Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

gemeinsam auf Tatsachen konzentrieren. Wir müssen unseren Landwirten, die sich in schwierigsten existenziellen Situationen befinden, beistehen und helfen. Genauso müssen wir den Metzgern und dem Fleischerhandwerk zur Seite steheo

und helfen und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher, das getäuscht ist, wiederherstellen.

Wenn wir uns zurückerinnern, warum wir uns in dieser Situation befinden, muss man in die 90er-Jahre zurückblicken, auch wenn ich heute_ nicht die Zeit für die Vergangenheit überbeanspruchen möchte. Es kann nicht so sein, dass man heute bei den Menschen im Land den Eindruck erweckt, _vor zwei, drei oder vier Jahren wäre irgendetwas in Deutschland und in Rheinland-pfa)z nicht getan worden, was heute zu die,

ser Situation füh_rt. Das wäre falsch und unredlich.

Wenn wir zurückblicken, müssen wir nach England und Brüssel schauen; denn dort sind die Versäum_nisse Ende der

80er-Jahre und in den 90er-Jahren getätigt worden.

Wir haben_zunächst völlig allein im Bundesrat unter anderem für ein Importverbot britischen Rindfleischs gekämpft. Wir haben alle Länder auf eine einheitliche Linie bringen können. Der Bundesrat ist seit 1995 intensiv dabei, sich für den Vertiraucherschutz mit den entsprechenden Maßnahmen einzusetzen und dies auch umzusetzen.

Ich darf nur daran erinnern, dass bereits 1996 darüber gesprochen worden ist, dass die Situation bei Schafen und Ziegen europaweit völlig unzulänglich geregelt ist. Wir mussten sozusagen unverrichteter Dinge aus dem Bundesrat heimkehren, weil die damalige Bundesregieri..mg nicht- die Kommission schon gleich gar nicht- unsere Vorschläge aufgegriffen hat und kein Handelsverbot ausgesprochen hat.

Ich darf auch daran erinnern, dass wir in Deutschland herkömmlicherweise, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, schon immer ein Dampfdrucksterilisationsverfahren bei der Herstellung von Tiermehl praktiziert haben. Ich darf auch daran erinnern, dass wir aus Rheinland-Pfalz es waren,

die sich im Bun-desrat vehement gegen die langen Übergangsfristen in den anderen europäischen Ländern zur Wehr

_gesetzt haben. Dort liegen die Ursachen für die BSE-Krise in Europa, weil die Europäische Kommission über Jahre hinweg nicht dafür Sorge getragen hat, dass in anderen europäischen Ländern Tiermehl mit dem hohen technischen Standard wie bei uns hergestellt wird. Dort liegen die lnfektlonsquellen.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

-Meine Damen und Herren, wir haben auch über Jahre hinweg dafür gekämpft, dass britisches Tiermehl, welches mit schlechten Standards aus seuchenbehafteten Herden- kam,

nicht in den Handel gerät. Wir haben die Luken dicht gemacht. Das Landwirtschaftsministerium hat Mitte der 90er

Jahre in Rheinland-Pfalz Kontrollen auf britisches Tiermehl durchgeführt, damit sich kein britisches Tiermehl in Rheinland-Pfalz irgenäwo in irgendwelchen L~gern befindet.

Wir haben Schlachtverbote· für britische Rinder ausgesprochen. Wir haben alle britischen Rinder in Rheinland-Pfalzmit Tötungsanordnungen aus dem Verkehr gezogen. Lediglich ca. 20 britische Rinder befinden sich noch in Rheinland-Pfalz, die aber unter amtlicher Beobachtung stehen. Meine Damen und Herren, es gäbe noch eine ganze Menge zu sagen.

Zusammenfassend: Diese Landesregierung muss sich keinen Vorwurf dafür machen l3ssen, dass sie irgendetwas unterlassen hätte, was zu tun war. Wir sind allerdings eingebunden in den gesamteuropäischen Kontext. Das ist wahr. Das schmerzt

uns, weil, wenn es nach uns gegangen wäre, in Europa manches anders geschehen wäre.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

Meine Damen und Herren,_es waren doch die Bundesländer, - die mit dem Bundesgesundheitsminister Seehafer im Jahr 1995 nach Brüssel gereist sind, um mit Kommissar Fischler zu sprechen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran. Auf die Frage, die ich an Herrn Fiscliler gestellt habe, wie es denn mit dem Tiermehl ausschaue, das nicht richtig hergestellt sei und durch Europa vagabundiere, habe ich beredtes Schweigen geerntet. Das war damals für die Kommisison noch kein Problem. Deswegen gestatten Sie mir, dass ich auch hier, wie kürzlich im Bundesrat, sage: Ich halte es für perfide, wenn Kommissare der Europäischen _Kommission heute mit dem großen Finger nach Deutschland zeigen und den Eindruck erwecken wollen, Deutschland wäre schuld am BSE-Geschehen irgend wo iri Europa: Das ist absolut perfide.

