Protokoll der Sitzung vom 18.01.2018

Unser Ministerpräsident Armin Laschet hat in der ersten Regierungserklärung im September 2017 von den großen Veränderungen berichtet, die Sie auch angesprochen haben, Frau Brems. Die erste große Veränderung tritt Ende des Jahres ein, wenn die letzten Steinkohlezechen schließen: Prosper-Haniel und Ibbenbüren. Mit den beiden Bergwerken endet die Steinkohleförderung in Nordrhein-Westfalen.

Die Steinkohle ist eng mit der Identität von uns in Nordrhein-Westfalen verbunden, insbesondere mit dem Ruhrgebiet. Wir verdanken ihr den Aufstieg Deutschlands und NRWs nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Bergbau hat dazu beigetragen, dass wir Energie- und Industrieland Nummer eins geworden sind. Er hat uns Wirtschaftswachstum und Wohlstand gesichert. Ende des Jahres endet dieser Teil der Landesgeschichte. Deshalb hat mich die Große Anfrage der Grünen sehr gefreut. So können wir uns noch einmal intensiv mit dem Thema beschäftigen.

Aber mit jeder Veränderung gehen auch Chancen einher. Die Politik ist aufgerufen, diese zu gestalten und NRW fit für die Zukunft zu machen. Das Ruhrgebiet stellt sich neu auf. Wir, die NRW-Koalition, wollen es dabei begleiten.

Essen ist im letzten Jahr bekanntlich „Grüne Hauptstadt Europas“ gewesen und wurde dafür ausgezeichnet, dass sie Umweltschutz und wirtschaftliches Wachstum mit einer hervorragenden Lebensqualität ihrer Einwohner verbindet. Das sind doch die Zeichen, die wir im Ruhrgebiet sehen wollen.

„Fit für die Zukunft“ heißt aber nicht, dass wir die Vergangenheit verdrängen; denn zur Geschichte des Ruhrgebietes gehören viele Tagesbrüche und eine starke Senkung der Oberfläche. Wie gesagt, der Antwort auf die Große Anfrage ist auch eine erhebliche Gefährdungslage der Anwohner zu entnehmen.

Die NRW-Koalition nimmt die Tagesbrüche und Erdabsenkungen sehr ernst. Wir danken der Bergbaubehörde für die umfangreiche Zusammenstellung der Daten für die Antwort auf die Große Anfrage.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Problem ist, wie Frau Brems eben schon gesagt hat, der Altbergbau oder der widerrechtliche Bergbau. Seit dem Mittelalter ist in NRW Bergbau betrieben worden. Unsere Vorfahren gruben und bohrten kilometerlange Stollen. Diese sind aber erst seit dem

19. Jahrhundert kartografisch festgehalten worden, und im Zweiten Weltkrieg ist auch viel zerstört worden. Deshalb haben wir jetzt das Problem, dass viele Erkenntnisse nicht vorliegen.

Im Unterausschuss Bergbausicherheit haben wir bereits einen Bericht zu den Tagesbrüchen rund um die S-Bahn-Linie 6 in Essen gehört. Aktuell wird dieser Bergschaden, der zu Ausfällen von Haltestellen führt, behoben. Die wichtige Bahnverbindung – gerade für die Essener – soll schnellstmöglich wieder störungsfrei laufen, wobei uns ganz wichtig zu betonen ist, dass in diesem Fall Sorgfalt vor Schnelligkeit geht, damit die Sicherheit der Passagiere gewährleistet ist.

Bereits 2015 und 2013 waren massive Störungen auf der Bahnstrecke zu verzeichnen. Auch die A45 im Jahr 2012 soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Fast drei Wochen zog sich die Sperrung hin.

Nach dem Kenntnisstand der Bergbaubehörde NRW sind in den Jahren 2005 bis 2016 innerhalb der bestehenden Steinkohlebergbauberechtigung 1.696 Tageseinbrüche aufgetreten. Das ist eine sehr hohe Anzahl. Hinzu kommen noch die 201 Tagesbrüche, die keinem Unternehmen zuzurechnen sind und damit in der Verantwortung von NRW liegen.

Die Bürgerinnen und Bürger in NRW vor solchen altbergbaulichen Hinterlassenschaften zu schützen, also nicht nur anlassbezogen, sondern auch präventiv Maßnahmen zu ergreifen, das ist im Rahmen des Risikomanagements vorgesehen, was auch der Großen Anfrage zu entnehmen ist.

