Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hübner, ja, es ist nicht fair, wenn die Landesregierung Projekte, die von der Vorgängerregierung angestoßen worden sind, als ihren eigenen Erfolg verkauft. Allerdings gilt dies nicht nur für positive Projekte, sondern natürlich auch für Misserfolge.

Woher, Herr Hübner und Herr Mostofizadeh, kommen denn all die Arbeitslosen im Ruhrgebiet? Sie sprachen von 40.000 Arbeitslosen in Essen. Wer sind oder waren denn die großen Arbeitgeber im Ruhrgebiet? – E.ON, RWE, Steag, thyssenkrupp, Opel etc.

Warum, Herr Hübner und Herr Mostofizadeh, haben diese Firmen ihre Stellen denn abgebaut? – Zum Beispiel aufgrund der völlig aus dem Ruder gelaufenen Subventionen für Windindustrieanlagen und PVAnlagen, die den Strompreis auf Rekordhöhe gebracht haben. Andererseits ist der Preis für Unternehmen, die ihren Strom an der Börse verkaufen müssen und nicht staatlich garantierte Einspeisevergütungen bekommen – dazu zählt etwa RWE –, gesunken.

Die einen fahren Verluste ein, die anderen haben staatlich garantierte, hohe Renditen, nämlich die grüne Klientel. Im Ruhrgebiet, in Bochum und in Essen, packen sich die Lehrer PV-Anlagen auf ihr Dach und haben nicht ein einziges Windrad vor der Nase. Die Windkraftbranche baut im Moment extrem viele Stellen ab, weil die Subventionen wegfallen und diese einfach nicht wirtschaftlich sind.

(Heike Gebhard [SPD]: Nein, weil der Erlass so ist!)

Dafür ist die Versorgungskrise aber Realität.

Die Industrie baut weiter Stellen ab, weil die Versorgungssicherheit nicht mehr gegeben ist, nicht im Ruhrgebiet, aber nahe des Ruhrgebiets. Hydro Aluminium baut jetzt 500 Stellen ab.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegen- ruf Michael Hübner [SPD])

Herr Hübner, hören Sie mir doch zu und diskutieren Sie nicht, dann lernen Sie vielleicht noch etwas.

(Markus Wagner [AfD]: Bei dem ist das zu spät! – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Wollen Sie weiter diskutieren, oder lassen Sie mich reden?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Weiter diskutie- ren! – Zuruf von den GRÜNEN: Lieber weiter diskutieren!)

Ja, das können Sie machen, aber ich bitte darum, die Redezeit entsprechend anzupassen. Ich warte dann ab, bis Sie zu Ende diskutiert haben.

Deutschland stand im Juni schon dreimal vor dem Blackout, den wir nur abwenden konnten, weil wir Strom aus dem Ausland gekauft haben. CDU und FDP verschärfen das Problem noch. Damit holen Sie keine Unternehmen ins Land, sondern Sie vertreiben diese weiter und sorgen dafür, dass es im Ruhrgebiet noch mehr Arbeitslose geben wird.

Dafür kommen jetzt 75 neue Hochglanzprojekte für die Menschen im Ruhrgebiet, die ihnen aber in keiner Weise helfen werden. So werden jetzt zum Beispiel auch bereits vorhandene Ideen einfach der Ruhrkonferenz zugeordnet, wie zum Beispiel das Projekt „Start4Chem“, also für Chemie bzw. Chemical, von der Ruhr-Universität Bochum. Dort heißt es: „Das Gründungszentrum ‚Start4Chem‘ wird an das Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, angedockt“, also an die Ruhrkonferenz. Das nennt man neudeutsch „umlabeln“ oder auch „Alter Wein in neuen Schläuchen“.

Das Exzellenzcluster macht aber schon seit sieben Jahren mit mehr als 1.000 Publikationen und mehr als 200 internationalen Chemikern, Physikern und Ingenieuren einen guten Job. Jetzt verkauft die Uni das einfach mal im Rahmen der Ruhrkonferenz und wird infolgedessen sicherlich ein bisschen mehr Geld bekommen, und die Landesregierung kann das schön als neues Projekt verkaufen. Mich als Bochumer und Freund der Naturwissenschaften freut das Projekt ungemein, allerdings handelt es nun wirklich um keine neue Idee, sondern das läuft bereits im Rahmen der entsprechenden Universitätsallianz.

