Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe allen Grund, mich beim Herrn Alterspräsidenten für seine launige, aber auch tief schürfende, auf Probleme aufmerksam machende Rede zu bedanken. Es sind – das ließ sich nicht vermeiden – auch Themen angesprochen worden, die auch in meiner Rede thematisiert werden müssen. Die Bedeutung dieser Themen rechtfertigt das auch.
Meine Damen und Herren, Sie haben mich nun zum dritten Mal zum Präsidenten des Landtags gewählt. Für das große Vertrauen, das damit zum Ausdruck kommt,
danke ich Ihnen. Ich will sozusagen aus aktuellem Anlass hinzufügen: Trotz der einen oder anderen zugespitzten Diskussion in den letzten Tagen sichere ich Ihnen zu, dass wir zu einer sehr kollegialen, vertrauensvollen Zusammenarbeit kommen werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben mir Gelegenheit gegeben, eine Aufgabe fortzuführen, die ich - das haben Sie sicherlich bemerkt – in den vorangegangenen zwei Wahlperioden gern wahrgenommen habe. Ich werde meine Arbeit für dieses Parlament, für die Bürgerinnen und Bürger, mit dem gleichen Einsatz, mit der gleichen unveränderten Zielsetzung und natürlich mit der gebotenen Überparteilichkeit, die das Amt fordert, fortsetzen.
„Überparteilich“ heißt natürlich nicht politisch indifferent. Daher werde ich mich auch weiter zu politischen Fragen äußern. Bei einem Präsidenten – das können Sie erwarten – sollte aber natürlich das Gemeinsame im Vordergrund stehen, nicht das Trennende.
Gestatten Sie, dass ich zunächst allen Kolleginnen und Kollegen danke, die aus dem Landtag ausgeschieden sind. Die meisten sind auch heute anwesend. Darunter sind viele, die durch ihre Arbeit und ihre Diskussionsbeiträge das Bild dieses Parlaments in den letzten Jahren wesentlich geprägt haben. Dies gilt vor allem für die beiden Vizepräsidenten der vorhergegangenen Wahlperiode, Herrn Peter Schuler und Herrn Hans-Günter Heinz. Ihnen vor allen Dingen, aber nicht nur Ihnen, sondern allen Kolleginnen und Kollegen danke ich für die kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
In diesem Dank schließe ich alle Parlamentarier ein, die in den dreizehn bisherigen Wahlperioden des Landtags für unser Land gewirkt haben.
Sie alle haben einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie im Land geleistet. Der Alterspräsident hat bereits darauf hingewiesen, dass es genau auf den Tag 50 Jahre her ist, dass der rheinland-pfälzische Landtag erstmals am Sitz der Landesregierung am Deutschhausplatz getagt hat. An dieses für das Parlament und die Landeshauptstadt Mainz wesentliche Datum erinnere ich an diesem Tag. Das Deutschhaus ist seitdem der zentrale Ort der politischen Debatte im Land.
Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute ganz besondere Gäste haben, nämlich Frau Susanne Hermans und Frau Luise Herklotz. Beide sind im Jahr 1951 ers tmals in den Landtag eingezogen. Sie sind auf ihre Weise immer noch politisch aktiv, wenn auch außerparlamentarisch. Darüber freuen wir uns, und das wünschen wir uns noch sehr lange von Ihnen.
Damals waren die beiden Damen fast ein Unikat. Weibliche Abgeordnete waren recht selten. Die Männergesell
schaft war damals noch etwas ausgeprägter als heute. Dennoch sind Frauen heute noch nicht in dem Maße im Parlament vertreten, wie es wünschenswert wäre.
Bei meiner Antrittsrede im Jahr 1996 habe ich die Hoffnung formuliert, dass es mehr Frauen werden. Damals sind 30 Frauen in den Landtag eingezogen. In diesen Landtag sind leider nur 29 Frauen eingezogen. Meine Damen und Herren, es bleibt also noch viel zu tun.
Meine Damen und Herren, vor uns liegen – das ist eine Binsenweisheit – große Aufgaben, nicht nur parlamentarischer Art, sondern von fundamentaler politischer Bedeutung. Es ist eine sehr ernste Mahnung, dass die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl bei nur 62 % lag. Besonders bedrückend ist, dass nur die Hälfte der unter 35-Jährigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat.
Wenn hieraus manche Wahlforscher den Schluss ziehen, eine niedrige Wahlbeteiligung könne auch einen relativen Grad an Zufriedenheit widerspiegeln, so überzeugt mich das überhaupt nicht. Studien belegen nicht nur ein noch weiter sinkendes politisches Interesse junger Menschen, sondern schlimmer noch, das Vertrauen in die Parteien und politischen Institutionen ist beklagenswert niedrig.
