Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Ich rufe auf:

2 Neue Groko, neuer Anlauf: Kinderlärm ist Zu

kunftsmusik – auch auf dem Sportplatz

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der SPD der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2561 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Weske das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich auf den Weg macht und die Bundes- und Landesgesetze

sowie die Verordnungen mit Blick darauf durchforstet, ob sie schon im 21. Jahrhundert angekommen sind oder nicht, stößt man dabei automatisch auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die dazugehörige Sportanlagenlärmschutzverordnung.

Ich möchte das Problem, um das es hier geht, anhand von zwei Beispielen deutlich machen.

Erstes Beispiel: Wenn man bei uns in Düsseldorf in der Roßstraße auf der rechten Seite auf den Kinderspielplatz geht, kann man da auf der Wiese Kinder beim Fußballspielen sehen. Dort dürfen sie so laut sein, wie sie wollen. Wenn sich die Kinder aber sagen: „Lasst uns einmal die Straßenseite wechseln und zur Bezirkssportanlage gehen; dort stehen Tore, und da kann man viel besser Fußball spielen“, dann gelten dort auf einmal Grenzwerte, was den Lärm anbelangt. Die Kinder müssen leiser sein als der Lkw, der auf der Straße vorüberfährt. Das ist wirklich blanker Unsinn.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweites Beispiel – auch daran wird sehr gut deutlich, warum wir hier einen dringenden Erneuerungsbedarf sehen –: Wenn im Rahmen der offenen Ganztagsschule nachmittags um 14 Uhr auf einem Sportplatz ein Sportangebot stattfindet, dürfen die Kinder so laut sein, wie sie wollen, weil es sich um eine schulische Veranstaltung handelt.

Stellen Sie sich nun die Situation einen Tag später vor: dasselbe Kind, derselbe Sportplatz, vielleicht sogar derselbe Übungsleiter – nur geschieht das Ganze jetzt im Rahmen des Vereinssports. Dann gelten auf einmal wieder Grenzwerte hinsichtlich des Lärms. Meine Söhne spielen beim Lohausener SV, und der hat sein Gelände in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens. Die Kinder müssen beim Training leiser sein als das Flugzeug, das gerade über ihnen startet.

Das sind die Widersprüche, mit denen wir es hier zu tun haben. Deswegen habe ich am 13. März 2018, als unsere Kollegin Svenja Schulze ihren letzten Arbeitstag hier hatte, die Chance ergriffen und gesagt: Wenn du jetzt Bundesumweltministerin wirst, nimm dich dieser Sache bitte noch einmal an.

Die Veränderungen, die während der letzten GroKo stattgefunden haben, waren ein erster Schritt. Aber es war eben nicht der große Wurf, den wir uns alle erhofft haben. Daher habe ich auch gesagt: Ich werde mir über Ostern die Zeit nehmen, einen Antrag zu formulieren. Dann werden wir aus NordrheinWestfalen den Stein noch einmal ins Wasser werfen, um zu einer guten und vernünftigen Veränderung zu kommen.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei CDU, FDP und Grünen dafür, dass auch sie sich diesem Antrag anschließen. Meine Hoffnung ist groß, dass unsere Kol

leginnen und Kollegen im Bundestag sich dann dieser Sache annehmen werden und mit derselben Einigkeit das Bundes-Immissionsschutzgesetz ändern werden.

Im Übrigen kann so etwas auch ganz schnell gehen. Ich erinnere nur an die Fußballweltmeisterschaft 2006. Nachdem man kurz vorher festgestellt hatte, dass das Endspiel wegen der gesetzlichen Vorschriften zur Sonntagsruhe und anderen Regelungen leider überhaupt nicht stattfinden kann, haben unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag das Gesetz über Nacht sehr schnell geändert, damit bei unserer WM auch das Endspiel stattfinden konnte.

Insofern spricht eigentlich nichts dagegen, dass wir innerhalb einer kurzen Zeit endlich für eine gute Lösung sorgen. Kinderlärm ist Zukunftsmusik, auch auf dem Sportplatz. – Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weske. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Nettekoven.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wegen Kinderlärm vom Sportplatz: Nachbarn wollen Gemeinde verklagen“, „Sportplatz am Wochenende gesperrt“, „Immer wieder Ärger mit den Nachbarn“: Das sind drei Überschriften aus unterschiedlichen Zeitungen, wie sie bestimmt jeder von uns in ähnlicher Art und Weise auch schon in seiner Zeitung gelesen hat.

Meine siebenjährige Tochter spielt gerne mit ihren Freunden auf Spielplätzen, auf dem Schulhof und auch auf der angrenzenden Sportanlage. Sie hat auch gerne im Kindergarten mit ihren Freunden gespielt. Kinder spielen immer und überall. Kinder sollen auch immer und überall spielen können.

Nur macht das Bundes-Immissionsschutzgesetz in § 22 Abs. 1a einen Unterschied, wo Kinder wie meine Tochter Lisa mit ihren Freunden spielen – damals in der Kita, heute auf den Kinderspielplätzen, auf den Ballspielplätzen oder auf der Sportanlage.

