Protokoll der Sitzung vom 15.09.2017

(Beifall von der FDP – Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Den Versuch, Ihre Verantwortung jetzt auf die neue Landesregierung abzuwälzen, werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Fahrverbote sind unter allen Umständen zu vermeiden. Sie schränken die individuelle Mobilität ein, sie vernichten Vermögen, und – ich glaube, da sind wir uns einig – sie hätten auch wirtschaftspolitisch katastrophale Folgen, übrigens auch für die Entwicklung der betroffenen Städte.

Für viele Menschen ist die Anschaffung des Autos eine der größten Finanzentscheidungen ihres Lebens. Sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre einmal getroffene Entscheidung, zu der die Politik sie ja in Sachen Diesel geradezu animiert hat, Bestand hat.

Ich will gleichzeitig sehr deutlich sagen, auch in Richtung der AfD: Selbstverständlich muss es darum gehen, die Gesundheit der Menschen in den belasteten Innenstädten zu schützen. Fahrverbote halten wir dafür aber für das allerschlechteste Mittel.

Unsere Handlungsmaxime dagegen ist: Wir wollen individuelle Mobilität sichern. Wir wollen und wir werden den Menschen nicht vorschreiben, wie, wann und wohin sie sich fortbewegen sollen.

Die neue Landesregierung handelt entsprechend, und zwar vor allen Dingen ideologiefrei und pragmatisch. Der Ministerpräsident hat sich frühzeitig mit den Oberbürgermeistern der betroffenen Kommunen an einen Tisch gesetzt und hat auf dem zweiten nationalen Dieselgipfel in Berlin erreichen können, dass der Bund noch einmal eine erhebliche Summe zur Lösung des Problems beisteuert. Ohne Verzögerung hat der NRW-Wirtschaftsminister zur Reduzierung von Emissionsbelastungen ein umfängliches Paket innovativer Mobilitätskonzepte aufgelegt, zum Beispiel ein Sofortprogramm zur Förderung von Elektromobilität.

Die NRW-Koalition geht jetzt noch einen Schritt weiter. Mit unserem Entschließungsantrag werden wir die Landesregierung beauftragen, ein Bündel weiterer Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Versäumnisse der letzten Jahre aufzufangen. Es geht jetzt darum, mit den Mitteln des Bundes solche Aktivitäten anzuschieben, die uns helfen, schnell und nachhaltig handeln zu können.

Wir sind uns dabei übrigens sehr bewusst, dass die Entscheidungen nun an vielen Stellen von Gerichten getroffen werden. Aber Anspruch unseres Handelns ist, dass sich das Land jetzt nicht weiter zurücklehnen darf, so wie Rot-Grün es über Jahre getan hat. Wir wollen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um auch zur Not im Einzelfall zu Problemlösungen zu kommen.

Wir tun das unter einer wichtigen Prämisse: Bevor es zu einer Betroffenheit privater Fahrzeuge kommt, sind alle städtebaulichen und verkehrslenkenden Maßnahmen sowie alle Möglichkeiten bei öffentlichen Verkehren auszuschöpfen.

Dabei gilt auch für uns der Grundsatz der Technologieoffenheit. Ausdrücklich wollen wir im Vertrauen auf die Kompetenz und Kreativität unserer Ingenieure Raum schaffen für innovative und für unkonventionelle Lösungsansätze.

Deswegen werden wir übrigens auch den AfD-Antrag ablehnen. So wie wir kein Verbot von Technologien wollen, geben wir natürlich auch keine Garantien ab. Deshalb ist eine Verteufelung der Dieseltechnologie genauso falsch wie ein staatlich verordnetes Festhalten an bestehenden Antrieben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir suchen bei all unseren Bemühungen den Schulterschluss mit den betroffenen Kommunen. Das ist uns ganz wichtig. Es muss jetzt darum gehen, die vorhandenen Kenntnisse vor Ort systematisch zu nutzen und vor allem in konkrete Maßnahmen umzusetzen.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP werden die Kommunen, die Pendler und die Unternehmen in unserem Land nicht im Regen stehen lassen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das wer- den wir ja sehen!)

