Ein mir besonders wichtiger Aspekt ist die medizinische Versorgung von Obdachlosen. Menschen, die auf der Straße leben, sind nicht nur von unzureichenden hygienischen Bedingungen, sondern meist auch von mehreren chronischen Erkrankungen betroffen. Meistens haben sie Hauterkrankungen oder eine COPD. Viele von ihnen sind zwar krankenversichert, scheuen aber den Besuch einer regulären Arztpraxis.
Deshalb gibt es inzwischen in einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen spezialisierte, niedrigschwellige Angebote für wohnungslose Menschen. Unser
Land war mit dem Finanzierungskonzept unter Beteiligung von Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Kommunen Vorreiter beim Aufbau aufsuchender medizinischen Hilfen durch die mobilen Dienste.
Daneben gibt es auch spezialisierte Praxen für Obdachlose wie hier in Düsseldorf oder zu Hause in meinem Heimatskreis. Wir wollen derartige gezielte Versorgungsangebote im Land weiterverbreiten und den Ausbau weiterer mobiler Dienste anstoßen.
Zudem haben wir bereits im letzten Jahr die Gesundheitsversorgung von Wohnungslosen mit zusätzlichen Landesmitteln zur Anschaffung medizinischer Geräte unterstützt. Mit der Landesinitiative wollen wir darüber hinaus die Suchthilfeberatung für wohnungslose Menschen stärken.
Im Verlauf der Redebeiträge hat sich eine Art „Baudebatte“ entwickelt. Werte Kolleginnen und Kollegen vor allem der Opposition, gegen Wohnraumknappheit hilft vor allem eins, nämlich der Bau von Wohnungen.
(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Ja, genau! Sehr differenzierte Aussage! – Gegen- ruf von der FDP)
Wenn Sie aber permanent dagegen arbeiten und die Auflagen immer weiter hochfahren wollen, helfen Sie nicht dabei, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Wir haben entfesselt, und wir wollen, dass gebaut wird. Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen jeder Mensch ein vernünftiges Dach über dem Kopf hat. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Entgegen der vorab festgelegten Redereihenfolge bittet Herr Beckamp aus gesundheitlichen Gründen darum, dass zuerst Herr Ott spricht. Vielen Dank, Herr Ott.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen über zwei Gruppen: einerseits über die Menschen, die drohen, wohnungslos zu werden, andererseits über Obdachlose. Ich möchte gesondert darauf eingehen.
Für ihre Aufgaben benötigen die Kommunen, der Sozialstaat vor Ort, natürlich die nötige finanzielle Unterstützung. Es geht darum, bei drohendem Wohnungsverlust auf die Unternehmen zuzugehen und mit den Unternehmen gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht wohnungslos werden.
Es gibt dazu ein Mittel – in meiner Heimatstadt wird das häufig angewandt –: die Zwangsbeschlagnahmung.
Allein bei den kommunalen Wohnungsunternehmen sind dort 460 Wohnungen momentan zwangsbeschlagnahmt. Wie viele es in ganz NRW sind, weiß ich nicht. Ich muss Ihnen allerdings sagen, Herr Minister, dass es selbstverständlich wesentlich sinnvoller ist, wenn die Kommunen zu diesem Mittel greifen, als dass Familien auf der Straße landen und obdachlos werden.
Ich erwarte von den Kommunen, dass sie Belegrechtsverträge mit allen Unternehmen schließen, um in der Lage zu sein, diejenigen, die schon obdachlos sind oder sich in Notsituation befinden, unterbringen zu können. Dazu gibt es das Instrument der Belegrechtsverträge. Die müssen geschlossen werden.
Nun zur Verantwortung der Unternehmen. Herr Preuß hat gerade vorgetragen, wie toll es ist, wenn ein Unternehmen ein Sozialmanagement hat. Frühzeitiges Sozialmanagement erwarte ich von Großunternehmen wie Vonovia, LEG und Vivawest. Sie müssen das selbst anbieten, und deren Sozialmanagement muss auf die Kommunen zugehen.
Ich erwarte von solchen Unternehmen auch, dass sie gemeinsam überlegen, wie gute Lösungen aussehen können – das haben Sie selbst beschrieben. Warum sollten sie dafür finanziell unterstützt werden? Das haben sie einfach zu tun. Bei kleineren Wohnungsunternehmen müssen es vernünftige Forderungsmanagementabteilungen sein, die sich darum kümmern. Eine Forderung, die ich über Jahre nicht eintreiben kann, verursacht am Ende nämlich noch mehr Kosten. Es macht also auch betriebswirtschaftlich Sinn, im Rahmen eines Forderungsmanagements Ratenzahlungen und andere Dinge von vornherein mitzudenken. Das liegt in der Verantwortung des Rheinischen Kapitalismus in der sozialen Marktwirtschaft von Unternehmen.
