Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Staatsministerin Frau Ahnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Thomas, jetzt müssen Sie doch mit mir vorlieb nehmen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich ausdrücklich für die Debatte, die geführt wurde; denn sie hat aus meiner Sicht trotz Nuancen an Unterschieden zum Ausdruck gebracht, dass das Parlament in dieser, insbesondere auf europäischer Ebene bereits sehr intensiv praktizierten gleichstellungspolitischen Strategie einen wichtigen Hebel sieht, um die bisherige Gleichstellungspolitik wirkungsvoll zu ergänzen und zu verstärken. Für diese Botschaft bin ich als Frauenministerin dankbar.

Die Debatten insgesamt um Gender Mainstreaming zeigen aus meiner Sicht, dass es kaum noch eine Diskussion über das Ob gibt. Das wird meiner Meinung nach allgemein akzeptiert. Es gibt im Detail dann Diskussionen über das Wie, die abhängig sind von der jeweiligen politischen Handlungsebene. Trotz aller Schwierigkeiten mit dem Begriff ist es aus meiner Sicht selten einem Begriff so schnell gelungen, im internationalen Kontext akzeptiert, genutzt und auch einigerm aßen einheitlich interpretiert zu werden.

Insofern glaube ich, dass der Begriff hilfreich ist. In der Kommissionsmitteilung ist aus meiner Sicht sehr gut formuliert, worum es geht, nämlich darum, die Bemühungen und das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken, sondern zur tatsächlichen Verwirklichung der Gleichberechtigung ausdrücklich sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen einzuspannen, in denen die etwaigen Auswirkungen auf die Situation der Frauen bzw. der Männer bereits in der Konzeptionsphase aktiv und erkennbar integriert werden. Außerdem sind die Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen, den Situationen und Bedürfnissen von Frauen und Männern systematisch in allen Politikund Arbeitsfeldern zu berücksichtigen.

Ich glaube, das Entscheidende ist, dass dieses nicht plakativ bleibt und sich nicht nach dem bisherigen Raster vollzieht. Hier geht es darum, gerade auch bei den scheinbar völlig geschlechtsneutralen Vorhaben die Sinne und den Blick dafür zu schärfen, dass es mittelbare Diskriminierungen gibt.

Ich möchte das an einem Beispiel anschaulich machen. Als damals auf Bundesebene die Altersteilzeit für die Beamtinnen und Beamten eingeführt worden ist, hat man darauf offensichtlich nicht den Geschlechterblick geworfen und das Problem nicht erkannt, was passiert, wenn man zunächst die Teilzeitbeschäftigten außen vor lässt. Inzwischen ist nachkorrigiert worden. Wir haben

das auch jeweils im Land sofort umgesetzt. Die anfängliche Nichtberücksichtigung der Teilzeitbeschäftigten hat sich einseitig zulasten der Frauen ausgewirkt. Ich denke, es geht darum, solche Dinge aufzuspüren. Ich glaube, dass es für die Dinge, bei denen die Diskriminierung offensichtlich ist, inzwischen in vielen Bereichen und auch in der Politik eine hohe Sensibilität gibt.

Aus meiner Sicht gibt es jedoch nach wie vor ein unzureichendes Bewusstsein für Dinge, die sich auf Frauen und Männer aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenssituation und Wahrnehmung auswirken. Das ist für mich ein Ansatz von Gender Mainstreaming. Hier sehe ich einen neuen Ansatz und eine neue Möglichkeit, dies zu verstärken.

Wir stehen mit den Bemühungen nicht allein da. Die Bundesregierung hat Gender Mainstreaming als Leitprinzip in der Geschäftsordnung aufgeführt. Auf BundLänder-Ebene werden die Maßnahmen in einer Arbeitsgruppe koordiniert. In den Kommunen ist schon einiges in Gang gekommen. Auch der Deutsche Städtetag hat sich auf das Prinzip des Gender Mainstreamings verpflichtet. Er hat es aus meiner Sicht sehr schön form uliert, nämlich dass die Städte besser gerüstet seien, die aktuellen gesellschaftlichen Probleme zu lösen, wenn sie die Strategie und die Methode des Gender Mainstreamings berücksichtigen. In dem Fall habe ich gar nichts gegen die eigennützige und egoistische Formulierung, weil sie Frauen zugute kommt.

Auch in Rheinland-Pfalz hat der Ministerrat bereits im November letzten Jahres beschlossen, dass alle Ressorts Maßnahmen zur Umsetzung von Gender Mainstreaming ergreifen. Es hat danach eine Reihe von Veranstaltungen gegeben, die die Ressorts in diesen Maßnahmen unterstützen. Frau Götte hatte, wie bereits erwähnt, eine Veranstaltung für Führungskräfte durchgeführt. Herr Kollege Gerster hat etwas im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gemacht. Es gab einen Workshop für die Zentralabteilungsleiterinnen und -leiter und für die Gleichstellungsbeauftragten der obersten Landesbehörden. Nächste Woche findet eine Tagung der Landeszentrale für politische Bildung statt. Weitere Seminarreihen sind in Planung.

Frau Thomas, wir haben schon angefangen. Wir haben noch viel vor uns. Ich glaube, das sind konkrete Schritte, weil gerade am Anfang der Prozess der Qualifizierung der Entscheidungsträger für die Methode und die Strategie des Gender Mainstreamings stehen muss.

Gender Mainstreaming ist aus meiner Sicht Strategie und Methode zugleich. Mit der Strategie rückt Gender

Mainstreaming die Geschlechtergerechtigkeit und damit insbesondere die Gleichstellung von Frauen in das Zentrum politischer Entscheidungen. Damit wird aus meiner Sicht ein Kernanliegen jedweder modernen Frauenpolitik formuliert. Dennoch muss gesagt werden, dass wir noch einiges zu tun haben. Deswegen warne ich davor, zu glauben, dass Gender Mainstreaming bisherige Frauen unterstützende Maßnahmen ersetzen könnte.

(Beifall der Abgeordneten Frau Elsner, SPD)

Ich bin fest davon überzeugt, dass es für lange Zeit zunächst einmal eine Ergänzung sein wird. Deswegen sollten wir das eine tun und das andere nicht lassen. Als Methode erfordert Gender Mainstreaming vor allem das Engagement der Entscheidungsträger, der Führungspersönlichkeiten und der Leitungsebene, die sich dieses Prinzip zu Eigen machen müssen. Darüber hinaus bedarf es der Bewusstseinsbildung und Fortbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich halte es gerade auch in der Anfangsphase für wichtig, pilothaft vorzugehen und neben den allgemeinen Bemühungen an Piloten deutlich zu machen, wie Gender Mainstreaming funktioniert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte unterstützt uns in unseren begonnenen Bemühungen und zeigt uns, dass es zu dieser neuen Geschlechterstrategie eine große Übereinstimmung gibt. Das ist aus meiner Sicht die beste Garantie dafür, dass wir in der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung ein gutes Stück weiterkommen. Ich habe dabei nicht vor, mich abzuarbeiten, aber ich habe vor, viel zu arbeiten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/346 – und den Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/362 – an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung – federführend – und an den Haushaltsund Finanzausschuss zu überweisen. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall.

Hiermit schließe ich die heutige Plenarsitzung und lade Sie für morgen zur 11. Plenarsitzung um 9:30 Uhr ein.

E n d e d e r S i t z u n g: 18:27 Uhr.