Für das Kohleausstiegsgesetz wurden die maßgeblichen energiepolitischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf Bundesebene abgewogen und getroffen. Die Erforderlichkeit des Tagebaus Garzweiler II wird dort in den Grenzen der rot-grünen Leitentscheidung von 2016 zur Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung festgestellt.
Diese Feststellung ist als bundesrechtliche Vorgabe für die Landesregierung bindend. Eigene Ermessenspielräume bestehen insoweit nicht mehr.
Dort, wo Entscheidungsspielräume bestehen, werden wir sie auch nutzen. Das kann ich zusagen im Sinne der Menschen, die vor Ort leben, und für eine zukunftsfähige Gestaltung der Region als Ausgangspunkt für einen nachhaltigen und tragfähigen Strukturwandel. Das kann und wird die neue Leitentscheidung auch leisten. Das ist unser Anspruch in der Landesregierung.
Wir gehen sehr umsichtig mit den Inhalten der neuen Leitentscheidung um. Das will ich, Frau Düker, auch noch einmal an Ihre Fraktion gerichtet sagen: Anders als 2016 sind wir nicht nur am grünen Tisch in Düsseldorf geblieben. Für die Erarbeitung des Entwurfs der neuen Leitentscheidung waren wir seit Februar in einem intensiven Austausch – ich bin Herrn Schnelle dankbar, dass er das hier aus seiner regionalen Betrachtung heraus vorgetragen hat – mit zahlreichen Akteuren im Rheinischen Revier,
mit den betroffenen Tagebau-Anrainerkommunen, mit den verschiedenen Bürgerinitiativen, den Naturschutzverbänden, mit den von Umsiedlung betroffenen Menschen und den am Prozess beteiligten Unternehmen.
Als Ergebnis dieser Gespräche will ich folgende Eckpunkte für die zukünftige Leitentscheidung hervorheben.
Anwohnerinnen und Anwohner in den Tagebauranddörfern wollen eine Minderung der Belastungen aus dem Tagebau. Beidem wollen wir in der neuen Leitentscheidung Rechnung tragen. Das hätte man damals schon tun können; wir wollen das in dieser Leitentscheidung möglich machen.
Zweitens. Mir ist wichtig, dass die Umsiedlungen weiterhin sozialverträglich umgesetzt werden. Mir ist auch bewusst, dass es in den Altorten Menschen gibt, die ihre Heimat nicht verlassen wollen. Ich habe mit ihnen selbst sprechen dürfen. Das ist auch absolut nachvollziehbar. Natürlich lassen wir auch diese Umsiedler nicht alleine und werden deren nachvollziehbare Forderung, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, zunächst Kohle unter unbebauten Grundstücken abzubauen, bevor bebaute Ortslagen in Anspruch genommen werden, intensiv bei unserer Leitentscheidung prüfen.
Drittens. Der Tagebau Hambach wird erheblich zu verkleinern sein. Damit werden wir den Hambacher Forst erhalten und einen von der WSB-Kommission ausdrücklich formulierten Wunsch erfüllen. Darüber hinaus werden weitere Wälder im Tagebau Hambach bestehen bleiben. Auch das Dorf Morschenich wird eine neue Perspektive bekommen.
Wir sind jetzt in der finalen Entwurfsphase. Die Abstimmungen zwischen den Landesministerien laufen. Der Entwurf der neuen Leitentscheidung wird dem Kabinett noch vor den Herbstferien vorgelegt. Direkt im Anschluss werden wir zu dem Entwurf der neuen Leitentscheidung eine zweimonatige Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen.
Beides wird die Gelegenheit bieten, dass sich die Menschen im Revier, die ansässigen Unternehmen, die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen und die vielen anderen Akteure mit ihrer Meinung in den Leitentscheidungsprozess einbringen können. Ihr Feedback werden wir bei der abschließenden Beratung über die neue Leitentscheidung berücksichtigen.
Ich weiß, dass wir alle noch viel Arbeit vor uns haben, und die Zeit drängt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die bevorstehende Herausforderung gemeinsam meistern werden und der Strukturwandel mit guten Perspektiven für die Menschen im Rheinischen Revier gelingen wird.
