Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Wir müssen jetzt alles zusammenbinden, andere Lernräume nutzen, Räume akquirieren, kleine stabile Lerngruppen bilden, Infektionsrisiko minimieren und individuelle Förderung möglich machen.

Es ist doch wirklich tragisch, dass so viele Dinge, die jetzt eigentlich Optionen gewesen wären, versemmelt wurden. Ferienangebote: viel zu kurzfristig vor den Sommerferien. Zu der digitalen Ausstattung haben wir im April schon gesagt: Öffnet die Mittel aus dem DigitalPakt. – Nichts ist passiert. Mitten in den Sommerferien dann die Förderrichtlinien:

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

viel zu spät für die Schulen, viel zu spät für die Kommunen, die aber bis zum 31.12. schon die entsprechenden Verwendungsnachweise vorzulegen haben. – Wissen Sie nicht, wie Beschaffung geht? Wissen Sie nicht, was es bedeutet, zu administrieren?

(Zuruf von der CDU)

Diese Geräte werden viel zu spät bei Kindern und Lehrkräften ankommen. Das ist das Dramatische. Wenn Geld zur Verfügung steht, können Sie es noch nicht einmal professionell handeln. Auch das zeigt den Frust im Land sehr deutlich auf.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben alles torpediert, was zu torpedieren war – alles!)

Wir haben noch einmal umfängliche Vorschläge gemacht, die wir heute Abend aufrufen werden. Es gibt Maßnahmen, die Infektionsschutz, gute Bildung und gelingendes Lernen zusammenbringen. Wir bieten dafür unsere Unterstützung an. Das sage ich heute erneut ausdrücklich. Aber wir brauchen endlich einen Plan B. Sehen Sie der Realität ins Auge! So kann es nicht weitergehen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

(Zuruf von der SPD – Gegenruf von Josef Hovenjürgen [CDU]: Was war das? Sehr gut? Eure Destruktion hilft dem Landtag weiter!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bis vor fünf Minuten dachte ich, wir seien in einer Gesundheitsdebatte. Für mich fühlte es sich jetzt an wie eine Schuldebatte. Aber die Frauen in der FDP-Landtagsfraktion sind definitiv multitaskingfähig. Dann machen wir eben ein bisschen Schule.

(Beifall von der FDP)

Frau Beer, vielleicht gucken Sie einfach mal, wie die Realität im Land aussieht, wenn Sie hier auf unsere Schulministerin einprügeln, die Maskenpflicht kritisieren und alles ganz furchtbar schlechtreden.

Ich war in der vergangenen Woche auf einer Klassenpflegschaftssitzung. Da saßen 30 Eltern, einige Schüler dabei. Die Themen „Maskenpflicht“, „Hygienekonzept“, alles, was dazugehört, wurden angesprochen, und das einstimmige Feedback dieses Abends war: Wir ziehen auch zwei Masken übereinander an, Hauptsache, unsere Kinder haben wieder einen geregelten Alltag, haben wieder ihre sozialen Kontakte

(Beifall von der FDP und der CDU – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Da haben Sie aber die einzige Klasse, wo das so ist!)

und werden alle zu gleichen Bedingungen gut und qualifiziert unterrichtet.

Natürlich – jetzt machen wir mal ein bisschen Gesundheit, darum geht es eigentlich; es geht ja um Teststrategien – hinterfragt auch die Landesregierung, hinterfragen auch FDP und Union immer: Was ist der richtige Weg beim Umgang mit dem Coronavirus? Da gibt es dann allgemein zwei gegensätzliche Positionen: Das sind einerseits diejenigen – hier im Landtag ist es Rot-Grün, außerhalb des Bundeslandes sind sie blau-weißer Couleur –, die darauf setzen, möglichst viel zu testen. Das sind andererseits die Stimmen gerade aus der Wissenschaft, die vielmehr auf gezielte Tests setzen. – Ich würde da eher der Wissenschaft folgen.

Werte Kollegen der SPD, Sie haben jetzt viel erzählt, aber ein konstruktiver Vorschlag kam für mich dabei nicht herum. Natürlich haben wir gute Maßnahmen. Natürlich haben wir gute Ideen. Wir arbeiten auch gerne mit der Pharmaindustrie in unserem Land zusammen,

(Christian Dahm [SPD]: Das glaube ich!)