Kollege Weske hat es eben schon ausgeführt: § 22 Abs. 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt für von Kindern verursachten Lärm, der von Spielplätzen, Kindergärten oder ähnlichen Bereichen auf die Nachbarschaft einwirkt. Dieser Absatz bestimmt:

„Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei

der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“

Diese Privilegien erstrecken sich auf alle Geräuscheinwirkungen durch kindliche Laute wie Singen, Weinen, Rufen oder auch Kreischen. Außerdem werden die Geräuscheinwirkungen durch die körperliche Aktivität wie Spielen, Rennen und Tanzen geschützt, selbst wenn die eigentliche Geräuschquelle in kindergerechten Spielzeugen, Bällen oder Spielgeräten liegt.

Auch wenn der Bundesgesetzgeber im Januar 2017 die Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung, kurz SALVO, beschlossen hat und somit mehr Lärm an Sportanlagen zulässig ist: Meine Tochter singt, weint, ruft, kreischt, spielt, rennt und tanzt auch auf dem Jahnplatz in Lüttringhausen. Das ist eine Sportanlage. Daher sollte auch auf diesen Sportanlagen, die unter anderem durch Kinder genutzt werden, der § 22 Abs. 1a BImSchG und nicht die für den Erwachsenensport geltende Begrenzung angewendet werden.

Wie soll ich meiner Tochter denn erklären, dass auf dem Kinderspielplatz am Jahnplatz ihr Singen, Rufen, Spielen und Rennen anders bewertet wird als auf der 5 m entfernten Sportanlage, dem Jahnplatz, und auf dem 50 m entfernten Schulhof ihrer Grundschule?

Meine Damen und Herren, Kinderlärm auf Sportanlagen ist der gleiche Kinderlärm wie Kinderlärm auf dem angrenzenden Kinderspielplatz und auf dem Schulhof. Deshalb soll er auch genauso behandelt werden.

Ich danke den Kollegen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP dafür, dass wir heute gemeinsam diesen Antrag stellen, um die Ungleichbehandlung zu beenden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nettekoven. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Terhaag.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sport ist nicht nur Bewegung; Sport ist Begeisterung und Leidenschaft. Wir schreien zu Hause den Fernseher an, wenn unsere Mannschaft spielt oder unsere Athleten Wettkämpfe austragen, und bringen diese Emotionen erst recht in die Sportanlagen und -hallen mit.

Kindern und Jugendlichen geht es auf ihren Sportplätzen nicht anders. Daher starten wir zum wiederholten Male eine breite parlamentarische Initiative, um überholten Lärmschutzauflagen die Rote Karte zu zeigen.

Für uns Liberale ist Sport keine Lärmbelästigung – erst recht nicht, wenn er von Kindern und Jugendlichen ausgeht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die klare Botschaft, die wir an die neue Bundesregierung richten, lautet: Für Lärm von Kindern und Jugendlichen auf Sportplätzen darf es keine Obergrenze geben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Denn gerade Kinder und Jugendliche brauchen Räume der Bewegung. Hierfür sind Sportanlagen – egal ob innerörtlich oder randstädtisch – am besten geeignet.

Die Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung, kurz SALVO, vom 26. Januar des letzten Jahres war halbherzig. Denn abgesehen von der Aufrechterhaltung des Altanlagenbonus sind die Richtwerte für die abendlichen Ruhezeiten sowie für die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15 Uhr lediglich um 5 dB(A) erhöht worden. Diese Richtwerte sind denen von tagsüber angeglichen worden.

Die jetzige SALVO vermittelt uns einen überholten gesellschaftlichen Zeitgeist. Mit einer solchen Regelung verdrängen wir Kinder und Jugendliche von den innerörtlichen Sportanlagen.

Wir halten es für unzumutbar, von Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern zu erwarten, dass Bewegung nur am Siedlungsrand möglich ist. Das steht den Bemühungen der sozialen Integration aller Altersgruppen im Grundsatz entgegen.

Hierunter leiden in erster Linie die Kinder und Jugendlichen, aber auch die Vereine und Kommunen. Darüber hinaus ist es gerade ihnen schwer zu vermitteln, weshalb sie sich in Kindertagesstätten oder auf Spielplätzen frei entfalten können, aber auf Sportanlagen unhörbar sein müssen.

Die im letzten Jahr im Bundesrat vorgeschlagene Regelung zur Privilegierung von Kinderlärm auf Sportanlagen ist ein begrüßenswerter Vorschlag gewesen. Deshalb fordern wir diesen erneut als gemeinsame Bundesratsinitiative ein und hoffen, dass die neue GroKo dieses Zukunftsthema wahrnimmt und entsprechend handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Terhaag. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Paul.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder sind zwar kleine

Menschen, diese kleinen Menschen können aber ziemlich großen Lärm verursachen. Der Lärm, der von Kindern zuweilen ausgehen kann, ist von der Dezibelzahl her ungefähr mit einer kreischenden Kreissäge vergleichbar.

Trotzdem sollte einer Gesellschaft Kinderlärm durchaus angenehmer sein als der Lärm einer kreischenden Kreissäge. Das heißt: Der Titel „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ ist vielleicht ein bisschen pathetisch, nichtsdestotrotz aber gut gewählt.

Denn allen ist klar – meine Vorredner haben auch schon deutlich gemacht, dass uns das allen wichtig ist –, dass Kinder sich bewegen und dabei auch Lärm machen können. Kinder lernen über den Sport und die gemeinsame Bewegung auch wichtige soziale Kompetenzen.