Unterstützung von Alleinerziehenden heißt auch die Stärkung von Hilfen aus einer Hand. Auch hier kann das Land modellhaft vorangehen und Kommunen dabei unterstützen, dass Informationen und Beantragung von Sozialleistungen deutlich erleichtert werden, und zwar in Form von kommunalen Familienbüros. Auch das kann man modellhaft unterstützen, damit die Sozialleistungen aus einer Hand kommen und die Leistungen damit auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
Zum Schluss muss man noch auf eines hinweisen: Das Beste gegen Armut und das, was Familien und Alleinerziehende am besten unterstützt, ist das Ziel der eigenständigen Existenzsicherung. Dabei ist Erwerbsarbeit eine wichtige Voraussetzung. Über die Betreuungssituation und das KiBiz haben wir heute schon ausführlich diskutiert, und das werden wir auch weiterhin tun. Ich will das jetzt nicht alles wieder aufrollen, sondern nur sagen, dass das natürlich auch ein wichtiger Baustein ist.
Die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses ist zwar gut, allerdings will ich auch sehr deutlich sagen, dass das Nichtzahlen von Unterhalt kein Kavaliersdelikt ist. Diejenigen die unterhaltspflichtig sind, sollten ihrer Verantwortung nachkommen, und das sollten wir auch nachdrücklich als Gesellschaft einfordern.
Neben der Betreuung ist die Zeit ein wichtiger Faktor; denn insbesondere Alleinerziehende brauchen Flexibilisierung, und zwar nicht in dem Sinne von Flexibilisierung, dass sich Familien und Betreuung immer an die Gegebenheiten von Wirtschaft anpassen müssen, sondern im Gegenteil. Der Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt müssen sich so flexibilisieren, dass Familie lebbar ist und insbesondere für Alleinerziehende mit einer extremen Verdichtung an Zeit und an Ansprüchen erlebbar und gut lebbar ist.
Dementsprechend brauchen wir endlich flexible Vollzeitmodelle. Wir brauchen ein echtes Rückkehrrecht, und wir müssen auch im Bereich von Kinderzeit und Elternzeit neue Modelle denken, die es ermöglichen, nach dem ersten Lebensjahr und vielleicht auch an Übergängen, wie zum Beispiel zur Schule, die Kinder besser zu unterstützen. Ein solches Paket würde Alleinerziehenden helfen.
Dort können wir auf Landesebene unseren Beitrag leisten. Wir können uns aber auch auf Bundesebene dafür einsetzen, und dafür plädieren wir. Sie als Landesregierung sollten die Situation für Alleinerziehende nachhaltig verbessern. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Kollegin Dworeck-Da- nielowski das Wort. Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es heute schon häufiger gehört: Wer seine Kinder alleine großzieht, hat es nicht leicht. Alleine die Betreuung von einem oder mehreren Kindern zu organisieren, sämtliche Erziehungsfragen mit sich selber auszumachen, mit allen Sorgen und Nöten, aber auch mit der Freude und dem Stolz über den eigenen Nachwuchs oft alleine dazustehen, kann sehr belastend sein.
Häufig ist da eine auskömmliche Berufstätigkeit kaum zu realisieren. Wie kürzlich die Zeitung „Die Welt“ berichtet hat, schneiden insbesondere die Alleinerziehenden bei der Vermögensbildung am schlechtesten ab. Neben der Belastung für die alleinerziehende Mutter oder den alleinerziehenden Vater führt das vor allem dazu, dass die Kinder schlechtere Chancen im Leben haben als die Kinder, die in einer herkömmlichen Familie aufwachsen, zumindest rein statistisch.
Besonders bedauerlich ist unserer Meinung nach der Umstand, dass die familiäre Lebensform „Alleinerziehende“ stetig wächst; Sie haben das auch in Ihrem Antrag geschrieben. Das ist bedenklich und auch alarmierend. Es macht neben dem Handlungsbedarf, der ohne jeden Zweifel vonnöten ist, um Alleinerziehende zu unterstützen, doch eines deutlich: Das Leben im Familienverbund ist nach wie vor die beste Daseinsvorsorge. Kinder, die in einem Familienverbund aufwachsen, haben bessere Chancen.