Das zeigen wir mit den bereits angeschobenen Aktivitäten, und das zeigen wir mit unserem Entschließungsantrag. Wenn Sie als Opposition an echten Lösungen interessiert sind und nicht nur an Schaukämpfen, dann stimmen Sie diesem Antrag ebenfalls zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rate bei diesem Thema zur ideologischen Abrüstung.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von der CDU und der FDP)

Den Entschließungsantrag, den die …

(Roger Beckamp [AfD]: Das sagt ein Vertreter der Grünen!)

Nun lassen Sie mich doch erst mal ausreden. Ich versuche erst mal in die Rede reinzukommen.

Als ich mir den Entschließungsantrag aus den Reihen der Regierungsfraktionen angeschaut habe, konnte ich sehen, dass darin grundsätzlich viel Richtiges steht. Es fehlt jedoch ein konkretes Maßnahmenpaket.

Herr Middeldorf, es ist wohl Ihrem späten Einzug in den Landtag geschuldet, man muss es Ihnen daher nachsehen, aber dieses Schwarz-Weiß, das Sie vorhin vorgetragen haben … Ich weiß nicht, wer Ihnen die Rede geschrieben hat, Sie haben sie wahrscheinlich nicht selber geschrieben.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Um zu behaupten, dass die Vorgängerregierung rein gar nichts getan hätte, muss man schon ziemlich platt drauf sein. Es würde mir auch schwer fallen, das andersherum genauso zu tun.

Ich habe hier im Landtag in der Regierungszeit sieben Jahre lang Verkehrspolitik gemacht. Schauen Sie sich mal die Programme zum ÖPNV an. Erkundigen Sie sich mal bei Herrn Rehbaum oder bei Herrn Voussem, die beide gerade zuhören und die auch im Ausschuss waren: Auf so eine Idee würden sie nicht kommen. Schauen Sie sich an, was in den letzten Jahren und auch über die Regierungsperiode von Rot-Grün hinaus im Bereich der ÖPNVFörderung passiert ist.

Denken Sie an den RRX, der auf die Schiene gesetzt und jetzt sukzessive umgesetzt wird. Schauen Sie sich das Programm für Radschnellwege an.

(Ralf Witzel [FDP]: Das löst doch das Kfz- Problem nicht!)

Schauen Sie sich die großen Dinge an, die im Bereich der Infrastruktursanierung umgesetzt wurden.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie lösen das Dieselprob- lem nicht!)

Das Thema ist so relevant und so wichtig! Deshalb ist es schade, dass es heute am Ende der Plenarwoche diskutiert wird, obwohl es auch die Debatte rund um die Regierungserklärung durchzogen hat und in den Medien große Aufmerksamkeit findet.

Sie spielen Schwarz-Gelb und Rot-Grün so ideologisch gegeneinander aus. Ich sage: Das Thema ist viel zu relevant für die Menschen, für die Frage der Mobilität und auch für die Frage der Gesundheit, als dass man sich so aufführen könnte, wie Sie das in Ihrer Rede gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vonseiten der Grünen begrüßen wir zum Beispiel das Paket, dass Herr Minister Pinkwart zum Thema „emissionsfreie Mobilität“ vorgestellt hat. Ich war ganz überrascht, als ich die kurzfristige Presseankündigung darüber bekam, dass Sie dazu etwas vorstellen. Das hätte man eher aus dem Umweltministerium erwartet, aber offensichtlich ist das jetzt bei Ihnen angesiedelt.

Sie haben sich mit Inbrunst vor die Presse gestellt und das auch inhaltlich richtig vorgetragen, aber vielleicht wäre es fair gewesen, mit einem Halbsatz zu erwähnen, dass dieses Programm und die Ausschreibung von Ihrem Amtsvorgänger Remmel auf den Weg gebracht worden sind. Ich dachte schon: Was für eine wichtige Entscheidung! Aus dem „Remmel-Krempel“, der laut Herrn Lindner ja komplett abgeräumt werden sollte, wird von Ihnen nun ein ganz wichtiges Programm fortgeführt und sogar persönlich vorgestellt. Wir begrüßen das eindeutig und finden es auch richtig, dass dafür mindestens 100 Millionen € in die Hand genommen werden.