In Summe bleibt die absolute Schieflage zwischen dem, was Sie den Menschen im Ruhrgebiet versprechen, und dem, was diese eigentlich bräuchten. Die Menschen im Ruhrgebiet bräuchten unter anderem auch eine sichere Heimatstadt ohne Angsträume. Ein bisschen geht es gegen Clankriminalität, und das ist auch in Ordnung, aber es fehlt insgesamt an einem klaren Konzept. Die Clans brauchen keine warmen Worte. Ihr Konzept „Integration, Orientierung, Perspektiven!“ greift viel zu kurz.

Besser als Integration, Orientierung und Perspektiven wäre es, ausländische Straftäter konsequent abzuschieben, und bei deutschen Straftätern braucht es eine harte Hand vor Gericht und vor allem schnelle Gerichtsverfahren. Die Landgerichte aber haben mit der Verfahrensdauer große Probleme. Sie führen die Verhandlungen, wenn eine Strafe im Umfang von vier Jahren oder mehr erwartet wird. Es geht somit um schwere Straftaten.

Herr Reul und Herr Biesenbach, hier brauchen wir Lösungen, vor allen Dingen für die Städte mit einer hohen Kriminalitätsrate, zu denen insbesondere die Ruhrgebietsstädte zählen. Wenn Opfer und Täter sich noch über Monate oder gar Jahre begegnen, weil bei Gericht nichts passiert, dann führt das nur zu weiteren Konflikten.

Die Menschen im Ruhrgebiet brauchen eine Zukunft für ihre Kinder, und die gibt es vor allen Dingen mit einem Arbeitsplatz. Wie im ersten Teil meiner Rede angesprochen, beziehen sich nur drei von 75 Projekten auf das Thema „Arbeit“ und nicht ein einziges Projekt auf die Jugend.

Die Menschen im Ruhrgebiet brauchen ein angenehmes und bezahlbares Wohnumfeld, doch Wohnen kommt bei Ihnen nicht einmal als ein eigenes Cluster vor, es ist versteckt im Bereich „Heimat“, wo es nur um eine mögliche Verdichtung von Wohnraum geht. Wir im Ruhrgebiet leben zum Teil in kleinen Wohnungen ohne Balkon und kennen die Verdichtung schon. Noch mehr Verdichtung brauchen wir nicht.

Fazit: Die Ruhrkonferenz war nicht nur überflüssig, sie hat auch Ressourcen verschwendet – ein Stuhlkreis für die Landesregierung, eine Art Selbsthilfegruppe für Ideenlose. Jeder Malocher da draußen, der seinen Job aufgrund Ihrer Politik verloren hat, könnte Ihnen in fünf Minuten besser erklären, was das Ruhrgebiet braucht, als Sie es in den letzten anderthalb Jahren bei der Ruhrkonferenz herausgefunden haben. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Loose. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch dabei. Dann schließlich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1, der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf:

2 Gesundes Essen ist Kinderrecht: Gesunde

und nachhaltige Verpflegung für alle Kinder und Jugendlichen in Kita und Schule sicherstellen – einheitliche Qualitätsstandards festschreiben

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/7364

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Müller das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Kind sollte mindestens

eine warme und gesunde Mahlzeit am Tag bekommen, aber leider ist das, was selbstverständlich klingt, in der Realität alles andere als selbstverständlich. Es gibt tatsächlich Kinder, die nach dem Wochenende hungrig in Schulen und Kitas ankommen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns alle beschäftigen und sogar beschämen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Nicht immer liegt es am Geld. Gleichwohl sind arme und armutsgefährdete Kinder am häufigsten betroffen. Eine warme und gesunde Mahlzeit am Tag ist somit auch eine Frage von Teilhabe.

Kitas und Schulen spielen als einer der wichtigsten Lebensräume von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Wo, wenn nicht dort, können und müssen wir dafür sorgen, dass Kinder Zugang zu gesunder und qualitätsvoller Ernährung haben?

Leider hängt es immer noch vom Zufall ab, wie es um die Essensversorgung vor Ort steht. Denn nichts ist einheitlich geregelt, und nichts ist auskömmlich finanziert. Es wundert also kaum, wie unterschiedlich die Lage ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wer von Ihnen sich schon einmal durch das Essensangebot von Kitas und Schulen probiert hat. Ich will Ihnen das gerne mal ans Herz legen. Danach stellen Sie sich einfach mal selbst die Frage, ob Sie es für akzeptabel hielten, wenn das Gleiche hier in unserer Kantine auf den Tisch käme. Ich glaube, nicht.