Was das Parlament angeht, so ist es an uns, einen Beitrag dazu zu leisten, verlorenes Terrain wieder zu gewinnen. Dabei spielen die Kultur in der politischen Auseinandersetzung sowie die Form und der Inhalt der Debatte eine große Rolle. Die Demokratie ist die Staatsform des Wortes. Parlament kommt vom Lateinischen „Parlare“ und heißt sprechen.
Die Akzeptanz des politischen Systems beruht auch darauf, dass dem Wort und den Personen, die es benutzen, vertraut wird. Dieses Vertrauen gewinnen und bewahren wir aber nur dann, wenn der politische Gegner als Mensch und Kollege respektiert wird, und zwar allen tagespolitischen Interessen und politischen Meinungsverschiedenheiten zum Trotz.
Dies muss sich auch in den Debatten des Parlaments widerspiegeln. Zu dieser Debattenkultur gehört auch die Fähigkeit zuzuhören. Dies ist sicher auch in diesem Hause noch ein klein wenig verbesserungswürdig. Für uns soll nicht gelten, was in der Apostelgeschichte folgendermaßen niedergeschrieben worden ist: „Dort schrien die einen dies, die anderen das, und die Versammlung war in großer Verwirrung. Zum Schluss wussten die meisten nicht mehr, warum sie zusammengekommen waren.“
Meine Damen und Herren, ein bedeutender Staatsrechtler befürchtet, die Parteien könnten zu „Schwebegewächsen über der Gesellschaft“ verkümmern. Es liegt an uns, dies zu verhindern. Wir müssen dafür sorgen, dass die Politik und das politische System sich nicht von der Gesellschaft abnabeln. Die Abgeordneten sollen – in den Worten des Politikwissenschaftlers Peter Lösche – gleichsam „grasverwurzelt“ in das gesellschaftliche Le
Die Parlamente und ihre Abgeordneten müssen ihre Arbeit und ihre Rolle im Verfassungssystem immer wieder kritisch hinterfragen.
In der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ wurde vor kurzem die Frage aufgeworfen, ob die Talkshows und die politischen Diskussionsrunden im Fernsehen das nationale Forum von heute seien und ob diese dem Parlament seine Funktion als Ort der zentralen Debatte genommen hätten. Diese Gefahr besteht. Wenn die „zerstreuten Öffentlichkeiten“ in der breiten öffentlichen Meinung das Parlament abzulösen drohen, geht es an die Substanz unseres politisch-gesellschaftlichen Systems.
Daher ist es unsere vordringliche Aufgabe, das Parlament als jenen Ort der zentralen politischen Debatte in unserer Gesellschaft zu stärken. Dabei haben – dies erwähne ich nur am Rande – natürlich auch die Medien zu helfen.
Das Parlament muss der zentrale Ort des demokratischen Verfahrens, der Kontroverse, aber auch der Verständigung sein. Daran zu arbeiten, ist für unser politisches System überlebensnotwendig. Nur im Parlament kann hinreichend Öffentlichkeit hergestellt werden, aber nicht in Berater-, Koalitions- oder sonstigen Runden. Die öffentliche Diskussion ist deswegen so wichtig, weil – mit den Worten von Niklas Luhmann – „als Vollzug von Gesellschaft das Entscheidende als Kommunikation vollzogen werden muss“.
Meine Damen und Herren, auch auf anderen Feldern gibt es Herausforderungen, denen gegenüber sich das Parlament als Ganzes behaupten muss. An einem Tag wie heute, an dem der Ministerpräsident gewählt und die Landesregierung bestätigt wird und sich das mediale Interesse erfahrungsgemäß danach auf die Exekutive konzentriert, besteht Anlass, selbstbewusst auf die Fähigkeit dieses Parlaments zur Selbstreform hinzuweisen. Diese Fähigkeit ermöglicht es ihm, auch angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen seine Stellung gegenüber der Regierung und seine Rolle in der Staatsleitung zur gesamten Hand mit der Regierung zu behaupten.
Ich verweise auf die Maßnahmen zur Sicherung des Budgetrechts, mit denen die neuen Steuerungsmodelle in der Verwaltung des Landes begleitet werden und gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle sichergestellt wird.
Die parlamentarische Kontrolle ist kein Selbstzweck, sondern als Element der Gewaltenteilung konstitutiv für unser demokratisches Gemeinwesen. In ihr wird die Selbstkontrolle des Staates sichtbar. Deshalb muss das Parlament mit aller Entschiedenheit einer Auszehrung seiner Kompetenzen und Instrumente entgegenwirken.
Dies ist uns meiner Meinung nach in der 13. Wahlperiode gelungen. Im Hinblick auf die Sicherung des Budgetrechts sind wir bundesweit Vorbild für andere.
