Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zur Förderung des Wachstums, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und vor allem zur Sanierung der öffentlichen Haushalte ist im Koalitionsvertrag ein umfangreiches Paket von Maßnahmen geschnürt worden. Das bezieht sich nicht nur auf Steuererhöhungen, sondern im Vordergrund stehen Strukturveränderungen, Ausgabensenkungen, Subventionsabbau – darunter natürlich auch Steuersubventionsabbau – und schlussendlich auch Steuererhöhungen.
Dahinter steht die klare Erkenntnis, dass im Jahr 2007 allein durch Ausgabensenkungen die Verfassungsgrenzen für Bund und Länder sowie vor allem das Maastricht-Kriterium nicht einzuhalten sind. Deshalb muss man in den sauren Apfel beißen, möglicherweise sogar Wachstumsverluste hinzunehmen, aber nur ceteris paribus;
denn die Alternative ist nicht, das Gleiche zu tun und lediglich die Mehrwertsteuererhöhung zu unterlassen, sondern die Alternative aus heutiger Sicht ist, dass nach dem Jahr 2007 eine Sanktion seitens der Europäischen Union erfolgt. Diese Sanktion hätte mit Sicherheit so gravierende Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft und auf das Vertrauen sowohl der Wirtschaft als auch der Konsumenten, dass die Wachstumsverluste bei einem neuerlichen Überschreiten der MaastrichtGrenze mit Sicherheit größer wären als die Wachstumsverluste, die durch eine Mehrwertsteuererhöhung möglicherweise eintreten.
Das sind nämlich die Alternativen, nicht aber etwa eine Mehrwertsteuererhöhung oder keine Mehrwertsteuererhöhung, sondern Mehrwertsteuererhöhung oder Sanktionen. Diese Sanktionen sind ganz klar und deutlich angekündigt worden.
Eine isolierte Diskussion der Mehrwertsteuererhöhung macht im Übrigen wenig Sinn. Sie muss im Gesamtpaket diskutiert werden. Schaut man sich aber dennoch die Wirkungen an, dann muss man natürlich berücksichtigen, dass in den vergangenen Jahren durch die Steuerreform 2000 die Bürgerinnen und Bürger eine Steuersenkung von etwa 32 Milliarden Euro erhalten haben. Die Mehrwertsteuererhöhung dürfte eine Belastung im Jahr 2007 von rund 19,5 Milliarden Euro bringen. Davon soll ein Drittel – also rund 6,5 Milliarden Euro – zur Absenkung von Lohnnebenkosten verwendet werden, sodass letztlich ein Betrag von etwa 13 Milliarden Euro als Entzug von Kaufkraft verbleiben würde. Dem stehen Steuersenkungen in Höhe von 32 Milliarden Euro infolge der Einkommensteuerreform gegenüber.
Nun zur Verteilungsseite. Frau Thomas, Sie haben in Ihrem Antrag Aussagen des DIW zitiert. Das DIW kommt aber zu dem Ergebnis, dass bei einer langfristigen Betrachtung die Mehrwertsteuererhöhung verteilungspolitisch neutral ist. Das ist auch kein Wunder, denn es ist nicht beabsichtigt, die völlige Steuerfreiheit der Mieten zu verändern und den ermäßigten Steuersatz von 7 % für Lebensmittel anzuheben, sondern beides soll bleiben. Wenn man sich den großen Anteil der Mietausgaben und der Ausgaben für Lebensmittel an den Konsumausgaben von Beziehern niedriger Einkommen anschaut, dann kann man sich leicht vorstellen, dass man zu dieser Proportionalität kommt, aber keineswegs zu der behaupteten verteilungspolitischen Schieflage.
Wenn die Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt abgesenkt werden durch die Mehrwertsteuererhöhung und um einen weiteren Prozentpunkt gesenkt werden durch Einsparungen bei der Arbeitslosenversicherung, dann heißt das, dass Deutschland deutlich wettbewerbsfähiger wird; denn aufgrund geringerer Lohnnebenkosten können wir trotz eines höheren Mehrwertsteuersatzes international preiswerter anbieten. Die Mehrwertsteuer ist für den Export völlig irrelevant. Beim Export wird die Mehrwertsteuer erstattet, sodass sich die Wettbewerbsposition verbessert und damit die Arbeitsplätze in Deutschland bessere Chancen haben.
Der Antrag kommt natürlich auch noch zur Unzeit. Heute die Landesregierung aufzufordern, sich so oder so zu verhalten, ist ziemlich daneben; denn eine solche Entscheidung steht überhaupt nicht an.
Die Entscheidung wird im Laufe des nächsten Jahres anstehen, Frau Thomas. Die Landesregierung wird die konjunkturelle Situation dann sehr genau bewerten und prüfen, ob wir da stehen, wo die Wirtschaftsforschungsinstitute, die OECD und andere uns sehen, nämlich in einem Aufschwung, oder ob wir dort nicht stehen.
Die zuvor genannten Faktoren und vor allen Dingen auch die konjunkturelle Situation werden dann natürlich vom Kabinett zu bewerten sein müssen. Wenn die Entscheidung im Bundesrat ansteht, dann wird die Landesregierung ihre Haltung letztlich festlegen.
Das ist aber nicht heute der Fall, sondern erst weit im nächsten Jahr. Dann wird auch entsprechend entschieden werden.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Debatte angelangt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will Sie nicht enttäuschen und beantrage daher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine namentliche Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, die notwendigen Vorbereitungen einzuleiten. Nach meinem
Eindruck muss ich auf die Farben der Kärtchen nicht mehr hinweisen, da wir das inzwischen gelernt haben. Dennoch folgender Hinweis: rosa bedeutet nein, grün bedeutet ja, und braun bedeutet Enthaltung. Die Abstimmung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, haben Sie alle Ihre Stimmkarte abgegeben? Möchte noch jemand eine Stimmkarte abgeben? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Abstimmung beendet.
Meine Damen und Herren, ich bitte noch einen Augenblick um Aufmerksamkeit für das Ergebnis der namentlichen Abstimmung (siehe Anlage 4):