Protokoll der Sitzung vom 16.02.2000

(Beifall bei F.D.P. und SPD- Zuruf der Abg. Frau Grü:tzmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nac~ über acht Jahren Beratungen muss man auch die Kraft zu Entscheidu-ngen haben. Das wollen wir heute tun.

(Zuruf der Abg. Dr. Braun und Frau Bill, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese breit angelegte Stoffsammlung kon·~-i:e natorlich nur in einem Gesetzentwurf münden, der auch kompromisshafte ZOge trägt. Kompromisse werden in unserer Demokratie sehr häufig- ich erlebe das täglicl:i draußen auf Veranstaltung_en -. als etwas Negatives dargestellt. Dabei ist der Kompromiss die Keimzelle für das Funktionieren von Demokra-tie. Damit bOn

~eln wir unterschiedliche Interessen. Damit führen wir sie zusammen und machen auch Lösungsprozesse ~öglich. Deshalb ist es so wichtig, auch an 'dieser Stelle herauszustellen, dass wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs die Kraft gefunden haben, unterschiedliche Interessen zusammenzu-bringen, unter Hintanstellung natOrlich auch eigener Vorstel

lungen. Das ist notwendig.

(Zuruf der Abg. Frau Bill, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine, dass wir die Kraft gefunden haben, einen solchen Gesetzentwurf zu verabschieden, mafht deutlich, dass unsere Demokratie auf einer breiten Basis, auf einem soliden Fundament steht. Auch das gilt es, in der heutigen Zeit herauszustreichen.

Frau Kollegin Grützmacher, Sie sprachen in der Debatte die Affären an. Es ist nicht die Aufgabe einer Verfassung, und es - ist auch nicht möglich-. in einer Verfassung das Fehlverhalten. der Menschen irgendwie zu verhindern. Unsere Verfassung und die sich daraus ergebende gesellschaftliche Wirkli~hkeit muss ?O angelegt sein, dass dieses Fehlverhalten aufgearbeitet und untersucht wird. Ich meine, die Vorgänge der letzten· Woche machen gerade deutlich; dass wir ineinem solchen

Sys:tem leben. Die Vorgänge in der vergangenen Zeit machen deutlic!"J. dass niem~nd Ober dem Gesetz und der Verfassung

steht.

(Beifall der F.D.P. und der SPD)

Deshalb hat sich das, was wir an Verfassung in den letzten 50 Jahren hatten, durcha~us bewährt. Ich meine, dass in dieser Krise durchaus die Chance besteht, dass unser demokrati~

scher Staat auch als Rechtsst~at gestä-rkt daraus hervorgeht.

._ (Frau Grützmacher, BÜNDNIS 9Ö/DIE GRÜNEN:

Darüber reden, nic~t alles_ vorbeigehen lassen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir passen unsere Verfassung an, aber wir lassen auch ihre hist_orischen Wurzeln unangetastet, das heißt, wir passen rnoder

~gehört, weil wir bei dieser Gelegenheit natürlich unsere Wurzeln nicht abschneiden wo_llen.

Ich ~öclite noch zu einigen wenigen Aspekten_ Stellung neh-_ men, zum Beispiel zum Verhältnis der Landesregierung zum Landtag. Hier sieht der neue Artikel 89 b vor, dass die Regierung verpflichtet sein soll, den Landtag frühzeitig über be-

stimmte wichtige Gegenstände der Landespolitikzu unter

richten. Dies war bisher nicht in der Verfassung geregelt, son

dern ~urde in Schriftwechsen, die zwischen dem Präsidenten des Landtags und dem Ministerpräsidenten ausgetauscht wurden, geregelt. Aus ihnen ergibt sich, in welchen Angele" genheiten der Landtag zu unterrichten ist. Dazu geliört eine ·Unterrichtung Ober Staatsverträge,.Bundesratssachen, Be

schlüsse der Fachministerkonferenzen sowie EG-Angelegen

heiten in dem dort näher bezeichneten Umfang.