(Beifall bei SPD und F.b.P.)

Meine Damen l!nd Herren, wir wissen auch- das gehört.auch mit zu den Tatsachen -, dass die Regierung Blair in E_ngland dann erstmalig überhaupt 9amit begonnen hatte, transparente Maßnahmen für die Voraussetzungen des weiteren Verfahrens zu _treffen. Die kommisison hat, was die KennzeichnungsregeJung betrifft, das nicht eingehalten, was sie

europaweit versprochen hat, nämlich, dass alle Mitgliedstaaten entsprechende nationale Regelungen treffen, wie wir sie in Deutschland getroffen haben. Deshalb hat sich der Bundesrat auch einmütig, einstimmig über alle Parteien und Länder hinweg, vorletZten Freitag darauf verständigt, sämtliche Importverbote wieder so lange aktiv werden zu lassen, bis alle Länder Kennzeichnungsvorschriften eingeführt haben. Was im Bundesrat gelungen war c alle Läf!der, A-Länder, B-Länder, Grüne, Rote, Schwarze, Umweltminister. Gesundheitsminister -. einen einheitlichen Antrag zu formulieren,

das wäre wunderbar, wenn das auch in diesem Landtag mög

lich wäre, meine Damen und Herren.

Beifallbei SPD und F.D.P.)

Meine Damen und Herren, dass wir es außerordentlich be

grüßen, dass wir jetzt bundesweit die Schnell"tests zur Pflicht

machen, darf ich auch noch einmal unterstreichen. Ich warne jedoch davor, den- Eindruck zu erwecken, wenn nur ein Schnelltest gemacht ist, dann ist die Sache in Ordnung. Meine Damen und Herren, das ist nämlich nicht so. Nach aller Erfahrung und nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen kann man mit diesen Schnelltests, die im Übrigen erst seit gerau- _ mer Zeit validiert sind - vorher waren sie amtlich noch gar nicht anerkannt; es wäre also Augenwischerei gewesen, einen Test einzusetzen, dessen Ergebnis nicht anerkannt ist -. nur erkennen, ob ein Rind schon Krankheitsanzeichen hat. Man kann aller Statistik nach auch nur erkennen und diese Erkenntnisse nur bei Rindern sammeln. die um die 30 Monate und älter sind. Das ist die Tatsache. Jetzt also den Eindruck zu erwecken, ein junges Rind müsse nur getestet werden und könne dann als BSE-frei in den Handel kommen, das wäre Augenwischerei und würde nicht zur Stärkung des Vertrauens bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern beitragen.

Meine Damen und Herren, wir untersuchen seit Jahren in Rheinland-Pfalz - ohne großes Aufheben- in unserem Landesuntersuchungsamt Risikotiere auf BSE, und zwar mit ausgefeilten Labortests. Wir haben bereits Tausende untersucht, nicht nur Rinder, sondern auch Schafe und Schweine. Bei all

diesen Tieren war in keinem Fall ein Ergebnis.,BSE-positiv" zu finden- Gott sei Dank.

Das und die Tatsache, dass bei uns in der herkömmlichen Landwirtschaft Tiermehl in der Regel nie in die Kreisläufe bei Wiederkäuern gelangt war. war immer auch der Grund für die Aussage, dass wir uns als BSE-freies Land europaweit einstufen konnten, auch mit dem Segen des Veterinärausschusses aus Europa. Es geht also nicht darum, etwas schönzureden, sondern anhand der Fakten Rückschlüss·e zu ziehen.

Die Tests, die jetzt laufen, werden uns einen weiteren verbesserten Überblick über das Gesamtgeschehen geben. Das ist gut und richtig so. Wir tun dies auch. W-ir haben in f3.heinland~

Pfalz unsere Testkapazitäten aufgebaut. Es gibt derzeit Lieferschwierigkeiten bezüglich der Schnelltests von den jeliveiligen Firmen, die diese herstellen, doch unser Landesuntersuchungsamt konnte bis zum heutigen Tag alle angeme_ldeten_

Schlachtungen abwickeln. Das muss deutlich gemacht werden. Wir können auch auf Testkapazitäten anderer Einrichtungen zurückgreifen.