Die Entscheidung, in welcher familiären Lebensform ein jeder lebt, ist natürlich höchstpersönlich, und manchmal hat man sie auch gar nicht freiwillig gewählt. Da es uns insbesondere um das Wohlergehen und die Chancen von Kindern geht, begrüßen wir einige Ihrer Vorschläge für die Unterstützung und Beratung alleinerziehender Eltern.
Allerdings müssen wir vor diesem Hintergrund auch auf einige Entwicklungen hinweisen, wie zum Beispiel kürzlich im Stern-Magazin „NEON“ propagiert: „Single Mom by choice“ mit der unsäglichen Überschrift „Ich bin schwanger geworden, ohne dass ein Mann auf mir lag“. Das sehen wir doch sehr kritisch; denn die Entscheidung für diesen individualisierten Lebensentwurf wird mittelfristig vermutlich nicht die reine Erfüllung finden und dann zur Belastung werden. Am Ende sind die Leidtragenden wieder die Kinder.
Die Unterstützungsleistungen, die Sie vorschlagen, finden, wie gesagt, teilweise auch unsere Zustimmung. Interessant ist, dass hier wiederum die Gut
scheine für haushaltsnahe Dienstleistungen auftauchen. Das scheint ein Liebling von Ihnen zu sein. Kürzlich wollten Sie diese noch den Start-Up-Eltern angedeihen lassen.
Wir favorisieren steuerrechtliche Entlastungen, natürlich auch das Familiensplitting, von dem auch die Alleinerziehenden profitieren. Sie haben ja völlig recht, das Ehegattensplitting ist in dieser Hinsicht überholt. Alleinerziehende Mütter und Väter brauchen unsere Unterstützung als Solidargemeinschaft.
Vielleicht brauchen aber auch Paare und Familien unsere Unterstützung, damit sie Krisen überstehen und die Höhen und Tiefen ihrer Partnerschaft meistern. Möglicherweise ist im Laufe der Zeit hier eine Fähigkeit verloren gegangen. Ihr Antrag dokumentiert, dass es sich insbesondere für die Kinder lohnt, diese Fähigkeiten auch wieder zu fördern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Ich komme gleich auf den Punkt. Meine Hauptkritik an Ihrem Antrag: Sie wollen Linderung für Schmerzen, die aus Fehlentwicklungen resultieren, die Ihre bisherige Familien- und Sozialpolitik mit zu verantworten hat – eine Politik, die von einer Ideologie geprägt ist, die sich zunehmend als familienfeindlich erweist.
Die von Ihnen seit Jahrzehnten beförderte Politik hat leider viel mit zerbrochenen Familien, der hohen Zahl Alleinerziehender, der Verarmung dieser Menschen und ihrer Zerrissenheit zwischen Elternschaft und Beruf zu tun. Aber gehen wir einmal an die Wurzel. Mehr echte Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung, was die große Mehrheit der Mütter in Form von Eigenbetreuung des eigenen Nachwuchses auch so möchte – also das anerkannt Beste für unsere Kleinsten –, passt eben nicht in Ihr Schmalspurdenken.
Ich habe den derzeitigen deutschen Vizekanzler und Bundesfinanzminister an dieser Stelle schon einmal zitiert, und das tue ich mit Erlaubnis des Präsidenten heute nochmals. Ich zitiere:
Familienfeindlicher kann man da kaum denken. – Art. 6 Grundgesetz beginnt seit nunmehr 70 Jahren mit den Worten:
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“
Und wenn da steht: „Über ihre“ – also die elterliche – „Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“, liebe Sozialdemokraten, dann hatten die Verfassungsväter und -mütter dabei sicher nicht die Idee von einem Staat vor Augen, der für sich die Lufthoheit über den Betten unserer Kinder einfordert.
Sie wollen die Lage vieler Familien und Alleinerziehender wirklich verbessern? – Dann mindern Sie ihnen den materiellen Druck und senken Sie endlich deren Steuerlast, und zwar erheblich. Wenn die Familien als Keimzellen der Gesellschaft mehr Netto vom Brutto haben und wieder eigenverantwortlicher agieren können, wird es den Familien besser gehen.
Nur so kommen wir in eine Phase, in der die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zurückgeschraubt werden können. Weniger „Nanny-Staat“, mehr Eigenverantwortung, mehr beständige Familien und dadurch eben weniger Alleinerziehende – damit käme man an die Wurzel des Problems.
