Protokoll der Sitzung vom 12.03.2020

Das, was Sie hier als Prüfauftrag formulieren – als Prüfauftrag, nicht als Handlungsaufforderung, es jetzt endlich zu machen, sondern als Auftrag, mal zu prüfen, ob das eigentlich damals ernst gemeint war –, war vor zwei Jahren schon in dem Mobilfunkpakt enthalten, den Herr Pinkwart hier ja nun ausführlich und auch immer wieder unter dem Beifall und mit Unterstützung seiner Fraktion abgefeiert hat. Diese ganze Frage, wie wir Genehmigungsverfahren erleichtern und beschleunigen können, steht im Mobilfunkpakt als der großen verbindlichen Vereinbarung, mit der jetzt endlich alles vorangehen soll.

Wir sehen aber: Da war nichts verbindlich vereinbart, sondern das war: alles kann, nichts muss. – Zwei Jahre lang ist nichts passiert. Es war also vor allem: nichts muss.

Dann finden sich in dem Antrag Forderungen wie die nach einem Musterleitfaden, der wie andere Dinge schlicht und ergreifend ein klares Instrument, ein logisches Instrument ist, wenn man in dem Bereich tatsächlich etwas tun wollte.

Besonders habe ich mich gefreut, in diesem Antrag endlich mal wieder etwas zu dem Mobilfunk an Straßenlaternen zu lesen. Den hatte die CDU hier schon 2014 beantragt. Er war damals – Fun Fact – auch schon keine Innovation mehr. Aber dass Sie solche Geschichten, die damals schon oll waren, jetzt wieder aus der Mottenkiste ziehen, zeigt doch einfach, dass Sie in dieser Debatte nicht wirklich à jour sind und dass Sie auch offensichtlich mit Ihren Instrumenten nicht so richtig vorangekommen sind.

Ich habe mich gefragt, ob Sie das alles nicht gewusst haben, als Sie den Antrag geschrieben haben, ob Sie da in einem von Herrn Pinkwarts Funklöchern saßen oder ob es Ihnen einfach egal ist, was die Landesregierung in diesem Bereich tut.

Das sehen wir an ganz vielen Stellen, dass bei der Umsetzung dieses vielgepriesenen Mobilfunkpakts nichts so recht weitergeht. Die Halbzeitbilanz, die Herr Pinkwart im Februar vorgestellt hat, ist auch eher mager: bei den Neubauten 42 %.

Jetzt kann man sagen: Das ist erst einmal schön. Nach der Hälfte der Zeit 42 % ist gar nicht so schlecht. – Aber Sie – zumindest die Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, die sich mit Netzausbau beschäftigen – wissen doch, dass beim Netzausbau das dicke Ende zum Schluss kommt, dass da die Anstrengungen nötig sind und dass die ersten – na ja, je nachdem, wen man fragt – 70 oder 80 % noch relativ leicht realisierbar sind, während die wirkliche Herausforderung erst zum Schluss ansteht.

Das ist offenkundig nicht Ihr Thema gewesen, und jetzt machen Sie hier weiter gute Miene zu eigentlich, wenn man es realistisch betrachtet, gar keinem Spiel auf der Regierungsbank.

Wenn man sich diese Zwischenbilanz anschaut, sieht man: Die Landesregierung macht das, was sie immer tut, wenn sie bei einem Problem der Menschen in der Gegenwart nicht vorankommt: Sie baut irgendwelche Luftschlösser und irgendwelche Wolkenkonstruktionen für die Zukunft, und dann gibt es wieder schöne Überschriften vom Supi-Dupi-5GChampion NRW und Meldungen darüber, was jetzt wirklich endlich passiert.

Das ist toll für die Leute, die davon irgendwann mal profitieren werden, aber es ist keine Antwort auf die Probleme der Gegenwart in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Fragen Sie einfach mal bei den Pendlern nach. Die Netzanbieter hätten bis Ende 2019 LTE entlang aller Autobahnen und ICE-Trassen liefern müssen, und zwar nicht aus Nettigkeit und nicht einmal, weil sie das mit Herrn Pinkwart beim Kaffeekränzchen vereinbart haben, sondern weil sie dazu rechtlich aus der Frequenzauktion 2015 verpflichtet waren. Nicht nur wir, sondern alle Pendlerinnen und Pendler in unserem Land wissen, dass dieses Ziel verfehlt wurde.

Dann ist es die Landesregierung, die sich weigert, daraus Konsequenzen zu ziehen. Sie prüfen das noch nicht einmal nach, ob diese Verpflichtung eigentlich erfüllt wurde.

Das macht zum Beispiel Bayern anders. Bayern hat eine eigene Studie in Auftrag gegeben, um festzustellen: Wie ist tatsächlich der Stand? Wieweit haben die Anbieter ihre Verpflichtungen erfüllt?

