Damit bin ich auch schon beim märchenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, der uns hier weismachen will, das sei ein völlig normales Vorgehen einer Regierung in einem demokratischen Staat.
Lieber Herr Kollege Voussem, nein, das ist es nicht. Das darf es auch nicht sein. Wir haben einen Anspruch darauf, zu wissen, was bei einem solch herausragenden Projekt gerade passiert oder eben auch nicht passiert, was an Gefahren droht, wo es zu Stockungen kommen kann und wo Gefahr nicht nur für den Verkehr an sich besteht, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und sogar der ganzen Bundesrepublik.
Insofern kann ich das nicht akzeptieren, was Sie uns vorgelegt haben, Herr Voussem. Das war wirklich eine Märchenstunde sondergleichen.
Aber lassen Sie uns einmal einen Blick auf die Fakten werfen und uns das anschauen, was wir bis heute wissen.
Das, was wir wissen, kommt zum allergrößten Teil aus der Medienberichterstattung und besteht im Kern aus der Beschreibung der Streitigkeiten zwischen dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen und dem Generalunternehmer Porr AG.
Beide haben verschiedene Auffassungen über die Qualität der gelieferten Stahlbauteile aus China. Es scheint vor allem ein Problem der Verarbeitungsqualität und weniger der Stahlgüte zu sein. Das wird man sicher noch genauer überprüfen müssen; denn daraus ergeben sich mit Sicherheit auch Ansprüche des Landesbetriebs. Auch das ist aber bisher nur Hörensagen. Wir wissen letztlich nicht wirklich, was nun stimmt und ob etwas dran ist oder nicht.
Vor allem stellt sich aber auch die Frage, warum die Stahlbauteile für den Neubau in China bestellt worden sind, obwohl unter Fachleuten – das wurde Anfang 2018 auch hier im Parlament diskutiert – bekannt ist, dass chinesische Produkte in diesem Bereich sehr häufig Qualitätsmängel aufweisen. Mit Blick auf die Erfahrungen, die wir jetzt machen müssen, muss man das wohl auch als grob fahrlässig ansehen.
Es helfen auch keine Entschuldigungen nach dem Motto: Wir hatten ja gar keinen Einfluss auf die Bestellung und die Auswahl des Stahlproduzenten; das lag alles in der Verantwortung des Generalunternehmers. – So einfach ist es nicht. Denn offenkundig ist, dass man, was die Auswahl des Generalunternehmers und die Produktion der Stahlbauteile angeht, nicht entschieden genug war, die Qualität zu überprüfen. Die erkennbare Hilflosigkeit der beauftragten Fachleute, die die Prüfung in China vorgenommen
Das verschweigt man hier auch. Herr Minister, dazu haben Sie noch nichts gesagt. Ich bin gespannt darauf, ob Sie uns in der zweiten Rederunde diese Fragen beantworten können. Wir hatten eher den Eindruck, dass Sie auch hier an Ihrer Nicht-Informationspolitik festhalten.
Es ist bemerkenswert, dass das Landesverkehrsministerium auf die jüngsten Fragen unserer Fraktion, insbesondere was die Gespräche zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer angeht, ausführt, dass die Auswertung der Ausschreibungsergebnisse rein schriftlich erfolgte und es 2017 zwischen Ende Juni und Mitte Oktober nur schriftliche Ergebnisse und Auswertungen gab. Das war also eine Entscheidung nach Aktenlage – und dies bei dem größten und wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekt in Nordrhein-Westfalen und wohl auch in der Bundesrepublik.
Bei einem Auftragsvolumen von fast einer halben Milliarde Euro ist das, was Sie da gemacht haben, vorsichtig ausgedrückt, äußerst unverständlich. Die Landesregierung muss also den Umstand erklären und vor allem die Frage beantworten, warum sie trotz dieser ganzen aktuellen negativen Erfahrungen bei einer Neuausschreibung …
Sie wollen bei der Neuausschreibung Qualität und Sicherheit gewährleisten. Dann dürfen Sie nicht das machen, was offenbar bei der letzten Ausschreibung, bei der letzten Beauftragung, bei der letzten Vergabe passiert ist: Sie haben sich nicht – zumindest nicht ausreichend, wie wir heute wissen – darum gekümmert, wie die Vergabekriterien aussehen und wie dann die Ausführung erfolgen kann.
Ja, ich weiß; Sie wollen darauf hinweisen, dass die Ausschreibung unter Rot-Grün erfolgt ist. Das mag ja alles sein.
Tatsächlich haben Sie aber die Verantwortung für die Vergabe. Sie müssen verantwortlich entscheiden, ob die Grundlagen stimmen. Wenn die Grundlagen nicht stimmen, muss man vielleicht auch mal zu dem Schluss kommen: Wir können nicht vergeben.
Das geht nicht. Sie haben die Verantwortung gewollt. Jetzt übernehmen Sie sie aber nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Letzten Endes muss man an dieser Stelle vor allem auch die Rolle des Staatssekretärs Dr. Schulte in den Blick nehmen.
Na ja. Herr Schulte war 28 Jahre lang in verschiedenen Bauunternehmen für große Infrastrukturprojekte verantwortlich. Das zeichnet ihn aus.
Trotzdem stellt sich die Frage, da er zuletzt auch bei der Porr AG gearbeitet hat, inwieweit er hier möglicherweise Dinge getan haben mag oder verschleiert haben mag, die nicht klar sind.
Wir halten fest: Herr Dr. Schulte hat bei der Auswertung der Ausschreibung sehr wahrscheinlich mitgewirkt. Er ist Staatssekretär im Verkehrsministerium. Wenn er das nicht getan hat, ist er möglicherweise nicht an der richtigen Stelle.
Das Ministerium. Am 16. Oktober 2017 hat unter der neuen schwarz-gelben Regierung das Ministerium den Auftrag erteilt. Und da darf man schon die Frage stellen, ob es bei jemandem, der kurz zuvor noch bei der Porr AG gearbeitet hat, möglicherweise Interessenkollisionen geben mag.
Selbst wenn Herr Dr. Schulte korrekt gehandelt haben sollte, wovon ich erst einmal ausgehe, muss man aber doch klären: Gab es im Ministerium eine klare Aufgabentrennung? Wurde das klar festgehalten?
Das ist übrigens auch eine Anforderung des Beamtenrechts und des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, habe ich mir sagen lassen. Dort kann man im § 21 mit dem Titel „Besorgnis der Befangenheit“ lesen, dass Beamte selbst den Anschein vermeiden müssen, dass sie in ihrer beruflichen Tätigkeit für den Dienstherrn mit Interessenkonflikten belastet sein könnten.
Bei der Abwicklung eines solchen Projekts, Herr Löttgen, ist besondere Sorgfalt notwendig. Es ist zu klären, inwieweit Herr Dr. Schulte bei der Überwachung und Betreuung dieses Projekts eine klare Abtrennung hätte machen müssen. Ich weiß nicht, ob das passiert ist, aber ich glaube fest daran, dass wir das klären müssen. Denn auch an dieser Stelle muss es Klarheit geben.
Ich stelle Fragen. – Der Minister und das Ministerium müssen das aufklären. Es ist im Sinne dieses Ministeriums, dieser Landesregierung, genau das zu klären, ob nicht am Ende eine katastrophale Lage in der Sache, eine katastrophale Informationspolitik darauf zurückzuführen ist, dass hier möglicherweise Interessenkonflikte bestehen oder bestanden haben.