Ich wäre Ihnen, Frau Düker, und Ihrer Fraktion dankbar, wenn Sie noch einmal überdenken könnten – auch vor dem Hintergrund Ihrer Mitverantwortung in der Vergangenheit und unseres gemeinsamen Ziels, einem nachhaltig mit Menschen, Wirtschaft und Wohlstand verbindbaren Klimaschutz –, ob Sie nicht Ihre Oppositionshaltung an der Stelle aufgeben und versuchen, zu einem für
Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von Frau Düker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Pinkwart, Sie haben gerade Ihre rechtsstaatlichen Grundsätze betont.
Deshalb noch einmal auf der rechtlichen Basis nachgefragt: Die Ersteller des Kohleausstiegsgesetzes des Bundes haben in einer energierechtlich noch nie dagewesenen Art und Weise – bestellt von Armin Laschet, das wissen wir – in das Gesetz geschrieben: Garzweiler-Dörfer abbaggern ist energiewirtschaftlich notwendig – Punkt. Jegliche Begründung fehlt.
Das ist in der Anhörung auch komplett auseinandergenommen worden. Die einzige Begründung, die im Bundesgesetz steht, ist die Leitentscheidung 2016.
In die Leitentscheidung 2020 wollen Sie jetzt aber hineinschreiben, dass Sie das Abbaggern der Garzweiler-Dörfer mit dem Kohleausstiegsgesetz begründen. Das ist ein absurder Zirkelschluss.
Deswegen frage ich Sie noch einmal nach der rechtlichen Bewertung. Sind Sie denn tatsächlich der Rechtsauffassung, ist diese Landesregierung der Rechtsauffassung, dass der Verweis auf die Leitentscheidung 2016 jetzt im Jahre 2020 tatsächlich ausreicht, um den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts von 2013 Genüge zu tun, nämlich eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit auf Basis der aktuellen Lage und Grundannahmen darzustellen, die dann auch die Grundlage für die Enteignungen sind?
Sind Sie tatsächlich dieser Rechtsauffassung, dass sich der lapidare Verweis auf diese Leitentscheidung im Jahr 2020 eignet – nach Kohleausstiegsgesetz, nach Pariser Klimaschutzabkommen –, um Enteignungen in Garzweiler durchzuführen? – Danke schön.
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Düker, der Bundestag hat hier eine ganz klare Abwägung vorgenommen und eine Grundsatzentscheidung getroffen, die auch notwendig ist – vor dem Hintergrund der
Beratungen in der Kohlekommission und den von der Kohlekommission an die Bundesregierung gerichteten Erwartungen.
Gegenüber Ihrer Planung 2016 wird Hambach eben nicht bis zu Ende ausgekohlt, sondern es bleiben dort Hunderte von Millionen Tonnen Kohle erhalten, die nicht genutzt werden können. Damit bleiben auch Dörfer erhalten, die Sie zum Abraum freigegeben hatten – inklusive des Hambacher Forstes. Das wird jetzt nicht mehr stattfinden. Die anderen Tagebaue werden entsprechend der Planung eingestellt.
Es bedarf dazu noch eines Tagebaus, und der wird – bezogen auf die Grenzen der Leitentscheidung von 2016 – in der Bundestagsentscheidung festgelegt. Das ist der Bezug auf die Leitentscheidung. Damit ist sichergestellt, dass ein Tagebau zur Verfügung steht, mit dem bis 2038 spätestens auch die Kohleverstromung geleistet werden kann, von der die Bundesregierung und der Bundestag ausgehen, dass sie notwendig ist, um die Energieversorgungssicherheit Deutschlands gewährleisten zu können.
Das ist für uns eine verbindliche rechtliche Vorgabe, und wir gehen nach unseren rechtlichen Prüfungen davon aus, dass das Verfassungsgericht das genauso einschätzen wird, denn bei allen Zielen wie Klimaschutz und anderen, die wir zu berücksichtigen haben, hat die Energieversorgungssicherheit für die Bevölkerung einen sehr hohen Wert. Der war so hoch, dass Sie ihn in der Leitentscheidung 2016 zur wesentlichen Begründung ihrer damaligen Entscheidung gemacht haben.
Es ist richtig, dass die Bundesregierung und der Bundestag das auch zum Gegenstand ihrer Entscheidung jetzt getan haben, in engeren Grenzen, als es seinerzeit vorgesehen war.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich meinem Vorredner Thomas Schnelle nur anschließen. Wichtig ist, dass die Seelen der Dörfer umziehen, dass man mit allen Bürgerinnen und Bürgern spricht. Das tun die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, die ihre Wahlkreise dort haben: Thomas Schnelle, Patricia Peill und Frank Rock. Sie sprechen mit allen Bürgerinnen und Bürgern, maßen sich nicht an, für alle zu sprechen,
haben aber das offene Ohr eben für alle und sind nicht auf einem Ohr taub oder auf einem Auge blind.