Das zeigt einfach, dass Sie schlicht auch nicht wissen wollen, was in der Welt da draußen eigentlich passiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir können uns das hier bei uns in Nordrhein-Westfalen nicht länger leisten. Wir brauchen mehr Konsequenz beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Wir brauchen eigene Kontrollen des Ausbaufortschritts. Wir brauchen eine Akzeptanzinitiative für den Ausbau, so wie wir das im letzten Plenum hier auch eingebracht haben.

Wir brauchen vor allem auch mehr Power für die Kommunen, dass da die Planungskapazitäten stehen, dass da die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden, dass die Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Initiieren Sie doch da einfach mal den Wettbewerb, wer die schnellsten und anbieterfreundlichsten Genehmigungen auf den Weg bringt, damit der Ausbau tatsächlich funktioniert.

Sorgen Sie dafür, dass interkommunale Zusammenarbeit gestärkt wird.

Sorgen Sie dann auch in diesem ganzen Ausbauverfahren dafür, dass der Glasfaserausbau und der Mobilfunkausbau zusammengeführt werden.

Wenn wir über Glasfaser sprechen, dann sprechen wir da über Glasfaser only und nicht mehr über irgendwelche PR-Stunts aus der Werbeagentur der Landesregierung.

Kommen Sie endlich voran. Machen Sie sich jetzt endlich auf den Weg, nachdem Sie jetzt wieder so viele Jahre verdaddelt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Bolte-Richter. – Nun spricht Herr Tritschler für die AfD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass der Ausbau des Mobilfunks in Deutschland für eine westliche Industrienation ein Trauerspiel ist, ist inzwischen zur Binsenweisheit geworden. Wir können uns je nach Studie aussuchen, ob wir mit Nationen wie Albanien, Kasachstan oder Eritrea in einer Liga spielen wollen.

Zumindest diese Erkenntnis ist inzwischen auch hier im Landtag NRW angekommen, was man an allerlei Anträgen zum Thema ablesen kann. Vor ein paar Wochen haben wir noch den Antrag der Grünen – er klang gerade schon an – bezüglich einer sogenannten Akzeptanzoffensive für 5G hier beraten. Jetzt schiebt die Regierungskoalition diesen Antrag nach. Offenbar geht es hier eher um Politiksimulation oder weiße Salbe – wie man das auch immer nennen will. Vermutlich messen Sie am Ende die Qualität Ihrer Politik an der Zahl solcher Anträge. Denn es kostet ja nichts.

Der Antrag verweist richtigerweise auf die Zahlen vom BITKOM, wonach etwa 1.200 Bauvorhaben von Mobilfunkanlagen im Behördendschungel stecken.

Nun beginnen die Netzbetreiber mit dem Ausbau von 5G und brauchen dafür je nach Schätzung weitere 75.000 bis 750.000 Antennenstandorte. Das Problem wird sich also zweifellos verschärfen.

Nun kann man der Landesregierung nicht vorwerfen, dass sie hier nicht irgendetwas tut. Es gibt den Mobilfunkpakt, der zumindest nicht nur ein reines PRInstrument ist. Und auch der Antrag der Koalitionsfraktionen rühmt sich wenig überraschend mit dem Mobilfunkpakt.

Umso verwunderlicher und überflüssiger ist es, dass Sie nun Dinge beantragen – quasi an sich selbst gerichtet –, die längst in diesem Pakt stehen. Die Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren und die Vereinfachung der Anbringung zusätzlicher Antennen sind bereits Teil Ihres eigenen Mobilfunkpakts. Warum kommt das denn jetzt schon wieder? Ist das digitale Demenz, oder ist das einfach nur Einfallslosigkeit? – Wir wissen es nicht.

Jedenfalls wird wegen solcher Placeboanträge kein einziger weißer Fleck auf der Versorgungskarte wegfallen. Denn die Probleme, die der Misere zugrunde liegen, sind ja viel tiefgehender. Zum einen waren schon die Vergabeverfahren mangelhaft. Anstatt hohe Versorgungsauflagen zur Vergabebedingung für Frequenzen zu machen, wie es Frankreich mit einigem Erfolg tut, trieb man bei der Netzagentur in Deutschland wieder einmal nur die Preise in die Höhe. Das ist Geld, welches jetzt beim Ausbau fehlt.

Es ist also kein Wunder, dass die Unternehmen, die in anderen Ländern teils hervorragende Netze mit hoher Flächenabdeckung anbieten, hierzulande nur einen Flickenteppich abliefern. Ein gutes Netz kostet nun einmal auch Geld. Das haben wir im letzten Jahren bereits mit einem eigenen Antrag zu der Sache angemahnt.

Auf der anderen Seite ist der Genehmigungsstau bei der Mobilfunkinfrastruktur nur ein Symptom für die Sklerose, die unser ganzes Land befallen hat. Sei es beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, beim Bau neuer Wohnungen oder bei der Ausweisung von Gewerbeflächen: Überall scheitert der Fortschritt in unserem Land an quälend langen Genehmigungsverfahren, an Überregulierung und schließlich an langwierigen Gerichtsverfahren.

