Protokoll der Sitzung vom 17.08.2000

-Er ist ein schlechter Verlierer, weil er zum Beispiel vorschlägt und sagt, was selbst Herr Koch nicht will, es wäre unmöglich, dass dieser Antrag des Bundesrats, der dort_ verabschiedet worden ist, nun Gegenstand ein_er Verhandlung im B~ndes tag werden sollte. Da sagt selbst Herr Koch, das würde sich auseinander ent11vickeln, das könne man nicht tun. Insofern ist er ein schlechter Verlierer, weil er die Konsequenz der Veränderung, nämlich das, was zum Mittelstand gemacht worden ist, nicht haben will. Das gehört auch dazu.

Also, wennSie v~m uns verlangen, wir müssten in dieser Frage in uns gehen, dann habe ich nur eine Bitte: Gehen wir alle in uns. - Waren alle politischen Spekulationen, diese Steuerre-

form jetzt zu verhindern und drei Monate später vielleicht in einer zweiten Runde umzusetzen, nur von der-Würde des Bundesrats und dem Respekt vor dem Verfassungsgericht ge

tragen?- Sie waren genauso banal wie andere Vorstellungen.

(Beifall desAbg. Dr.Schiffmann;SPD)

Es gehört auch dazu, dass wir uns niefit gegenseitig vorhal

ten, wer der Moralischere in dieser Frage gewesen ist.

Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt. Natürlich ist die Frage der Mittelstandskomponente - - - Sie haben dies in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Personengesellschaften und anderen Rechtsformen anges_prochen. Manchmal

wundert mich das. Sie sind - ich darf dies auch einmal so sagen- ein heller Kopf. Von Ihnen kann man auch etwas lernen.

(Keller, CDU: Ja, dann tun Sie es doch!)

-Herr Keller, Sie- haben das zehn Jahre lang auch nicht getan. Dann lassen Sie mir wenigstens eine Stunde lang Zeit.

Herr Dr. Gölter, wenn in ganz Europa die Frage nach der Gesellschaftsform mittelständischer Unternehmen anders als in den deutschsprachigen oder in den deutsch dominierten Räu

men beantwortet wird, stellt ·sich die spannende Frage, ob wir uns auf Europa einstellen ·oder ob sich Europa auf Deutschland einstellt.

(Dr. Gölter, CDU: Dannsoll er es doch sagen!)

- Entschuldigung, aber das konnten Sie, der gern die "ZEIT"

· liest- ich beobachte das mindestens einmal pro Woche-, dort nachlesen. Insofern ist der Schritt,_ den wir anbieten, auch ein Versuch, europatauglicller zu werden. Sie machen daraus den Verrata_m Mittelstand..

-Herr Ju!lien,-Sie haben auf diese Frage nicht geantwortet. Durch Ihre berufliche Tätigkeit könnten Sie mir viel besser erklären als ich es je lernen kann, weshalb es sinnvoll ist, Personengesellschaften umzuwandeln; denn das ist. Ihr' Beruf. Dann geben Sie bitte nicht vor, dass das ein Schreckgespenst sei, sondern das ist die Realität Ihrer täglichen Arbeit und das aus guten Gründen.

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Wenn Sie das machen, wird Qas wohl hoffentlich richtig sein. Sie __ werden doch wohl nicht Ihre eigene- gut bezahlte, versteht sich-Tätigkeit als falsch interpretieren.

(Zuruf des Abg_. Jullien, CDU)

Aus dem "Kuhhandel" wird letztlich nichts anderes als ein politisches Geschäft. ln Berlin, Brandenburg und Bremen muss es doch Partner gegeben haben, die das nicht als "Kuhhandel" verstanden haben, sondern als eine politische Situa

tion, au_s der sie einen Vorteil herausschlagen konnten. Jetzt folgt meine Schlussfolgerung: Rheinland-Pfalzhat sich für Sachen eingesetzt, für die gesamte Bundesrepublik, nämlich bezüglich der Frage, wie der Mittelstand in einigen Punkten zu behandeln ist.- Deshalb bin ich der Meinung, dass es keinen Grund gibt, uns in diesem Parlament von Ihnen vorhalten zu lassen, wir hätten einen "Kuhhandel" betrieben.

(Beifall der SPD und der F.D.P.- Ministerpräsident Beck: Richtig spannend heute!)

Ich erteile Herrn Staatsminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gehe nur auf \1\/enige angesprochene Aspekte ein.

Zunächst g~he ich aufden Vorwurf der Mittelstanc!sfeindlichkeit in Bezug auf die Behandlung der Einzelunternehmer,derPersonengesellschaften und der Freiberufler bei Geschäfts~ aufgaben und Betriebsveräußerungen ein. Dafür gilt jetzt ein Optic;msmodell. Zunächst gilt ein Freibetrag von 100 000 DM. Der darüber hinausgehende Betrag kann der Regelbesteuerung untervvorfen werden. Das heißt: Der Gesamtbetrag ge

teilt durch fünf, dann wird der Steuerbetrag darauf abgelesen, mit fünf multipliziert und dann erhält man den endgültigen Steuerbetrag, oder: halber Steuersatz nach dem Freibetrag von 1 00 000 DM.