genauer gesagt: mit der Pharmaindustrie, die nach Ihrer Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen noch übrig geblieben ist.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir müssen uns fragen: Was bringen umfassende Tests bei Menschen, die gar keine Symptome haben? Ein negativer PCR-Nachweis ist nur eine Momentaufnahme. Er kann auch nicht ausschließen, dass bereits eine Übertragung stattgefunden hat, die noch nicht nachweisbar ist. Damit es jetzt auch wirklich jeder versteht: Wenn Sie aus einem Flugzeug steigen und negativ auf Corona getestet werden, der Mensch neben Ihnen aber positiv ist, und Sie saßen fünf Stunden neben ihm, dann nutzt Ihnen diese Momentaufnahme überhaupt nichts. Und präventive Tests ohne klaren Verdacht können eben auch das Risiko von falsch-positiven Ergebnissen erhöhen.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Das zeigt uns, dass anlasslose Testungen nur die vorhandenen Kapazitäten belasten und ein falsches Bild vermitteln können, vielleicht sogar ein vermeintliches Sicherheitsgefühl suggerieren. Dieses Gefühl der vermeintlichen Sicherheit wäre in der aktuellen Situation mehr als fatal. Wenn, wie bei den Tests für Lehrkräfte und Erzieher, die Anzahl der positiven Befunde im Promillebereich liegt, dann ist doch die Aussagekraft wahrhaft gering. Wir dürfen nicht mit viel Aufwand ins Blaue hinein testen und die realen Schwerpunkte des Infektionsgeschehens dabei aus den Augen verlieren.

Wir sollten bei der Auswertung von Testungen wirklich auf die Warnungen der Labormediziner hören. Mit den aktuellen Zahlen von fast 900.000 Testungen pro Woche bundesweit sind bereits rund drei Viertel der Kapazität ausgeschöpft. Von Engpässen bei Testkits und Reagenzien wird bereits berichtet. Andererseits werden unsere Hausärzte, die momentan wahrlich noch mehr als sonst arbeiten, durch den bürokratischen Aufwand auch abgeschreckt, selber noch Abstriche durchzuführen. Da wäre es fatal, wenn wir jetzt durch noch mehr anlasslose Tests die Grenzen des Systems sprengten.

Eine zielgerichtete Teststrategie sollte sich auf die Schwerpunkte des Infektionsgeschehens konzentrieren. Auch für die Gesundheitsämter kann es nicht mehr allein darum gehen, jeden einzelnen potenziellen Kontakt eines Infizierten zu verfolgen. Vorrang sollte vielmehr das schnelle Erkennen von sogenannten Superspreading-Events haben, bei denen dann auch konsequent gehandelt werden muss. Wir sehen doch anhand der Daten, dass insbesondere private Zusammenkünfte und Reiserückkehrer aus Südeuropa und der Türkei Treiber der Infektionen sind. Deshalb ist es sinnvoll, die Teststrategien und Testanstrengungen auf diese Bereiche zu konzentrieren.

So wichtig es auch war, in der Urlaubszeit einen möglichst einfachen Zugang zu Tests für Reiserückkehrer zu ermöglichen, werden wir doch künftig nicht darum herumkommen, die Betroffenen an den Kosten zu beteiligen.

(Beifall von der FDP)

Wir sollten auch darauf achten, dass eine Infektion erst ausgeschlossen werden kann, wenn einige Tage nach der Einreise ein negativer Testbefund erfolgt.

Noch ein paar kurze Worte zur Personalsituation unserer Gesundheitsämter: Natürlich können offene Stellen im ärztlichen Bereich nicht kurzfristig besetzt werden, wenn entsprechend qualifizierte Ärzte gar nicht verfügbar sind. Dafür müssen wir mittelfristig die Weiterbildung im öffentlichen Gesundheitsdienst, bei der Hygiene und im Infektionsschutz befördern. Und wenn es nur um die Kontaktverfolgung geht: Es haben doch etliche Kommunen Verwaltungspersonal umgesetzt und abgezogen, und auch das Land hat personelle Unterstützung angeboten.

Zum Schluss noch ein Gedanke, speziell an die Kollegen der Opposition: Wer hier das Handeln der Landesregierung kritisiert, wer das Handeln des Ministeriums kritisiert, dessen Mitarbeiter momentan wegen dieser Coronakrise Überstunden ohne Ende leisten, sollte sich auch einmal überlegen, ob es wirklich so sinnvoll ist, genau dieses Ministerium, genau diese eh schon überlasteten Mitarbeiter auch noch permanent mit massenhaft Kleinen Anfragen und

Berichtswünschen zu torpedieren, bei denen sich mir die Sinnhaftigkeit nicht erschließt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich bin mir sicher, die Landtagsfraktionen von Union und FDP sind zusammen mit der Landesregierung auf einem guten Weg aus dieser Krise für die Menschen in Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Vincentz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte da weitermachen, wo ich in der ersten Rede aufgehört habe, nämlich mit dem Stand, in dem wir uns aktuell befinden. Ich hatte Ihnen einige statistische Herangehensweisen nahegelegt, wie man sich den aktuellen Zahlen nähern könnte.