Meine Damen und Herren, so gesehen ist der Landtag kein „trauriges Parlament“. So qualifizierte Ralf Dahren
dorf einst den Deutschen Bundestag, und zwar, weil er seiner Meinung nach seine Aufgaben nicht hinreichend wahrnehme.
Wir nehmen unseren Verfassungsauftrag wahr, konstatieren aber, dass sich insoweit die Aufgaben ständig ändern und sich Schwerpunkte unserer Arbeit verschieben. So gesehen ist eine kritische Selbstreflexion dessen, was wir tun und was wir tun müssen, unverzichtbar. So wirft etwa der europäische Einigungsprozess nicht nur Fragen nach der Struktur der EU-Entscheidungsinstanzen auf. Es geht auch um den Stellenwert der nationalen Parlamente, in Deutschland wegen seiner föderalen Struktur, aber nicht nur um den Deutschen Bundestag, sondern auch darum, welche Rolle den Landtagen zur Sicherung der Demokratie in Europa zukommen soll.
Wie dringlich diese Diskussion ist, beweist die Debatte über eine Verfassung für die Europäische Union. Die Parlamente spielen darin – bisher jedenfalls – eine völlig untergeordnete Rolle. Die Exekutivlastigkeit des deutschen Föderalismus findet auf diese Weise auf europäischer Ebene ihre Fortsetzung. Das Europa der Regionen darf aber nicht allein ein Europa der RegionenRegierungen werden.
Der Appell des ehemaligen Verfassungsrichters Kirchhof, „vor lauter Faszination an Europa“ dürfe die Demokratie nicht vernachlässigt werden, sollte gerade von den Länderparlamentariern als Handlungsauftrag begriffen werden; denn eine Schwächung der Parlamente bedeutet weniger Demokratie.
Ich warne allerdings vor dem weit verbreiteten Irrglauben, dass eine Stärkung des Europäischen Parlaments den Kompetenzverlust des Deutschen Bundestags und der Landtage kompensieren könnte. Es spricht wenig dafür, dass das Europäische Parlament in einem überschaubaren Zeitraum die Kompetenzen erhält, die die deutschen Parlamente nach Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit haben. Dieses Niveau an demokratischer Teilhabe gilt es zu sichern und auszubauen.
Dabei kann das Subsidiaritätsprinzip helfen, das als politisches Ordnungsprinzip unsere Verfassung prägt und auch Eingang in die europäischen Verträge gefunden hat. Bundespräsident Johannes Rau hat in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 4. April 2001 die Richtung vorgegeben: „Unser Bestreben sollte es sein, das Prinzip der Subsidiarität breiter zu verankern. Auf europäischer Ebene sollte nur das entschieden werden, was in den Mitgliedstaaten nicht besser erledigt werden kann. Das muss die Richtschnur sein!“ Auch für uns, den Landtag Rheinland-Pfalz, muss das Richtschnur sein.
Der rheinland-pfälzische Landtag hat am 14. Dezember 2000 einstimmig seine Absicht bekräftigt, aktiv an diesem Prozess teilzuhaben, vor allem aber an der für das Jahr 2001 vorgesehenen Verhandlung über die Rolle der Parlamente in der Architektur Europa mitzuwirken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die 14. Wahlperiode wird ganz entscheidend von dieser Aufgabe geprägt sein, sogar geprägt sein müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche uns allen eine ertragreiche 14. Wahlperiode im Interessse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Herzlichen Dank. (Beifall im Hause)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPDFraktion schlägt einvernehmlich mit der Fraktion der FDP und – soweit ich informiert bin – mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, dass wir vier Vizepräsidenten wählen, sodass jede Fraktion einen Vizepräsidenten bzw. eine Vizepräsidentin stellt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst darf ich Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, von dieser Stelle aus in Namen der CDU-Fraktion, aber auch persönlich, zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Landtags von Rheinland-Pfalz gratulieren. Sie haben eine kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit angeboten. Das kann ich von dieser Stelle aus erwidern.
Meine Damen und Herren, wir haben den Antrag zur Geschäftsordnung der SPD-Fraktion gehört, die Zahl der stellvertretenden Präsidenten auf vier – bisher waren es zwei – anzuheben. Die CDU-Fraktion schlägt die Wahl von drei stellvertretenden Präsidenten bzw. Präsidentinnen vor. Wir halten das für eine vernünftige, sachgerechte und funktionale Lösung.
Meine Damen und Herren, die Anträge liegen vor. Sie stimmen mir sicher zu, dass der weitergehende Antrag der Antrag ist, den Herr Kollege Bruch vorgetragen und begründet hat. Deshalb lasse ich über diesen zuerst abstimmen.
Wer dem Antrag, vier Vizepräsidenten zu wählen, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.