Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Hier werden wichtige Stabilisierungshilfen, Mittagstische, Beratungen auf Augenhöhe, Stärkung und Begegnungsmöglichkeiten im Quartier angeboten. Es sind Orte der Begegnung, und sie machen die Menschen stärker, die wegen ihrer Lage oft nicht stark genug sind. Auch diese Menschen, Herr Laumann, müssen wir im Blick behalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann es nicht fassen, und es macht mich wirklich sprachlos: Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis, wenn von rund zwei Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen jedes Jahr nicht ein paar Krümel für die Arbeitslosenzentren in NordrheinWestfalen übrig bleiben – für die Menschen in diesem Land, die darauf angewiesen sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um Armutsbekämpfung geht es auch, wenn man sich die Situation der Kommunen im Land ansieht, die immer mehr die Verlierer dieser Laschet-Regierung sind. Trotz wiederholter Versprechen legt ausgerechnet die NRW-Landesregierung immer noch kein Konzept für einen Altschuldenfonds vor, mit dem die notleidenden Kommunen entlastet werden, sodass sie endlich wieder investieren können. Frau Scharrenbach, mit dem Verweis auf den Bund stehlen Sie sich hier schon seit einiger Zeit gepflegt aus der Verantwortung. Es ist aber Engagement gefragt; denn auch das hat etwas mit Armutsbekämpfung zu tun.

Es sind nämlich genau diese Städte mit dem hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen, mit dem hohen Anteil an von Armut betroffenen Menschen, die hohe Soziallasten zu stemmen haben und gleichzeitig über eine geringe Wirtschaftskraft für die notwendigen Einnahmen verfügen. Genau diese Kommunen brauchen jetzt diesen Schuldenschnitt, damit sie wieder Luft unter den Flügeln bekommen, um investieren zu können und sich – das kommt dazu – um die Aufnahme, Versorgung und Integration Geflüchteter kümmern zu können.

Auch hier bleibt die Unterstützung der Regierung aus. Die Pauschale für die Erstattung der Flüchtlingskosten wird nicht wie besprochen erhöht. Die Gutachten liegen vor, die kommunalen Spitzenverbände haben Vorschläge gemacht – aber nichts davon in diesem Haushalt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Dreisteste ist die Integrationspauschale des Bundes, die im Gesetz des Bundes auch genauso heißt. Herr Minister Stamp, sie heißt Integrationspauschale! Eine Integrationspauschale ist eine Integrationspauschale, und Sie können das nicht einfach umdefinieren. Es ist genau dieselbe Pauschale; es ist nur weniger Geld als vorher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lassen Sie das nicht im Haushalt versickern! Ich bin entsetzt; ich hatte fest damit gerechnet, dass Sie dem Ruf Ihrer Bürgermeister und Bürgermeisterinnen folgen und das in dieser dritten Lesung noch korrigieren. Auch das ist ein Armutszeugnis,

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Sie sacken diese 151 Millionen Euro ein und leiten sie nicht an diejenigen weiter, die sie brauchen, nämlich die Kommunen.

Sind Sie – Herr Ministerpräsident, wir werden Sie gleich hören – mit dieser Regierungsbilanz wirklich zufrieden? Wollen und können Sie das von Herrn Löttgen hier wieder propagierte Mantra von Maß und Mitte wirklich weiterführen? Kann das angesichts der großen Herausforderungen in NRW heute noch verantwortet werden?

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Verantwortungsbewusste Politik dieser Regierung, Herr Löttgen, bedeutet für mich insbesondere in diesen Zeiten nicht eine Politik von Maß und Mitte. Verantwortungsbewusste Politik bedeutet für mich eine Politik mit Mut und mit dem Willen zum Aufbruch, die über den nächsten Wahltermin hinausschaut. Eine solche findet man in diesem Haushalt aber nicht; denn Sie haben zu Recht gesagt: Dieser Haushalt ist Politik in Zahlen.

