Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht angeblich!)

Davon kann überhaupt keine Rede sein. Vielmehr haben die Ausbildungsbetriebe in Rheinland-Pfalz ihre Ausbildungsanstrengung auf dem in den vergangenen Jahren erreichten hohen Niveau erfolgreich fortgesetzt.

Die Aktuelle Stunde wird zu einem Zeitpunkt beantragt – – – Das ist alles bewusst so gemacht worden; denn es geht nicht um die Auszubildenden und die Bewerberinnen und Bewerber, sondern es geht um etwas

ganz anderes. Deshalb setze ich mich gern damit auseinander.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht um eine politische Bewertung! Wir sind im Parlament und nicht im Betrieb!)

Ich beklage mich nicht, sondern ich setze mich damit auseinander. Es geht um mehr als nur um die Auszubildenden. Es geht darum, ein Süppchen zu kochen. Sie werden aber erleben, dass Sie die Suppe nicht heiß machen können, weil Sie keine Argumente haben.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sagt der Richtige!)

Die Aktuelle Stunde wird zu einem Zeitpunkt beantragt, zu dem die aktuellen Daten über abgeschlossene Ausbildungsverträge im gesamten Jahr 2005 noch nicht vorliegen. Diese Daten werden vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz erst Ende Februar, eher noch im Lauf des Monats März veröffentlicht. Daher hat man kein zuverlässiges statistisches Datenmaterial. Doch sprechen die Zahlen vom 30. September 2005 – heute ist der 19. Januar 2006 – eindeutig dafür, dass die Neuabschlüsse an die Zahlen von 2003 und 2004 anschließen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige aktuelle Fakten zum Ausbildungsmarkt in Rheinland-Pfalz anführen. Im Jahr 2005 haben alle am Ausbildungsmarkt Beteiligten – wir arbeiten mit den Tarifpartnern sehr kooperativ zusammen – mit Blick auf unseren Landespakt in Form der „Vereinbarung Rheinland-Pfalz für Ausbildung“ große Anstrengungen unternommen, um die Ausbildungsplatzsituation zu verbessern. Das ist die Philosophie der „Vereinbarung Rheinland-Pfalz für Ausbildung“.

Ich nenne neben der Landesregierung die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die Unternehmerverbände, die freien Berufe, die Arbeitsverwaltung und nicht zuletzt die Betriebe. Eine abschließende Beurteilung ist noch nicht möglich. Es liegen zurzeit nur die Zahlen der Arbeitsverwaltung zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt zum 30. September 2005 vor. Nach diesen Zahlen ist die Lage in Rheinland-Pfalz und sicherlich noch stärker auf Bundesebene angespannt.

Wir hatten bereits im Juni 2005 eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema, in der ich erläutert habe, wie schwierig gerade die Zahlen der Arbeitsverwaltung zu bewerten sind, da es weder für suchende Jugendliche noch für anbietende Betriebe eine Meldepflicht gegenüber den Agenturen für Arbeit gibt.

Ich will das beispielhaft für den Zeitpunkt 30. September 2005 darstellen, damit wir Klarheit darüber haben, worüber wir reden. Es nützt nichts, wenn man sich heraussucht, was einem gerade passt. Am besten ist es, wenn man die Faktenlage zugrunde legt.

(Heiterkeit der Abg. Frau Thelen, CDU)

Bis zu diesem Tag waren bei der Agentur für Arbeit gut 24.800 Ausbildungsstellen gemeldet. Tatsächlich waren jedoch zum gleichen Zeitpunkt bereits annähernd 26.500 Ausbildungsverträge bei den Kammern eingetragen. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Außerdem waren bei der Arbeitsagentur noch rund 1.000 Ausbildungsplätze als unbesetzt gemeldet. Zählt man sie zu den bereits abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen hinzu, dann lag die Zahl der angebotenen Stellen um rund 2.600 oder mehr als 10 % höher als die den Arbeitsämtern gemeldete Zahl. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen: einerseits die Statistik der Arbeitsverwaltung und andererseits die Realität.

Das zeigt, wie voreilig es ist, sich ein Urteil über die Ausbildungsbilanz eines Jahres anhand der Zahlen der Agentur für Arbeit zu bilden. Das tun Sie natürlich gern, indem Sie die realistischen Zahlen einfach negieren.

Immerhin gibt es eine Zahl aus den Statistiken der Arbeitsagenturen, die relativ zuverlässig die Situation am Ausbildungsmarkt kennzeichnet, nämlich die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber. Am 30. September 2005 suchten noch 3.600 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Das ist eine Zahl, die um fast 1.000 Bewerberinnen und Bewerber höher lag als im Vorjahr. Sie waren exakt die Zielgruppe der Nachvermittlungsaktion, in deren Rahmen vor allem am „Tag der Chancengarantie“ im Oktober 2005 enorme Anstrengungen unternommen wurden, um allen Jugendlichen ein Angebot zu vermitteln. Diese Nachvermittlungsaktion 2005 hat dazu geführt, dass von September bis Dezember 2005 noch etwa 2.000 unversorgte Jugendliche mittlerweile vermittelt werden konnten. Die Nachvermittlungsaktion ist noch nicht abgeschlossen, sondern reicht noch in den Januar hinein. Deshalb kann man erst im Januar Endgültiges über die Nachvermittlungsaktion sagen. Ich bin mir sicher, dass denjenigen Jugendlichen, die an einer Vermittlung interessiert sind, im Monat Januar noch ein Angebot gemacht werden kann.

