigenen Kräfte gehen, um zu helfen: an das Pflegepersonal und an Ärzte, die in diesen Tagen viel leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das muss auch eine Warnung an all diejenigen sein, die alles abstreiten und Demonstrationen ohne Schutz durchführen. Jeder darf demonstrieren, wofür er will, aber man muss auch jedem Demonstrierenden sagen:

Denk eine Zehntelsekunde an diese Menschen, während du hier demonstrierst und dich zur Sophie Scholl oder Anne Frank erklärst. Das ist doch alles Unsinn. Es muss im Geschichtsunterricht etwas falsch gelaufen sein, wenn eine 22-Jährige sagt, sie sei Sophie Scholl. Das ist doch unfassbar.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Denk in dieser Sekunde, in der du sprichst, an diejenigen, die vielleicht wenige Meter entfernt in einem Krankenhaus gerade um ihr Leben ringen. Auch das ist wichtig.

Lassen Sie mich bei all den trüben Nachrichten mit drei Lichtblicken schließen:

Erstens. Wir rechnen damit, dass noch in diesem Jahr ein erster Impfstoff zugelassen wird. Wir sind auf der Zielgeraden. Karl-Josef Laumann ist mit seiner Mannschaft intensiv damit beschäftigt, unmittelbar mit der ersten Sekunde, in der der Impfstoff im Land eintrifft, die Verteilung im ganzen Land zu organisieren. Das ist eine riesige logistische Herausforderung.

Es ist hier zwar schon oft erwähnt worden, aber ich wiederhole es trotzdem noch einmal: Es ist gut, dass wir einer solchen Pandemie nicht wie in den vergangenen Jahrhunderten tatenlos gegenüberstehen müssen.

Was haben die Menschen in vergangenen Jahrhunderten bei solchen Krankheiten gemacht? – Sie sind verzweifelt, weil es keine Aussicht auf Rettung gab. Millionen sind gestorben.

Wir sind heute in der Lage, innerhalb von neun Monaten seit Beginn der Pandemie einen Impfstoff zu entwickeln. Wir haben kluge Wissenschaftler, die in

der Lage sind, einen Stoff zu finden, der uns vor dieser weltweiten Pandemie schützt. Das ist eine Leistung, die man gar nicht oft genug würdigen kann.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Wo auf der Welt arbeitet man innerhalb von neun Monaten an der Lösung gegen eine Bedrohung? – Das wirklich Schöne ist, dass dieser Wissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen kommt. Er ist 1965 im Süden der Türkei geboren und als vierjähriger Junge mit seinem Vater, der Fordarbeiter ist, hergekommen. Als erstes türkisches Gastarbeiterkind legte er am Erich Kästner-Gymnasium sein Abitur ab. Schon in der Schule war er Jahrgangsbester. Jetzt hat er für uns alle einen Impfstoff entwickelt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn Sie, liebe Kollegen am rechten Rand des Plenarsaals, noch einmal über Integration reden, denken Sie an solche Menschen. Wir sind froh, dass sie hergekommen sind und diese Leistung erbracht haben.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Beifall von Minister Dr. Joachim Stamp und vom Parlamentari- schen Staatssekretär Klaus Kaiser)

Jens Spahn kommt am nächsten Dienstag in das Landeskabinett. Wir werden uns dann ausschließlich mit der Frage…

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und von Thomas Kutschaty [SPD])

Er wird nicht Mitglied des Landeskabinetts, denn wir haben einen exzellenten Gesundheitsminister. Der Platz ist besetzt.

(Beifall von der CDU und der FDP und von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Er kommt zu uns zum Austausch über das Impfen, weil wir die Strategie ganz eng mit dem Bund abstimmen wollen. Das wird der Schwerpunkt der nächsten Woche sein.

Ich möchte auch hier gleich einen Mythos abräumen: Es wird keine Impfpflicht geben. Wir lehnen eine Impfpflicht konsequent ab. Es wird freiwillig nach Prioritätenliste geimpft. Wer sich nicht impfen lassen will, muss das auch nicht machen. Auch das ist ein Signal gegen alle Verschwörungstheoretiker, die etwas anderes behaupten.

Zweitens. Unsere Wirtschaft hat sich im dritten Quartal positiver entwickelt, als erwartet wurde. Auch da arbeitet der Wirtschaftsminister intensiv mit unserem eigenen Konjunkturprogramm, um die Lücken zu schließen, die der Bund gelassen hat, und der nordrhein-westfälischen Wirtschaft gezielt zu helfen.

Drittens. Wenn wir bei dieser App weiterkommen und die Kontaktnachverfolgung digital machen können,