Das alles ist in erster Linie auch die Folge linksgrüner Ideologie und Fortschrittsfeindlichkeit. Es sei denn, es geht um Windkraft – das Hätschelkind der Grünen. Dafür dürfen natürlich Wälder gerodet, Sümpfe trockengelegt und seltene Vögel und Insekten tonnenweise geschreddert werden.

Soll dagegen in einem der rund 3.000 Naturschutzgebiete NRWs eine Mobilfunkantenne installiert werden, sieht es eher schlecht aus. So beschied das OVG Münster drei Mobilfunkanbietern schon 2013 wörtlich, dass ein grundsätzliches Interesse an Mobilfunk bestehe, dieses habe aber keinen Vorrang. – Vielleicht hätten Telekom & Co. besser zunächst ein Windrädchen gebaut und anschließend eine Antenne drangeschraubt. Dann hätte es sicher auch mit der Genehmigung geklappt.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Ihr Antrag schadet nicht, und er beinhaltet auch einige richtige, aber nicht neue Punkte. Deshalb werden wir grundsätzlich zustimmen. Aber an die grundlegenden Fragen trauen Sie sich nicht heran, weil Sie vor der anderen Seite des Hauses ideologisch längst kapituliert haben – kein Wort mehr von Entfesselung.

Für die vermeintlich bürgerlichen Regierungsparteien ist dieser Antrag kein Ruhmesblatt, und er beschreibt ihren Zustand ganz treffend: mutlos, kraftlos und folgenlos. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Tritschler. – Nun hat für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen lag Ende 2019 der Anteil der mit LTE, also 4G, versorgten Haushalte beim Anbieter Deutsche Telekom bei 99,3 %, bei Telefonica bei 94,3 % und bei Vodafone bei 99,4 %.

Wenn man Ihnen so zugehört hat, könnte man ernsthaft den Eindruck gewinnen, wir hätten in NordrheinWestfalen ein Rückstandsproblem. Das haben wir aber definitiv nicht. Nordrhein-Westfalen und die Abdeckung mit LTE bzw. 4G ist in Nordrhein-Westfalen auch im Vergleich zu anderen Bundesländern wesentlich vorangekommen. Dazu gehört auch, dass bis Ende 2019 rund 3.050 Mobilfunkmasten auf LTE umgerüstet bzw. hochgerüstet und letztendlich auch 573 neue Standorte errichtet wurden.

(Beifall von der CDU und Stephen Paul [FDP])

Das erst einmal zur Klarstellung.

Ein 4G-Netz und ein künftiges 5G-Netz werden parallel betrieben werden. Auch das muss man wissen. Wir brauchen also nicht permanent in großer Anzahl neue Masten, sondern es gilt: je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite. Wir müssen also die Lücken schließen, und deshalb ist der Lückenschluss, der im 4G-Netz noch erforderlich ist, gerade mit Hochdruck in Arbeit.

Dann werden im Wesentlichen über das Nachrüsten mit sogenannten Small Cells die Lücken geschlossen, um die geringeren Reichweiten bei 5G zu kompensieren. Für diese Small Cells – sie sind nicht größer als ein WLAN-Router, wie Sie ihn von zu Hause kennen – werden im Wesentlichen Ampeln, Laternen und vergleichbare Infrastruktur genutzt werden. Insofern sind wir aus Sicht der Landesregierung auf einem sehr guten Weg.

Der vorliegende Antrag bezieht sich vor allem auf Fragen zu bauordnungsrechtlichen Verfahren und zu der Bauleitplanung. Als Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und damit zuständiges Ministerium werden wir das, sofern Sie als Abgeordnete diesen Antrag heute beschließen, entsprechend vorantreiben.

Ich darf auch darauf hinweisen: Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer haben im Dezember 2019 – so lange ist das also noch nicht her – beschlossen, dass im Rahmen der Bauministerkonferenz eine Länderarbeitsgruppe unter Mitwirkung des Bundes eingerichtet wird, in der unter anderem für die gesamte Republik, einheitlich für alle 16 Länder, eine

städtebauliche Steuerung des Mobilfunkausbaus durch die Bauleitplanung erarbeitet werden soll.

Dort soll das Ausüben des Ermessens bezüglich der Erteilung von Ausnahmen und Befreiung für Mobilfunkanlagen im Innenbereich erarbeitet werden, wobei ich hier sehr ausdrücklich darauf aufmerksam mache, dass wir in der nordrhein-westfälischen Bauordnung hinsichtlich der genehmigungsfreien Tatbestände bei den Masten überhaupt nicht zwischen Innen- und Außenbereich unterscheiden. Das ist anders als in anderen Bundesländern, die hier deutlich anders vorgehen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vor diesem Hintergrund macht dieser Antrag Sinn; denn 4G und 5G werden parallel betrieben. Wir werden die Lücken schließen, und in der Zeit, bis wir dieses Parallelnetz aufgebaut haben, werden auch die Anwendungen dafür zur Verfügung stehen. Denn selbst für autonomes Fahren werden Sie kein lückenloses 5G-Netz benötigen, weil die Autos dann untereinander kommunizieren werden.