Was wollen wir? – Herr Ministerpräsident, wir wollen jetzt einen Kohleausstieg mit einer neuen Leitentscheidung, die den Hambacher Wald und die Garzweiler-Dörfer erhält.

Wir brauchen ein wirkungsvolles Sofortprogramm für die Windenergie, damit die Energiewende gelingt. Die Abstandsregelung muss aufgehoben werden. Wir brauchen eine echte Akzeptanzförderung im Dialog mit den Standortkommunen. Wir brauchen ein neues Modell einer Konzessionsabgabe, mit dem

Kommunen an der Wertschöpfung beteiligt werden können.

Das muss gesetzlich verankert werden. So etwas gehört in ein Kohleausstiegsgesetz, Herr Ministerpräsident!

(Beifall von den GRÜNEN)

So etwas gehört in ein Erneuerbare-Energien-Gesetz! Dann steigt die Akzeptanz.

Frau Ministerin Heinen-Esser, wo ist hier die Stimme der Umweltministerin? Schalten Sie sich da doch einmal ein. – Ich glaube, auf dieser Seite der Regierungsbank ist nicht genug Mut, die Energiewende tatsächlich mit einem konsequenten Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden heute Eckpunkte für ein Fahrradgesetz vorlegen. Wir haben Vorschläge gemacht, wie wir den Anteil des Radverkehrs von derzeit 8 % auf 25 % im Jahr 2025 erhöhen können. Wenn man tatsächlich der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ zustimmt, wie Sie das heute machen wollen, Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dann kommt man an verbindlichen Ausbauzielen und -maßnahmen nicht vorbei. Auch das ist ein konsequenter Beitrag zur Verkehrswende.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir meinen, NRW braucht jetzt angesichts der maroden Infrastruktur und der kommenden Konjunkturflaute eine Investitionsoffensive, die nicht mit der Gießkanne Geld über das Land verteilt, Herr Minister, bei der jeder Wahlkreisabgeordnete einen Heimat-Scheck in die Hand bekommt, den man vor Ort den Vereinen übergeben kann. Nein, das brauchen wir nicht, sondern wir brauchen zielgerichtet eine Investitionsoffensive, die den Investitionsstau angeht. Ihre Investitionsquote geht zurück. Sie müsste in diesen Zeiten steigen, Herr Minister, und nicht sinken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn die heute vernachlässigten Investitionen sind die Schulden von morgen, die Schulden Ihrer Kinder und Enkel. Die NRW.BANK – damit haben wir einen guten Partner an unserer Seite – kann uns hier unterstützen.

Wir wollen die Fortsetzung des erfolgreichen Programms „Gute Schule 2020“ über das nächste Jahr hinaus; denn der Investitionsstau an den Schulgebäuden ist weiter immens. 2 Milliarden Euro wurden bereits verausgabt. In den Anhörungen konnten wir uns anhören, weitere 9 Milliarden Euro werden benötigt. Ich hätte gerne von Ihnen eine Aussage dazu, ob Sie es beenden wollen. Ich meine, wir müssen es fortsetzen. Der Investitionsstau ist noch lange nicht abgebaut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Analog zum Programm „Gute Schule 2020“ haben wir ein Programm „Gutes Klima 2030“ vorgelegt; denn auch hier bleiben die Rufe der Kommunen bei diesem Kabinett ungehört. Sie brauchen Unterstützung beim Klimaschutz und bei der Klimafolgenanpassung, und zwar genau dort, wo die Bedarfe am größten sind. Es sind wieder diese Kommunen, die wir im Armutsbericht finden, Herr Laumann. Sie brauchen an allen Ecken und Enden Unterstützung.

Es kann doch nicht sein, dass die Menschen in diesen Kommunen schlechtere Luft haben, nicht ihre Flächen entsiegeln können, sich keine energetischen Gebäudesanierungen leisten können und nichts für den Klimaschutz tun können, nur weil sie eine notleidende Kommune sind, Frau Ministerin Scharrenbach. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse müssen wir in Nordrhein-Westfalen doch als Anspruch haben. Wir können die Kommunen damit nicht alleine lassen.