Die Bergbaubehörde erfasst die Risse digital und erstellt Karten der altbergbaulichen Hinterlassenschaften. Sie will dort auch moderner werden, indem sie das neue und moderne Risswerkarchiv aufbessert.

Ja, hier könnten wir noch schneller vorankommen. Doch alles braucht seine Zeit, und oftmals fehlen leider die Experten, die so etwas in einer kurzen Zeit auf sich nehmen können.

Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, das beschäftigt das Hohe Haus schon seit vielen Jahren. Aber Ihre Anfrage, die Sie in der Regierungszeit von Ministerpräsident Rüttgers gestellt haben, brachte ungefähr die gleichen Antworten hervor.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sorgen macht mir allerdings – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Antwort der Landesregierung –:

„Bereits heute steht fest, dass eine vollständige und exakte Bestimmung der Gesamtanzahl der verlassenen Tagesöffnungen des Bergbaus und der von bergbaulichen Hohlräumen betroffenen Fläche des Landes nicht möglich ist.“

Für die NRW-Koalition kann ich festhalten, dass wir sehr daran interessiert sind, dass die Bergbauhörde

mehr Erkenntnisse über die altbergbaulichen Hinterlassenschaften gewinnt. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2016 sind ca. 53,1 Millionen € aus dem Landeshaushalt in das Präventivprogramm geflossen.

Deshalb dürfen wir nicht müde werden, in Zukunft auf Prävention zu setzen, und sollten nicht nur bei konkreten Schadensereignissen handeln. Damit gehen für uns auch eine Qualitätssicherung bei der Erfassung und Mindeststandards, die bei der Erfassung möglich sind, einher.

Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es daher, uns für die Sicherheit der Menschen in den betroffenen Regionen einzusetzen. Wie wir im Koalitionsvertrag der NRW-Regierung festgestellt haben, wollen wir die Rechte aller Bergbaubetroffenen schützen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir treten für eine effektive Bergbausicherheit ein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich freue mich, dieses Thema zusammen mit den Kollegen der CDU-Fraktion und allen anderen Kollegen im Unterausschuss Bergbau weiterhin zu begleiten. Frau Brems danke ich für die freundliche Einladung, dort konstruktiv zusammenzuarbeiten. Das bestätigt meine ersten Eindrücke aus dem Unterausschuss. Ich freue mich, wenn wir das so fortsetzen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Plonsker. – Als nächster Redner erhält Kollege Schneider für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Sollen wir klatschen? – Beifall von Wolfgang Jörg [SPD], Thomas Göddertz [SPD] und Michael Hübner [SPD])

Vielen Dank für den Applaus. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich zu Hause davon erzähle, dass ich im Unterausschuss Bergbausicherheit arbeite, dann ernte ich immer wissende Blicke und ein Nicken. Der eine oder andere sagt: Na ja, Ende des Jahres hast du dann ja nicht mehr viel zu tun.

Dabei gibt es natürlich auch nach dem Ende der Steinkohleära aktiven Bergbau in Nordrhein-Westfalen. Es wird weiterhin den Steinsalzbergbau geben. Insofern ist die Tradition des Bergbaus in NordrheinWestfalen auch zum Ende des Jahres lange nicht vorbei.

Aber auch sonst wird uns der Bergbau bis weit über das Jahr 2018 hinaus beschäftigen. Die Antwort auf die Große Anfrage, über die wir heute diskutieren,

zeigt eine dieser Facetten auf. Knapp 70 Seiten lang ist das Dokument, für dessen Erstellung ich zuallererst der Bergbehörde NRW danken möchte, die heute hier auch vertreten ist. Vielen Dank für diese Arbeit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

In großer Fleißarbeit haben Sie die Antworten zusammengetragen. Unterstützt wurden Sie dabei nicht nur vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, sondern von zahlreichen weiteren Stellen sowie von den Altgesellschaften, die zum Teil als Rechtsnachfolger einstiger Bergwerksunternehmen bis heute Sorge dafür tragen, dass in ihrem Beritt keine Unfälle passieren. Ihnen allen herzlichen Dank für diese Arbeit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP – Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sicherlich verlangt bereits das laufende Geschäft der Bergbehörde NRW – davon bekommen wir im Unterausschuss immer einen Eindruck – mehr als genug Arbeit ab. Genau wegen dieser enormen zusätzlichen Arbeitsbelastung sind wir Parlamentarier immer gehalten, vor dem Stellen einer Großen Anfrage zu hinterfragen, in welcher Relation Aufwand und Nutzen letzten Endes stehen.

