Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wenn der Paritätische Wohlfahrtsverband und andere Wohlfahrtsorganisationen gerade in diesen Tagen mutiges Handeln gegen die steigende Armutsgefahr fordern,

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

hören Sie ebenfalls weg; denn Armutsbekämpfung ist in Ihrem Regierungsprogramm auch nicht vorgesehen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Der Lehrermangel wird in diesem Lande immer größer. Die Wohnungsnot wird immer schlimmer. Trotz des Aufschwungs wird die soziale Ungleichheit in diesem Land leider immer größer. Sie haben 10 Milliarden Euro mehr als Ihre Vorgänger zur Verfügung. Trotzdem sind Sie nicht in der Lage, auch nur eines dieser Probleme zu lösen. Sie regieren an den Problemen des Landes vorbei.

Meine Damen und Herren, das sage nicht nur ich; das sagen wirklich alle Sachverständigen, die diesen Haushalt zuvor bewertet haben.

(Beifall von der SPD)

Der Bund der Steuerzahler lässt kein gutes Haar an Ihrem Entwurf. Es mangele vor allem an akzentuierten Schwerpunkten. Mit anderen Worten: Man erkennt überhaupt keine Ziele und keinen Plan. Sie regieren in den Tag hinein und leben von der Hand in den Mund, meine Damen und Herren.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund schreibt:

„NRW steht vor großen Herausforderungen. Die Landesregierung hat daher große Ankündigungen gemacht. … Durch die Ruhrkonferenz soll das Ruhrgebiet den Anschluss finden. Die Entschuldung der Kommunen von Kassenkrediten wurde angekündigt. Der Wohnungsbau soll gesteigert werden.

Leider finden sich für all diese Ankündigungen keine Positionen im Haushalt.“

In dieser Stellungnahme heißt es weiter:

„NRW liegt bei den staatlichen Investitionen von Land und Kommunen pro Einwohner an drittletzter Stelle aller Bundesländer.“

Und weiter:

„Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung der Landesregierung, die Investitionen mittelfristig sogar zurückzufahren, absolut kontraproduktiv.“

Meine Damen und Herren, Sie sind angetreten, um Nordrhein-Westfalen wieder in die Spitzengruppe zu bringen. So haben Sie es vollmundig versprochen. Wir sind Drittletzter bei der Investitionsquote, und Sie fahren die Investitionen weiter herunter. Das ist keine gute Politik für Nordrhein-Westfalen, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Der Landesrechnungshof wirft Ihnen Tricksereien vor. Der Deutsche Beamtenbund moniert zu Recht, dass es überhaupt keine Anstrengungen und Überlegungen gibt, wie man den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst wirksam beheben kann.

In einer gemeinsamen Stellungnahme von Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund heißt es, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung für die angemessene Finanzausstattung der Kommunen nicht gerecht wird. Haben Sie auf eine dieser Kritiken überhaupt reagiert? Nein, haben Sie nicht! Sie gehen über die Kritik der Sachverständigen komplett hinweg. Kein einziger Sachverständiger fand Ihren Haushalt gelungen. Aber Kritik wird in Ihrer Regierung ja systematisch ignoriert. Sie hören den Sachverständigen genauso wenig zu wie mir gerade, Herr Laschet.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Regierung ist den Problemen des Landes nicht gewachsen. Das liegt nicht zuletzt an Ihrer Marktentfesselungsideologie. Diese Ideologie ist auch der Grund dafür, dass wir heute nicht den Staat haben, den wir bräuchten. Es gibt zu wenig Ingenieurinnen und Ingenieure im Staatsdienst. Es gibt zu wenig Forstbeamte und zu wenig Polizeibeamte. Unsere Kindergärten brauchen dringend mehr Erzieherinnen und Erzieher. Unsere Berufsschulen und anderen Schulen suchen händeringend nach Lehrkräften.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Unruhe – Glocke)

Seien Sie einmal ganz entspannt. Aber nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, dass Sie jetzt seit zweieinhalb Jahren regieren und keines der Probleme angegangen haben, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Vielmehr erkennt man – Herr Brockes, auch wenn Sie heute Geburtstag haben, sollten Sie einmal zuhören und nicht dazwischenrufen – Mangel überall dort, wo man hinschaut. Für das Personalproblem ist keine Lösung in Sicht. Sie bekommen es nicht in den Griff, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der FDP)

Fast jede zweite der rund 1.000 offenen Schulleiterstellen in Deutschland liegt in Nordrhein-Westfalen. Damit ist fast jede zehnte Schule in Nordrhein-Westfalen im Augenblick ohne Leitung. Meine Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall von der SPD)

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Grundschulverbandes:

„Wie – so fragen wir – halten es die Landtagsabgeordneten eigentlich aus, dass die wichtigste Schulstufe wie ein Stiefkind behandelt wird?“

Das ist eine gute Frage. Ich bin auf die Antwort des Ministerpräsidenten gespannt. Aber ich befürchte, dass auch hier nichts kommen wird. Auch hier hören Sie nämlich weg.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt aber einen Bereich im Personalwesen, in dem Sie aktiv werden – nämlich, wenn es um Ihre eigenen Personalwünsche geht, Herr Ministerpräsident, die Personalwünsche Ihrer Staatskanzlei und Ihrer Ministerien. Ganz gleich, wie groß die Begehrlichkeiten auch waren – sie wurden bisher immer befriedigt. Das schafft man natürlich nur, wenn man Prioritäten setzt. Genau das haben Sie getan. Sie haben sich und den Ministerien seit dem Regierungswechsel – das ist jetzt zweieinhalb Jahre her – 525 neue Stellen gegönnt. 525 neue Stellen!

Es gab früher einmal Ministerien, die insgesamt nicht so viele Mitarbeiter gehabt haben, wie Sie an Stellenzuwachs in zweieinhalb Jahren geschaffen haben, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Allein in der Staatskanzlei gibt es jetzt 67 neue Stellen inklusive Haushalt 2020. Die Entfristungen habe ich gar nicht mitgerechnet.

Es gibt übrigens in anderen Bundesländern Staatskanzleien, die nur geringfügig mehr Mitarbeiter haben, als Sie in zweieinhalb Jahren zusätzlich eingestellt haben, Herr Laschet. Und wozu? Was rechtfertigt eigentlich einen solchen Stellenzuwachs in so kurzer Zeit?

In der letzten Plenardebatte haben Sie versucht, den Eindruck zu erwecken, als gehe der Stellenzuwachs alleine auf neue Zuständigkeiten zurück – für den Sport, für das Ehrenamt oder für die sogenannte Ruhr-Konferenz. Das ist allerdings nicht richtig.

Wenn ich alle Stellen abziehe, die für neue Aufgaben oder auch für Entfristungen genutzt werden, lande

ich immer noch bei 40 zusätzlichen Stellen. 40 Stellen nur für Ihren Apparat, nur für Ihre Regierungs-PR, Herr Laschet!

Deshalb quillt Ihre Staatskanzlei vor lauter neuen Mitarbeitern über. Sie grasen ja gerade alles ab, was in Junge-Union-Geschäftsstellen zu finden ist.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Verein- zelt Beifall von den GRÜNEN)

Während die Staatskanzlei kaum mehr die Leute unterbringen kann, sehen die Geschäftsstellen der Jungen Union mittlerweile so aus wie ein verlassener Saloon im Wilden Westen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Marc Herter [SPD]: Das ist nicht neu! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Man hört sogar schon, dass sich leitende Personen in den Ministerien selbst über Ihre Personalpolitik lustig machen. Der geflügelte Spruch in den Ministerien auf den Fluren ist doch jetzt schon: Müssen die etwas können, oder sollen die von uns sein? – Das ist das Motto, nach dem im Augenblick regiert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Aber das Schlimme ist, dass Sie diese Sorgen der Menschen in unserem Lande nicht ernst nehmen. Hunderttausende von Eltern suchen nach gescheiten Betreuungsplätzen für ihre Kinder – im Kita-Bereich, im Schulbereich, im Offenen Ganztag. Ich habe Eltern getroffen, die ihre Kinder wieder aus der Betreuung im Offenen Ganztag herausgenommen haben, weil es vielfach nicht richtig funktioniert und die Hausaufgabenbetreuung nicht klappt. Das machen die Eltern jetzt wieder selbst. Die Eltern, die es sich leisten können, reduzieren ihre Arbeitsstunden und sagen: Ich investiere das lieber in mein Kind. – Aber es gibt Eltern, die sich das nicht leisten können. Sie sind darauf angewiesen, meine Damen und Herren. Sie können auch keine private Nachhilfe finanzieren.

Deswegen ist es ganz entscheidend, dass man da deutlich mehr tut. Was sagt der Ministerpräsident den Menschen zu diesem Thema? Er sagt im Augenblick: Eine Kanzlerkandidatur ist für mich derzeit kein Thema. – So regiert man an den Sorgen der Menschen vorbei.

(Beifall von der SPD)

Wenn die Menschen im Stau stehen oder die Züge ausfallen und überfüllt sind, behauptet diese Landesregierung einfach, dass die Staus angeblich kürzer geworden sind; und der Ministerpräsident fliegt derweil mit dem Hubschrauber zum Beispiel zu einem Jugendreitturnier.