Ironie beiseite: Das Dieselthema beherrscht momentan die öffentlichen Debatten in Deutschland, auch angesichts der IAA. Es steht im Mittelpunkt vieler Erklärungen. Der Dieselgipfel, der in Berlin stattgefunden hat, ist grundsätzlich auch richtig, jedoch sind die Ergebnisse zu kurz gedacht. Warum hat sich die Bundesregierung bisher nicht dazu durchringen können, die Autohersteller zu einer verbindlichen Hardwarenachrüstung zu verpflichten? Das wäre eine richtige Entscheidung gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Mi- chael Hübner [SPD])

1.500 €! Ich weiß nicht, ob Sie gestern Abend die Sendung „Maybrit Illner“ gesehen haben. Manchmal bildet es durchaus, Talkshows zu sehen. Das ist in Deutschland selten der Fall, aber diesmal war die Sendung gut. Dort haben ein führender VWManager, ein Vertreter der Verbraucherzentrale und ein Kfz-Techniker vorgestellt, dass es ohne Probleme möglich ist, die Hardware nachzurüsten, dass es keine Schwierigkeiten für die Elektronik des Gesamtautos gibt. Eine Hardwarenachrüstung wäre möglich, und sie ist auch notwendig, um die angestrebte Schadstoffreduzierung zu erreichen. Man müsste sie verbindlich vonseiten der Bundesregierung beauftragen. Das ist möglich.

Die Blaue Plakette wird im Übrigen auch von Teilen der CDU gefordert. Ich habe in den letzten Tagen einige Erklärungen der IHK zu dem Thema gelesen. Die IHK Siegen fordert beispielsweise Hardwarenachrüstungen bei allen Pkws und die Einführung einer Blauen Plakette.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind doch nicht nur grüne Organisationen, die dahinterstehen, sondern das wird auch von Unternehmensverbänden und teilweise von CDU-geführten Landesregierungen gefordert.

Deswegen ist es Aufgabe der nächsten Bundesregierung – nicht mehr der jetzigen Bundesregierung; das ist vorbei, und hoffentlich ist der künftige Bundesverkehrsminister nicht derselbe wie in den letzten vier Jahren –, zu einer Lösung zu kommen, die die Automobilhersteller, die diese Katastrophe angerichtet haben, in die Pflicht nimmt. Hier muss Geld in die Hand genommen werden, und es darf nicht zulasten der Verbraucher abgewickelt werden. Das ist unsere ganz klare Forderung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin der Meinung, dass man diesbezüglich auch eine politische Einigung erreichen kann.

Wir sind offen für und gespannt auf die Vorschläge, die seitens der Regierung angekündigt worden sind. Den ersten Spiegelstrich Ihres Entschließungsantrags finde ich inhaltlich richtig. Die Frage ist: Wie wird das in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten mit Leben gefüllt?

Vielleicht hat der neue Verkehrsminister Wüst ja irgendwann seine Einarbeitungsphase beendet und stellt uns hier etwas vor. 100 Tage hat er Zeit, danach wollen wir aber etwas von ihm sehen. Wie sieht das Maßnahmenpaket, das Herr Kollege Rehbaum vorhin angekündigt hat, denn aus?

Klar ist: Es muss einen Mix aus Maßnahmen geben; denn der Verkehr der Zukunft wird ein Mobilitätsmix sein aus Individualmobilität, ÖPNV, Carsharing und Radverkehr – vor allem mit E-Bikes, die massiv nachgefragt werden. Die Infrastruktur muss daran angepasst werden.

Wir sind deshalb – das meine ich wirklich ernst – gespannt auf Ihre Vorschläge. Es ist ja auch keine rein landespolitische Frage, sondern es spielen vielfältige bundespolitische Förderprogramme und weitere bundespolitische Aktivitäten hinein. Gefragt sind auch die Kommunen; denn jede Kommune entscheidet mit, wie sich der individuelle Verkehr vor Ort ausrichtet.