Wir brauchen einen Infrastrukturbericht, der uns den gesamten Investitionsbedarf einmal transparent darstellt. Nur dann, Herr Minister Lienenkämper, haben wir eine Grundlage und können eine lang angelegte Investitionsstrategie aufbauen. Ich sage Ihnen: Bei dieser Investitionsstrategie darf in der Mittelfristigen Finanzplanung die Investitionsquote nicht sinken.

Herr Ministerpräsident, ich muss es sagen – Sie werden es gleich wahrscheinlich wieder in den Himmel heben –: Ihre schwarze Null ist gut und schön, aber das ist noch lange keine Strategie für eine nachhaltige Finanzpolitik, die die zentralen Herausforderungen angeht.

Für unseren notleidenden Wald – den Ministerpräsidenten sieht man immer häufiger im Wald – brauchen wir keine schönen Bilder, sondern ein Gesamtkonzept für eine naturnahe, klimaangepasste Waldbewirtschaftung

(Beifall von den GRÜNEN)

mit einer Unterstützung für die Waldbesitzer für den notwendigen Umbau.

Frau Ministerin, ich habe Ihre Stellungnahmen dazu gelesen. Es fehlt sehr viel, aber es fehlt vor allen Dingen eine klare Ansage, dass hier mehr qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt wird, um die Waldbesitzer beim Umbau zu unterstützen. Wir brauchen auch eine Ausbildungsinitiative. Diese Berufe müssen wieder attraktiver werden. Wir brauchen mehr qualifiziertes Personal in unserem Wald. Hierzu steht nichts Verbindliches im Haushalt. Aus unserer Sicht reichen die 10 Millionen Euro, die mehr darin stehen, auf keinen Fall aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen die Kommunen besser beraten und unterstützen, damit die Mittel für den Breitbandausbau abgerufen werden können. Statt Pressekonferenzen,

neuer digitaler Masterpläne und neuer Zielformulierungen brauchen wir jetzt ganz schlicht und einfach Konzepte, wie das Geld vor Ort ankommt. Dazu erwarten wir heute eine Antwort. Ich fürchte, wir werden sie wieder nicht bekommen.

Wir wollen einen Altschuldenfonds. Wir haben konkret ein Konzept für einen Altschuldenfonds für die besonders notleidenden Kommunen vorlegt, die wir von den Kassenkrediten befreien müssen. Langfristig brauchen wir danach eine strukturelle Entlastung.

Dazu sagen wir ganz klar: Wenn der Bund hier nicht mitmacht, dann wollen wir die Stärkungspaktmittel, die noch im Haushalt stehen, verstetigen und nutzen, um einen landeseigenen Fonds aufzulegen. Es muss endlich gehandelt werden. Hessen und das Saarland können das. Warum kann NRW das nicht?

(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])

Wir brauchen das, um diese Städte zu unterstützen. Auch das ist Armutsbekämpfung. Außerdem setzen wir uns für den Erhalt der Arbeitslosenzentren ein.

Wir wollen die Kommunen bei der Flüchtlingsversorgung und der Integration besser unterstützen. Die Flüchtlingspauschalen müssen jetzt dem tatsächlichen Bedarf anpasst werden. Die Integrationspauschale – ich sagte es gerade – darf nicht im Landeshaushalt versickern, sondern muss weitergereicht werden.

Deswegen werden wir genau diese beiden Anträge heute noch einmal zur Abstimmung stellen, weil es uns wichtig ist, dass die Kommunen bei dieser großen Herausforderung mehr Unterstützung bekommen. Wir werden heute noch einmal darüber abstimmen lassen, und wir werden vor Ort durch das Abstimmungsergebnis genau dokumentieren, wer in diesem Landtag unsere Kommunen im Stich lässt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Last but not least wende ich mich an die leider nur 27 % Frauen in diesem Landtag. Liebe Kolleginnen, es ist endlich Zeit, den Zustand dieser mageren Repräsentation von Frauen im Landtag nicht länger hinzunehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)