Meine Damen und Herren, auch das Tiermehlverfütterungsverbot, welches mit Gesetz umgesetzt wurde, wird von der Landesregierung begrüßt. Wir haben das im Bundesrat auch entsprechend unterstützt. Wir werden in Rheinland-Pfalzdie

Futtermittelüberwachung, die in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsministers, bei Herrn Kollegen Baucktiage, liegt, weiter intensivieren. Auch das ist in der Vergangenheit bereits geschehen. Herr Kollege Bauckhage wird sicher dazu

auch noch Aussagen machen, wie weiter über die Kontrollen der jeweiligen Futtermittel verfahren wird.

Die Landesuntersuch.ungs- und Forschungsanstalt hat Ende November -mitgeteilt, dass in einer Futtermittelprobe, in einem Ergänzungsfuttermittel für Kälber, ein Gehalt an tierischem Gewebe in Höhe von 1 '!:: bis 2 % festgestellt wurde. Die zuständigen Behörden haben daraufhin unverzüglich Maßnahmen-in Bezug auf die Herden, bei -denen diese Futtermittelergänzung eingesetzt wurde, ergriffen. Dies wird auch so lange notwendig sein, bis wir Klarheit haben. Es handelt sich in diesem Fall wohl um unbeabsichtigte Verunreinigungen des Futters. Aber deren Relevanz wird zu überprüfen sein. Die beiden Häuser sind mit eingeschaltet.

Meine Damen und Herren, wir wissen alle- ich darf dankenswerterweise auf das zurückkommen, was frau Jahns schon formulierte-. dass die Situation in der Landwirtschaft, gerade im Bereich der Nutztierhaltung. aufgrund der Struktu·ren so entstanden ist, wie gerade eben schon geschildert wurde. Unsere bäuerliche Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz ist· nicht vergleichbar mit Agrarfabriken, mit industrieller Landwirtschaft wie zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern oder in Niedersachsen, um einmal zwei Bundesländer zu nennen. Deswegen ist es gerade für unsere Situation in RheinlandPfalz. gerade für unsere bäuerliche Struktur in Rheinland-. Pfalz. so wichtig und so richtig, wenn wir neue Wege in die

sem Zweig der Landwirtschaft beschreiten würden,

{Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir damjt die Konkurrenzsituation unserer Landwirte verbessern können. Sie wird nicht verschlechtert, sondern gerade im Gegensatz zu denen, die in ihren Ställen mit riesigen Mengen arbeiten. verbessert ·werden können, meine Dam~n und Herren.{ZurufdesAbg. Billen, CDU)

An dieser Situation kann ein Bundesland allein nichts ändern. Das muss auf gesamteuropäischer Ebene umgesteuert wer

~en. Die Finanzrerung muss umwelt-und tiergerecht und entsprechend der bäuerlichen Landwirtschaft geleistet werden. Das muss unser gemeinsames Bestreben sein, meine Damen und Herren.

{Beifall der SPD und der F.D.P.

· Zuruf des Abg. Billen, CbU)

-Herr Billen, seien Sie doch froh. Möglichkeiten und Maßnah

men in diesem Sinn würden unseren Landwirten in Rheinland-Pfalz wesentlich mehr nützen als den Agrarfabriken in Mecklenburg-Vorpommern. Das muss doch unser Interesse sein, meine Damen und Herren.

(Billen, CDU: Sagen Sie doch einmal, was Sie meinen; damit man mit Ihnen darüber diskutieren kann! Sie sagen, neue Wege,_ und dann ist Feierabend!)

- Es gibt eine ganze Menge dazu zu sagen. So ist beipielsweise in.dem Gutachten, das ich 1997 in Auftrag gegeben habe und das die Abgeordnete Frau Kiltz zitiert hat, eine ganze Menge darüber enthalten, wie dieser Weg aussehen_könnte. Ich sage aber noch einmal ganz deutlich, das können wir nur europaweit stemmen, nicht jedoch allein aus Rheinla-nd-Pfalz heraus. Wir wollen die- Konkurrenzfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Betriebe verbessern. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise der Landwirtschaft in Europa ist dies der einzig richtige Weg, gegen den eigentlich niemand etwas haben kann.