Es ist auch zu beachten – und das hat der Minister andeutungsweise getan, allerdings hat er es in Verbindung mit dem Müllthema stark verkürzt –, dass die meisten der Menschen, deren Wohnungen zwangsbeschlagnahmt werden, arm sind. Es gibt aber unter den von Zwangsbeschlagnahmung Betroffenen auch Leute, die das ganze Viertel aufmischen. Ich habe mir selbst angeschaut, an welchen Stellen das der Fall ist.
Ich sage Ihnen ganz klar: Zu einem starken, solidarischen Sozialstaat gehört auch, dass diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten und die anderen terrorisieren, von den Wohnungsunternehmen und vom Staat gemeinsam Grenzen aufgezeigt bekommen. Das ist aber nur eine kleine Gruppe. Die Mehrheit möchte gerne wohnen und im Stadtteil mitwirken, und um die müssen wir uns kümmern.
Um deren Probleme geht es, Herr Minister. Ich bitte Sie, mal die Frage zu klären, was wir mit den SCHUFA-Einträgen machen. Die reale Welt ist, dass Menschen eventuell aufgrund von Sünden aus der Jugend – etwa aufgrund eines nicht bezahlten Handyvertrags – bei der Wohnungssuche nach hinten sortiert werden. Wenn 100 Menschen auf eine Wohnung kommen, dann wird nach dem einfachsten Kriterium „SCHUFA“ nach hinten sortiert.
Was ist außerdem mit Diskriminierung? Viele Menschen mit ausländischen Namen werden gar nicht erst zugelassen, sondern man verlässt sich eher auf einen Herrn Müller. Ob Herr Müller aber immer derjenige ist, der das Quartier nach vorne bringt, ist eine ganz andere Frage.
Des Weiteren müssen wir diesen Unternehmen, von denen wir gerade gesprochen haben, das Handwerk legen. Diese Unternehmen, die zum Teil – ich kann sie konkret benennen; wir haben hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen dazu zwei Jahre lang eine eigene Enquetekommission gehabt – das Geschäftsmodell Hartz IV systematisch genutzt haben, um arme Leute in Wohnungen hineinzupacken – ganze Hochhäuser voll –, haben sich dann nicht darum gekümmert. Die Wohnungen verkommen, man zieht weiter die Miete, weil der Staat ja fleißig zahlt.
Um das, was da passiert – nicht reparierte Toiletten, nicht reparierte Heizungen, nicht reparierte Aufzüge über Monate, sodass alte Menschen im Alter von 80 Jahren aus dem 20. Stock einfach nicht mehr aus den Häusern kommen –, muss man sich kümmern.
Ich bitte Sie als Sozialminister: Sorgen Sie dafür, dass die für SGB Zuständigen und die Jobcenter endlich an einem Strang ziehen! Solchen Unternehmen muss man beikommen, indem man als Staat die Miete kürzt, weil die Menschen es ja nicht können, weil sie die Miete gar nicht bezahlen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zum Thema „Obdachlose“: Mein Pastor – den kennen Sie auch; er ist auch CDU-Mitglied –, Franz Meurer, hat eine große Kampagne im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gestartet für ein Pärchen, das im Wald gewohnt hat.
Dann haben sich Vermieter gemeldet und haben diesem Pärchen eine Wohnung angeboten. Nach einem dreiviertel Jahr haben die die Wohnung zertrümmert. Die Vermieterin war entsetzt; sie hat doch versucht, sich zu engagieren. Das Ding ist gescheitert, trotz Begleitung durch den Kirchenmann.