Es reicht deshalb nicht aus – das haben meine Vorrednerinnen gerade schon dargestellt –, nur die Beantwortung zur Kenntnis zu nehmen und heute die eine oder andere Besonderheit zu diskutieren.

Aus diesen Berichten müssen wir auch Konsequenzen ziehen. Denn hinter den schier unglaublichen Zahlen von beispielsweise mehr als 2.500 Schächten, die heute keinem Eigentümer mehr zuzuordnen sind und deshalb vom Land NRW gesichert werden müssen, steckt schlicht und einfach eine Herkulesaufgabe, vor der das Land und die Bergbehörde in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stehen werden.

„Die Sau wird nicht vom Wiegen fett“, sagt ein altes Sprichwort. Das ist wahr. Denn ob jede der uns nun vorliegenden Zahlen exakt so stimmt oder ob es im Detail leichte Abweichungen gibt, ist gar nicht so entscheidend. Aber eines ist sicher: Es handelt sich hier um ein Problem, das umso gravierender ist, weil es unsichtbar in der Tiefe schlummert.

Ganz unvermittelt können aufgrund altbergbaulicher Aktivitäten Brüche auftreten. Schlimmstenfalls könnten Menschen zu Schaden kommen. Sachbeschädigungen und Beeinträchtigungen wie beispielsweise erst im vergangenen Jahr am Essener Hauptbahnhof sind weitere mögliche Konsequenzen. Umso wichtiger wird es sein, nach dem Wiegen auch endlich die Sau fett zu machen.

Ich möchte deshalb drei zentrale Punkte nennen, die wir im Unterausschuss in den kommenden Monaten

diskutieren und zur Entscheidung vorbereiten müssen.

Was immer wieder im Bericht hervorscheint und zum Schluss auch sehr konkret als Forderung von der Bergbehörde formuliert wird, ist der Wunsch nach einer restriktiveren Gesetzgebung oder besser danach, in der Sache überhaupt etwas gesetzlich zu regeln.

Es gibt beispielsweise derzeit noch nicht einmal eine rechtliche Verpflichtung Dritter, ihre Untersuchungsergebnisse und Sicherungsmaßnahmen bei der Bergbehörde anzuzeigen. So kann jedes Unternehmen nach eigenem Gutdünken verfahren. Die Unterteilung in Risikoklassen geschieht genauso individuell wie das Verfahren, mit dem die Unternehmen Tagesbrüche verfüllen oder sonstige Sicherungsmaßnahmen vornehmen. Ob dies nach dem neuesten Stand der Technik geschieht, spielt dabei keine Rolle.

Von einem umfassenden und nach allgemein gültigen Kriterien aufgestellten Kataster aller infrage kommenden Hotspots sind wir weit entfernt.

Auch wenn sich alle betroffenen Unternehmen des Themas eigenverantwortlich angenommen haben, Risikobewertungen vornehmen und Schächte sichern, schadet es sicherlich nicht, dies auch gesetzlich vorzuschreiben mitsamt einer Vorgabe der notwendigen Standards. Diese sollten nicht nur im Hinblick auf das Wie der Verfüllung und Sicherung festgelegt werden, mindestens ebenso wichtig sind allgemeingültige Datenstandards bei der Risikoanalyse.

Es wäre doch ein Witz, wenn alle Beteiligten unterschiedlich vorgingen und ein Zusammenführen der Datenbestände nicht mehr möglich wäre. Solche Normen – oder zumindest deren Einführung – müssen wir gesetzlich beschließen. So weit sind wir völlig d‘accord mit der Meinung der Landesregierung zum Thema „Gesetzgebung“.

Nicht einverstanden bin ich jedoch mit dem Vorschlag der Bergbehörde – ich zitiere –, „im Rahmen einer gutachterlichen Untersuchung insbesondere zum rechtlichen Regelungsbedarf Lösungsansätze entwickeln zu lassen …“ Meine Damen und Herren, Gutachter sollen keine Gesetze schreiben und auch nicht vorschlagen; das ist das Privileg der Legislative.

Den Grund, warum die Bergbehörde diese Arbeit dennoch outsourcen möchte, kann ich gleichwohl nachvollziehen. Das führt mich direkt zum zweiten Punkt.