Ich will einen kurzen Faktencheck machen. Was das Thema Inden angeht, stelle ich mir das schwierig vor. Wir hatten es ja eben schon in der Debatte. Wenn der Tagebau Inden – Ihrer Meinung nach sollten wir diesem Antrag zustimmen, was wir aber nicht tun – mehr ausgekohlt wird, tiefer ausgekohlt wird, also verbreitert wird, wie soll denn dann die Kohle zu den beiden Kraftwerken kommen? Weisweiler, ein relativ altes Kraftwerk, wird dann wahrscheinlich klimafreundlich mit LKWs bedient, denn das Kraftwerk Weisweiler liegt nicht an der Nord-Süd-Bahn und ist somit nicht wie die beiden Kraftwerke in Neurath und Niederaußem angeschlossen. Ich weiß nicht, ob das dem Klima wirklich hilft.
Ein dritter Punkt vorab: Sie schreiben in Ihrer Leitentscheidung 2016 – den Fakt wollen Sie ja auch nicht anerkennen, sondern negieren ihn immer wieder – „Zukunftssicherheit für die Menschen im Braunkohlerevier“. – Zukunftssicherheit bedeutet für Bündnis 90/Die Grünen also 2016 bis 2017, ein Jahr. Wenn das Zukunft ist, dann weiß ich nicht, wie wir dann noch über unsere Kinder und Enkelkinder sprechen wollen, wenn Sie Zukunft als ein Jahr definieren.
Ich möchte noch einmal zum Thema „Leitentscheidung“ kommen, denn Professor Pinkwart hat gerade wie auch in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses betont, dass die Leitentscheidung vor den Herbstferien kommt und das Beteiligungsverfahren im Anschluss starten wird.
Ich finde es ganz wichtig, dass gerade die, die um den Tagebau herum wohnen, genauso mit betrachtet werden wie die, die umsiedeln. Ich habe in meiner letzten Rede im Mai schon gesagt, es ist wirklich eine Wahnsinnsentscheidung, zu gehen, für die Kohle, für unseren Industriestandort umzuziehen. Es ist keine leichte Entscheidung, seine Heimat zu verlassen. Davor haben ich und meine Fraktion einen ganz großen Respekt. Wir bedanken uns auch bei allen, die diesen Schritt mitgehen: für unseren Industriestandort in Nordrhein-Westfalen.
Wir als NRW-Koalition stehen zu dem gesellschaftlichen Konsens, wir stehen zu den Menschen im ganzen Revier. Sie, liebe Grüne, schreiben das auch in Ihrem Antrag: „Die Interessen der Menschen in den Umsiedlungsdörfern und rund um die Tagebaue und von Umwelt- und Naturschutz verdienen die Berücksichtigung der Landesregierung.“
Es ist absolut unterstützenswert, dass die Landesregierung das gesamte Rheinische Revier betrachtet. Deshalb heißt es auch in einer Antwort der Landesregierung auf Ihre Anfrage, dass die Landesregierung eben das gesamte Rheinische Revier im Blick
hält. Dazu gehören eben auch die Orte, die direkt am Tagebau liegen. Ich möchte für meinen Wahlkreis die Stadt Elsdorf nennen, der es besonders wichtig ist, dass die Verkippungsgrenze eine Gewähr für die Standsicherheit des Ortes bietet ist und dafür auch noch Kohle bewegt werden muss.
Wir haben im Revier viele tolle und fleißige Menschen, Unternehmen, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich engagieren, für ihre Heimat engagieren. In meinem Wahlkreis sind die Umsiedlungen schon abgeschlossen. Bei mir sind viele Orte umgesiedelt worden.
Ich will einmal aus zwei Orten berichten, zum einen aus dem Ort Neu-Etzweiler. Dort gibt es die Maigesellschaft „Holdes Grün“, die jedes Jahr tolle Veranstaltungen organisiert – was natürlich dieses Jahr etwas schwieriger ist. Aber dort ist mit dem Umzug des Ortes von Alt-Etzweiler nach Neu-Etzweiler die Seele mit umgezogen, die Maigesellschaft kann weiterhin ihren Aktivitäten nachgehen, sich um das Brauchtum und die Kultur kümmern.