Das Problem, das wir gemeinsam wahrnehmen müssen, ist: Es gibt Menschen, die Unterstützung brauchen. Sie schaffen es nicht alleine, wieder in ein geregeltes Wohnen zu kommen. Deshalb ist die Position, die ich immer wieder gehört habe, es gehe in der Wohnungspolitik um Beton, Schwachsinn. Nein, es geht auch um die soziale Begleitung gerade der Menschen, die nicht wohnfähig sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Und wenn CDU und FDP meinen, Soziale Stadt bedeutet, dass all die Menschen, die Schwierigkeiten haben, in bestimmten Stadtteilen wohnen und andere in anderen, so wie das Konrad Adenauer Junior, Chef von „Haus und Grund“, immer wieder öffentlich kundtut, dann sage ich Ihnen:
Soziale Stadt heißt, dass diese Menschen auch mit Wohnschwierigkeiten über die Städte verteilt werden. Deshalb ist es Aufgabe, dafür zu sorgen, dass, wenn Sie jetzt mit LEG, Vonovia und Vivawest sprechen, diejenigen, die über Jahre nicht investiert haben, die über Jahre nicht gebaut haben, die über Jahre Kohle ohne Ende abgezockt haben, sich jetzt nicht ein soziales Mäntelchen umhängen können. Das darf nicht passieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich erwarte, dass die Leerstände nicht nur dort gefüllt werden, wo Brennpunkte sind, sondern dass auch in anderen Wohnquartieren solche Wohngruppen beispielsweise für Obdachlose geschaffen werden. Das wäre richtig vernünftig.
Das heißt: Wo sind die Leerstände? Und wann bringen diese Unternehmen endlich ein vernünftiges Sozialmanagement? Ein vernünftiges Hausmeistermanagement würde an vielen Stellen auch schon reichen.
Herr Laumann, die LEG ist verkauft worden. Das Volksvermögen beträgt 6 Milliarden Euro. Das ist der Gewinn, der in der Zwischenzeit mit diesem Unternehmen gemacht werden kann. Da der uns jetzt nicht mehr zur Verfügung steht, sind die 6 Millionen Euro für Ihr Programm natürlich eine schöne Summe. Aber die Wahrheit ist: Sie haben mit Ihrem Bekenntnis zum Verkauf der LEG dazu beigetragen, dass wir in diese Situation gekommen sind.
An die grünen Kollegen gewandt, muss ich feststellen: Wenn Kollege Habeck jetzt die Verstaatlichung fordert, dann verlieren wir noch einmal 6 Milliarden Euro und haben für die Menschen immer noch nichts Besseres erreicht. Das kann auch nicht die Lösung sein, um das klar zu formulieren.
Herr Laumann, wie gesagt, ich finde das, was Sie machen, trotzdem persönlich vernünftig. Das will ich
wertschätzen. Der Applaus Ihrer Fraktion war begrenzt, in der ganzen Rede einmal Applaus mittendrin und einmal am Ende. Das zeigt die Bedeutung. Sie sind nur das Feigenblatt dieser NRW-Koalition, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Ministerin war gar nicht da. An dem Großteil der Debatte hat die für Wohnungsbau zuständige Ministerin gar nicht teilgenommen. Das ist das Verheerende. Für sie ist das wahrscheinlich – ich zitiere – „Sozialklimbim“, den wir hier diskutieren.
Beim Wohnungsbau sind wir vielleicht noch zusammen. Ich empfehle all denjenigen von der FDP, die hier gesagt haben, Wohnungsbau hilft: Sorgen Sie dafür, dass an der Basis mit Ihren Jamaika-Mehrheiten Wohnungsbau nicht verhindert wird! Ich kann Ihnen die Beispiele gleich gerne nennen, wenn Sie das möchten. Zu bezahlbarem Wohnen, um beim Thema „Mieterschutz“ und „Bekämpfung des Mietpreisanstiegs“ zu bleiben, ist von Ihnen nichts zu hören.
Gestern Abend haben wir beeindruckend erlebt, wie diese Ministerin, die sich Wohnungsbauministerin nennt, beim Treffen mit dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ihre Marktgläubigkeit dargestellt hat. Mit Marktgläubigkeit werden wir auch die Probleme der Obdachlosigkeit nicht lösen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sozialismus? – Das zeige ich Ihnen: rot-grüne Landesregierung 2016 9.301 geförderte Wohnungen in Nordrhein-Westfalen, schwarz-gelbe Landesregierung 2017 7.230, schwarz-gelbe Landesregierung 2018 6.159 – ein beeindruckendes Minus von 34 % im geförderten Wohnungsbau. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür schaffen Sie im Jahr 2018 611 Eigentumsmaßnahmen in diesem Land. Wenn das soziale Wohnungspolitik sein soll, dann weiß ich es wirklich nicht. Das ist ein Skandal, was hier passiert, und keine wohnungspolitische Glanztat.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Jo- sef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich! Was ha- ben Sie die ganze Zeit gemacht, als Sie an der Regierung waren? – Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)