Die Ansätze in der KiBiz-Reform wollen Sie gar nicht anerkennen. Mit Ihrem Antrag versuchen Sie nur, mitverschuldete Problemsymptome zu lindern.
Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alleinerziehend zu sein, bedeutet immer noch, vor große Herausforderungen gestellt zu werden. Von den rund 1,8 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in Nordrhein-Westfalen sind rund 330.000 alleinerziehende Mütter und Väter. Sie machen etwa 18 % aller Familienformen in Nordrhein-Westfalen aus. Dabei bleiben 88 % der Kinder nach einer Trennung im Haushalt der Mutter.
Die Landesregierung fördert Familien in all ihrer Vielfalt und stellt sie deshalb auch genau dorthin, wo besonderer Unterstützungsbedarf gefragt ist. Mit rund 21 Millionen Euro jährlich fördern wir Familienberatungsstellen, die Hilfestellung rund um das Thema „Familie“ anbieten. Damit halten wir in NordrheinWestfalen ein flächendeckendes bedarfsgerechtes Angebot vor.
Sie bieten alleinerziehenden Müttern und Vätern Unterstützung in allen Fragen der Erziehung, bei der Gestaltung des Alltags und in besonderen Problemlagen. Wir wissen, dass Alleinerziehende dieses Angebot auch nutzen. Jährlich sind rund 21.000 der abgeschlossenen Fälle Beratungen von Alleinerziehenden. Sie machen ein Fünftel der Beratung aus.
Bei Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen sich Alleinerziehende größeren Herausforderungen stellen als Paarfamilien. Deshalb profitieren sie in besonderem Maße von der Reform des Kinderbildungsgesetzes. Mit dem „Pakt für Kinder und Familien“ wird die Landesregierung flexiblere Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen und bedarfsgerechte Betreuungsangebote in den sogenannten Randzeiten schaffen. Zusatzangebote in der Kindertagespflege beispielsweise ermöglichen die Betreuung von Kindern, deren Eltern Schicht- und Nachtdienste leisten.
Insgesamt hat die Landesregierung mit dem „Pakt für Kinder und Familien“ beschlossen, ab dem Kitajahr 2020/2021 jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro zusätzlich an Landes-, Kommunal- und, Herr Maelzer, Bundesmitteln in die Kindertagesbetreuung zu investieren.
Selbstverständlich hat sich die Landesregierung auch der Problematik alleinerziehender Mütter und Väter bei Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung sowie beruflicher Weiterbildung angenommen.
Seit 2008 unterstützt das Land die Teilzeitberufsausbildung durch das Förderprogramm TEP, „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“, und zur Umsetzung fließen jährlich rund 2,8 Millionen Euro aus ESF- und Landesmitteln.
Mit dem „Bildungsscheck NRW“ fördert die Landesregierung darüber hinaus die Teilnahme von Alleinerziehenden an beruflicher Weiterbildung, zum Beispiel auch e-Learning-Seminare, die im Homeoffice besucht werden können.
Auch an Überlegungen zu Fragen der möglichen Einführung einer Kindergrundsicherung beteiligt sich die Landesregierung. Sie sind Gegenstand einer länderoffenen Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, in der auch Nordrhein-Westfalen vertreten ist. Eine der Aufgaben der Arbeitsgruppe besteht darin, alle bereits existierenden Konzept- und Zielvorstellungen zu einer besseren und zugleich effektiveren Unterstützung armutsgefährdeter Kinder zu sammeln, zu sichern und unter Einbeziehung externen Sachverstands zu bewerten, um gegebenenfalls auch ein eigenes Modell zu entwickeln.
Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für alleinerziehende Mütter und Väter zählt zu den Kernanliegen dieser Landesregierung. Ressortübergreifende Zusammenarbeit ist dabei selbstverständlicher
Teil alltäglichen Regierungshandelns. Wir packen an, aber wir wissen auch, dass wir bei diesem wichtigen Themenfeld weiterhin viel zu tun haben. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/6254 an den Ausschuss für Frauen und Gleichstellung – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Beratung und Abstimmung erfolgt im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung.
Merkt schon keiner mehr. Gibt es Enthaltungen? – Nein. Einstimmig so überwiesen. Ich habe es genau gesehen.