(Beifall von der SPD)

Um es klar zu sagen: Das ist nicht die Schuld von Schulen oder Kitas. Sie können häufig gar nicht anders, weil sie schlicht die Voraussetzungen nicht haben, weil die Voraussetzungen fehlen, sowohl finanziell als auch infrastrukturell. Die Zwangslage vieler Kommunen verschärft diese Situation zusätzlich.

Trotz dieser Widrigkeiten haben sich viele Bildungseinrichtungen auf den Weg gemacht und werden dem Anspruch an ein gutes und gesundes Essen gerecht. Aber häufig hängt das eben vom Engagement und von der Kreativität einzelner Personen ab,

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

von Lehrerinnen und Lehrern, die sich neben ihren eigentlichen Aufgaben darum kümmern, dass es läuft, von Eltern und Fördervereinen, die sich nicht mehr länger anschauen wollen, wie es um die Essensversorgung steht, oder auch von Kitaträgern, die es irgendwie hinbekommen, Frischküchen zu betreiben.

Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es immer ein schmaler Grat zur Selbstausbeutung der Beteiligten. Wir müssen diesen Menschen unendlich dankbar dafür sein, was sie unter diesen unzureichenden

Bedingungen hinbekommen. Aber das darf nicht so bleiben, und es muss endlich Schluss damit sein, dass wir dieses Engagement ausnutzen und billigend in Kauf nehmen, dass sich diese Menschen eventuell damit überfordern.

(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])

Gute Bildung ist auch mit der Frage guter Ernährung verbunden. Aber das spiegelt sich in den tatsächlichen Bildungsausgaben so gut wie nicht wider, weder im Schulhaushalt noch im KiBiz. Am Ende fehlt es an Geld und an personaler Infrastruktur, um sowohl im Ganztag als auch in unseren Kitas flächendeckend eine qualitätsvolle Frischküche zu etablieren, und es fehlt an entsprechenden verbindlichen Qualitätsstandards.

Neben der Frage nach einem Orientierungsrahmen stellt sich die Frage nach der Umsetzung. Die bittere Realität ist: Das alles muss neben dem schulischen und Kitaalltag bewältigt werden von Menschen, die eigentlich – das wissen wir alle – keine Langeweile haben. Gerade in Bildungseinrichtungen, die in einem herausfordernden Umfeld oder – um es klar zu sagen – in sozialen Brennpunkten arbeiten, ist das denkbar schlecht. Die Wahrheit ist: Diese Arbeit kann nicht so einfach nebenher erledigt werden.

Es führt deswegen kein Weg daran vorbei, diese Frage des Schul- und Kitaessens sowohl mit Blick auf die Qualität als auch mit Blick auf die personelle Ausstattung und die Finanzierung gesetzlich zu regeln mit allen Konsequenzen. Unsere Kinder müssen es uns wert sein.

(Beifall von Jochen Ott [SPD] und Norwich Rüße [GRÜNE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen letzten Punkt will ich noch ansprechen. Auch wenn ein Teil der Familien bereits heute vom Essensgeld befreit ist, gilt das für einen Großteil nicht. Da reden wir ja häufig nicht von Spitzenverdienern. Für viele Familien wirken die Beiträge zur Kita oder zum Offenen Ganztag wie eine zweite Steuer. Eine dritte kommt mit dem Essensgeld dazu.

Im Übrigen ist dieses Essensgeld die einzige Quelle zur Finanzierung dieses Essens. Ich möchte ein Beispiel geben. In deutschen Kitas sind das 2,42 Euro pro Tag. Für ein bedarfsgerechtes, gesundheitsförderndes Mittagessen braucht man aber je nach Größe der Einrichtung und je nach Anzahl der Essen, die dort zubereitet werden, zwischen 3,09 Euro und 5,87 Euro. Da braucht man keine höhere Mathematik, um festzustellen, dass wir von diesen Werten weit entfernt sind.

Die Lösung kann am Ende dann doch nicht sein, das bei den Eltern abzuladen. Wenn Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist – und so habe ich uns alle immer verstanden –, und wenn die Frage