Der neue. Af!:ikel zu.r Informationsbeziehung enthält aller

·dings.eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe wie- etwa_

.,frühzeitig" oder.,erheblicher landespolitischer Bedeu

tung". Hierin liegt nun ein. erhebliches verfassungsrechtliches Streitpotenzial, weshalb es_ die Landesregierung ausdrücklich begrüßt, dass nach Abs. 3 dieses neuen Artikels ein~ Regelung der Informationspflicht durch eine Vereinbarung zwi

schen Landtag und Landesregierung zustande kommen soll. Aus Sicht der Landesregierung ist diese Vereinbarung ein geeigneter Weg, um die unterschiedlichen Interessen~ die die Exekutive und das Parlament haben, zum Ausgleich zu bringen. Der Kernbereich.,exekutive Eigenverantwortung" kann in Gefahr geraten, wenn zu frühzeitig Gedankenskizzen, Vorentwürfe und Ähnliches, die der Willensbildung der Landesregierung im Grunde nocli nicht zugerechnet werden. -können, auf den freien Markt gebracht werden.

Auf der anderen Seite sehen wir durchaus, dass es ein Ieghi

rnes Interesse des Landtags ist, einen Überblick über die poli

tisch relevanten Bereiche -der Regierungstätigkeit. zu gewin

nen. Information ist eine wichtige Voraussetzung für die poli

tische Aktivitität. Es wird deshalb Sache der vorgesehenen Vereinbarung sein, diese beiden Aspekte durch Absprachen

so zu konkretisieren, dass kiar ist, wann und zu welchem Zeit-.

punkt zu welchen Unterrichtsgegenständen auch die Unter

·richtung zu erfolgen hat. Ich denke, dass sich im Laufe der Zeit, wenn wir dieses in einer konkreten Vereinbarung möglichst ver_nünftig regeln, auch 'das Verwaltungshandeln ent

-sprechend einrichten wird, sodass wir hiermit keine Pro.bleme haben.

lc:h meirü~·schon, dass im Interesse der Funktionsfähigkeit der Exekutive darauf zu achten ist, dass der Exekutive auch einRaum bleibt, in dem sie Überlegungen anstellen kann, bevor sie damit an die Öffentlichkeit geht. Deswegen_ wird in selte"

· nen Fällen nur eine Information vor der Kabinettsitzung aus meiner Sicht erfolgen.

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zu der Ände~ rung der_ Lande_?verfassung im Hinblick auf den Verfassungsgerichtsllof. Ich finde es richtig, dass bis auf den Präsidenten die Richter vom Landtag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zukilnftig gewählt werden sollen. Das stellt nochmals ihre Überparteilichkeit, ihre Neutralität als Richter; die über die Verfassung zu wachen haben, heraus.

lc:h finde es auch richtig, dass wir in diesem Zusammenhang bei der Veränderung der Landesverfa-ssung die Verfassungsbeschwerde, die wir schon einfachgesetzlich ha):)en, nunmehr in der Verfassung verankern. Es ist nämlich eine andere Qualität, wenn wir den Rechtsschutz zur Erzielung, zur Erlangung der Rechte, die sich aus der Verfassung ergeben, auch in der Verfassung selbst verankern und damit dem Zugriff, durch

einfachgeset~liche Regelungen etwas zu ändern, entziehen.

(Vereinzelt Beifall bei F.D.P: und SPD)

.In diesem Sinne bin ich trotz_aller Kompromisse, die man ein

gehen muss, Herr Kollege Berg, mit der vorgeschlagenen Änderung der Verfassung einverstanden.

· Sie sprachen die Staatszielbestimmungen an. Auch ich könnte mir weniger vorstellen. Aber es sind allemal achtenswerte

Ziele, die dort hineingeschrieben werden. Mit dem Hinein: schreiben in die Verfassung als Staatszielbestimmung ist noch

- l

mn, wie diese in der Wirklichkeit umzusetzen sind. Diese Auf

gabe bleibt vornehme Aufgabe des Parlaments, insbesondere bleibt es Aufgabe des Parlaments, die hierfür notwendigen Mittel zur VerfUgung zu stellen; denn aus dem Staatsziel allein ergibt sich noch kein Anspruch an den Staat, der hieraus. zu erfüllen wäre. Hierzu bedarf es immer noch der Umset