Wenn wir es nüchtern betrachten, stellen wir fest, dass wir recht stabile Infektionslagen auch in Nordrhein-Westfalen über die letzten Kalenderwochen haben. Pro 1.000 Tests gibt es keine eklatanten Anstiege, die einen in Panik versetzen sollten. Natürlich haben wir einige Ausschläge. Ich habe das gerade ausgeführt. Wenn Sie aus Risikobereichen zurück nach Deutschland einreisen, dann ist die Chance sehr hoch, dass Sie sich gegebenenfalls mit dem Coronavirus angesteckt haben könnten. Diese Fälle werden auch im System registriert. Darüber hinaus gibt es einen leichten Anstieg bei den Hospitalisierungen. So weit, so gut. Wir befinden uns also in einer sehr stabilen, kontrollierten Lage.

Jetzt müssen wir uns fragen: Wo wollen wir aus dieser stabilen, kontrollierten Lage miteinander hin? Diese Frage muss man sehr wohl diskutieren, denn wir können nicht ewig in der Angst verharren, nie wieder ins normale Leben zurückzufinden. Wir müssen ein Stück weit damit leben.

Wenn alle so todesmutig mit dem Coronavirus umgehen würden, wie sie morgens ihr gezuckertes Müsli essen, obgleich die WHO sagt, nach diesem Müsli hat man die Zuckerration für den Tag schon gänzlich hinter sich gebracht … Und die meisten hören bei dem gezuckerten Müsli nicht auf. Die Folgen einer Diabeteserkrankung sind volkswirtschaftlich und für jeden persönlich sehr verheerend.

Wenn den Menschen das so bewusst wäre, wie es ihnen auch durch die Medien bewusst gemacht wurde, was eine Coronainfektion mit sich bringen kann, dann würden vielleicht viele anders damit umgehen bzw. in eine gewisse Panik verfallen, was ebenso wenig angebracht ist, denn das Leben bringt

seine Risiken mit. Wir müssen also alle darüber reden, wo wir miteinander hinwollen.

Wir sind aktuell – ich sage es noch einmal – in einer sehr kontrollierten Situation. Wir müssen wachsam bleiben, denn es kann sein – das wird in der Fachwelt durchaus diskutiert –, dass wir Richtung Herbst, Richtung Winter, vielleicht im Frühjahr eine zweite Welle erleben könnten. Es gibt sehr beunruhigende Meldungen beispielsweise aus China, aus anderen Ländern, wo erste Fälle von zweiten Infektionen festgestellt wurden – vielleicht angsteckt mit einer Mutation des Virus, man weiß es noch nicht so genau. Wir müssen also an der Stelle wachsam bleiben und trotzdem den Weg zurück in eine Normalität finden.

Das RKI ist durchaus bemüht; das ist hier mehrfach gesagt worden. Es ist nicht fehlerfrei, wie es vielleicht das eine oder andere Mal dargestellt wird. Auch das ist eine Fehlannahme. Aber Fehler, die gemacht wurden, werden in dieser Situation wieder korrigiert. Es ist eine ausnahmslose Situation, in der meiner Meinung nach auch Fehler erlaubt sind, denn wir befinden uns alle das erste Mal in einer solch ausnahmslosen Situation.

Die Annahme, man könnte direkt am Flughafen testen, indem man dort den Menschen ein Stäbchen in die Nase steckt, hat ihre Schwächen. Wir haben das gerade eben gehört. Wenn Sie neben jemandem im Flugzeug gesessen haben, der infiziert war, dann werden Sie dort wahrscheinlich nicht positiv getestet. Sie sind aber unter Umständen in ein paar Tagen positiv. – Dort wird aber schon mit Maß nachreguliert. Es gibt ja Teststrategien, die das besser abfangen können.

Wo steht NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern? – Ich glaube – ich sage das völlig ohne Häme –, es ist gut, das einmal nebeneinanderzustellen. Bayern hat es in vielen Fällen härter getroffen als NordrheinWestfalen, obgleich es dort nicht diese Ballungsräume gibt, in denen sich das Virus verbreiten könnte, obgleich es in Bayern andere Faktoren gibt, die eigentlich dafür sprechen würden, dass sich das Virus dort nicht so stark ausbreiten könne wie in Nordrhein-Westfalen.

Es zeigt sich also: Viel mehr, als wer bei der Coronabewältigung den größeren Sheriffstern am Revers trägt, sind externe Faktoren von Wichtigkeit, sind Faktoren von Wichtigkeit, wie schnell man Risiken erfasst, wie schnell man Superspreaderevents erfasst, wie schnell man Menschen isolieren kann, die vielleicht mit dem Virus wieder einreisen.

Das sind Dinge, über die wir uns in den kommenden Wochen unterhalten müssen, in denen es sehr wichtig sein wird, dynamisch auf diese neuen Fälle zu reagieren. Wie gesagt, wir wissen nicht, was im Herbst passiert. Aber bisher den Schwarzen Peter insbesondere Nordrhein-Westfalen zuzuschieben, ist eigentlich nicht redlich.

So bleibt mit am Ende nur noch zu sagen – das ist ein geflügeltes Wort an anderer Stelle –: Das Virus und dessen Lauf halten weder Kutschaty noch Laschet auf. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)