Diese Regelungen sieht das Gesetz vor. Herr Jullien, ich rufe Ihnen in Erinnerung, was in den_Petersberger Beschlüssen vorgesehen war: Die Abschaffung des Freibetrags, der damals 60 OOODM betrug und jetzt auf 100 000 DM erhöhtworden ist.- Unter derCDU-Regienmg sollte er abgeschafft werden.

(Jullien, CDU: Wir hatten ihn 1998 abgeschafft. Was ist mitden _Jahren 1999 und 2000?} ~ Der ist doch geblieben! l;) er 60 000 DM-Freibetr2g gilt zurzeit!

(Jullien, CDU: Aber nicht der halbe Steuersatz!}

-Ich \villlhnen einmal sagen, was die CDU mit den Petersber

ger Beschlüssen vorhatte: die Abschaffung des freibetrages. - Die jetzige Regierung hat den Freibetrag· von 60000 DM auf 100 000 DM erhöht: Damitsind 85% allerVer-äußerungsfälle steuerfrei.

-Darüber hinaus stand in den Petersberger Beschlüssen und in dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Ge~_etz der alten Koalition, dass der halbe Steuersatz für Betriebsveräußerungen abgeschafft wird. Jetzt ist der halbe Steuersatz maßgeblich. Jetzt frage ich: Wer hat mittelstandsfreundlich gehandelt? Wer hat sich den Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit zugezogen, den Sie erhoben haben? Sie liegen voll daneben, wie zumeist.

(Beifall der SPD

ZurufdesAbg. Bracht, CDU}

Herr Fraktionsvorsitzender Böhr und Herr Abgeordneter Dr. Gölter haben die Besserstellung der Großind_!Jstrie ange

sprochen. Es ist erst einige Monate her, dass Herr Ministerpräsident Teufel in einer leidenschaftlichen Rede im Bundesrat der Regierung vorgeworfen hat, sie :treibe mit ihrer Steuer

politik die Großindustrie, die Industrie und die Industriearbeitsplätze aus dem Land: Jetzt mit einem Mal wird der Regierung vorgeworfen, sie begünstige die Großindustrie in unangemessener_ Weise. Vielleicht -überlegen Sie sich noch einmal, auf welche d!=!r beiden Argumente Sie sich einlassenwollen.

Herr Dr. Gölter, ich habe ~;elernt, dass auch ein so kluger MannwieSie

(Pörksen, SPD: Oho !}

- das meine ich so, wie ich es sage - für Argumentationen nicht offen ist und dass Sie bewusst- an mangelnder Aufnahmefähigkeit kann es nicht liegen- ausblenden, dass für mehr als 95 % des Mittelstands, der in Einzelunterneh['flen und Personengesellschaften organislert ist, die Besteuerung nacn der Einkommensteuer günstiger ist als nach der Körperschaftsteuer.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU}

Das ist die Situation, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Deshalb wird es schwer sein, dies mit Nachdruck zu vermitteln.

Meine Damen und Herren, Sie müssen den Vorwurf, im _Jahr ?005 sei die prozentuale Belastung des Gehalts höher, weil in der Zwischenzeit die ?rogression angestiegen sei, den Sie heute nicht zum ersten 11/lal erheben, noch einmal über- denken. Der ansonsten von mir hochgeschätzte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, Rauen, erzählt diesen Unsinn auch ständig.

Wenn Sie diese Wirkung verhindern wollen, müssen Sie den linearprogressiven Tarif abschaffen. Gerade diesen linearprogressiven Tarif hat niemand- und zwar aus guten Gründen- leidenschaftlicher in den vergangenen Jahren verteidigt als der langjährige BundesfinanzministerThe_o Waigel.

Das passt nicht zusammen mit dieser vorgeschobenen Argumentation. Das ist für die -Leute auch relativ uninteressant.

Wichtig ist, was ihnen netto in der Tasche bleibt oder- um es konkreter zu sagen - was ihnen netto mehr in der Tasche bleibt als zuvor.

Die bittere Klage, die im Hinblick auf das vorgetragen worden ist, was nunmehr verabschiedet worden ist, ist unberechtigt. Ich willihnen eine kurze Passage aus der.,Sügdeutschen Zeitung" vom 27. Juli 2000 vorlesen, aus einem Gespräch mit Kurt Biedenkopf:.,Hätte die Regierung rechtzeitig mitge

teilt; dass sie den Spitzensteuersatz auf 42% zu senken bereit sei, hätten in jedem Fall auch die Länder Baden-Württem

berg, Saarland, Sachsen und Thüringen zugestimmt, wahrscheinlich auch Bayern;" Wenn diese Steuerreform so des Teufels ist, wie sie , auch von Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzen-

der Böhr, dargestellt worden ist, frage ich mich, weshalb bei dieser jetzigen Konstellation Biedenl