Diese Einschätzung gründet sich auch darauf, dass am 31. Dezember 2005 trotz der etwa 1.600 unversorgten Jugendlichen immer noch etwa 612 unbesetzte Ausbildungsstellen verzeichnet wurden.

Wenn zum Jahreswechsel 2005/2006 trotz der großen Anstrengungen aller Beteiligten noch rund 1.600 Bewerber ohne eine ihren Kenntnissen und Fähigkeiten angemessene Stelle geblieben sind, hat das mehrere Ursachen. Die wichtigste Ursache ist darin zu sehen, dass die Betriebe bereits in den Vorjahren ihre Kapazitäten für Ausbildungsplätze so weit ausgeschöpft haben, dass für viele eine weitere Aufstockung schlicht unmöglich ist. Viele Ausbildungsbetriebe bilden längst weit über Bedarf aus. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass die Schulentlasszahlen weiter angestiegen sind.

Die Landesregierung hat die ausbildenden Unternehmen nach Kräften unterstützt. Das muss einmal gesagt werden. Zum Beispiel ist das ISB-Darlehen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen im Jahr 2005 unter verbesserten Bedingungen wieder aufgelegt worden. Über 400 Ausbildungsplätze wurden damit gefördert.

Im Rahmen des Sonderprogramms „Neue Chancen: 6000 Plus für Jung und Alt“ meiner Kollegin Dreyer, also eines Sonderprogramms des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit und des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, wurden Zusatzangebote für über 3.000 unvermittelte Jugendliche vom nachgeholten Schulabschluss bis hin zur Ausbildungsplatzförderung entwickelt. Gemeinsam insbesondere mit der BASF AG ist ein Zuschussprogramm aufgelegt worden. Mit rund 2 Millionen Euro, gemeinsam eingebracht von der BASF und vom Land, wurden noch einmal 400 Ausbildungsplätze geschaffen Im Übrigen ist das Programm noch nicht abgeschlossen, sondern wir werden noch einige über dieses Programm vermitteln.

Da die zusätzlichen Nachfrager aus der Berufsfachschule erst in der allerletzten Phase des Ausbildungsjahres in Erscheinung traten, haben wir dieses Zuschussprogramm in den Monat Januar hinein verlängert. Deshalb kann man jetzt noch keine endgültigen Zahlen nennen. Bis zuletzt sind hierzu Anträge von Unternehmen eingegangen, die noch einen Ausbildungsplatz mit einem Jugendlichen besetzen wollen.

Meine Damen und Herren, viel erfolgreicher als in den Vorjahren war in diesem Jahr unsere Verbundförderung. Damit konnten in Rheinland-Pfalz insgesamt 129 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Darüber hinaus investiert die Landesregierung gemeinsam mit den Kammern und der Arbeitsverwaltung in die Beschäftigung der Ausbildungsstellen-Akquisiteure. Diese haben sich als ein hervorragendes Instrument erwiesen.

Da sich immer wieder zeigt, dass die größten Erfolge bei der Akquirierung von Ausbildungsplätzen dann erreicht werden, wenn die Unternehmen persönlich angesprochen werden, sind wir auch als Jobpaten aktiv. Als Jobpaten waren alle meine Kolleginnen und Kollegen erfolgreich unterwegs. Das reicht hin bis zum Herrn Ministerpräsidenten.

Ich will Ihnen ganz kurz eine Story erzählen, da ich selbst ein ganz interessantes Erlebnis hatte. Ich will nicht sagen, dass das die Regel ist, sondern das sind Ausnahmen, mit denen man aber rechnen muss. Ich habe als Pate versucht, einem 19-Jährigen einen Job zu vermitteln. Durch gute Kontakte zu einem Berufskollegen von mir ist mir das dann gelungen. Arbeitsantritt war am 1. Dezember. Am 2. Dezember rief mich der Arbeitgeber an und sagte mir, er sei gar nicht gekommen.

Daraufhin bin ich der Sache selbst nachgegangen und habe mit dem Jugendlichen telefoniert. Zunächst einmal hat er mich um 16:30 Uhr mit „Guten Morgen“ begrüßt. Zum Zweiten hat er mir erklärt, das Aufstehen könne und wolle er auch nicht.

Ich will das nicht verallgemeinern, sondern nur sagen, dass auch so etwas dahintersteckt. In einem Telefonat mit dem Vater hat mir der Vater gesagt: Ich muss den doch nicht wecken. – Meine Damen und Herren, dies nur als ein Beispiel dafür, dass sich darunter auch Jugendliche befinden, die wirklich schwer vermittelbar sind.

Meine Damen und Herren, mit unseren Instrumenten konnten wir im Jahr 2005 wieder wichtige Beiträge zur Schaffung von Ausbildungsplätzen erzielen. Allein über die direkte Förderung von Ausbildungsplätzen durch die Landesregierung wurden über 1.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen.

Jetzt muss ich noch etwas zur Vorbildfunktion der Landesregierung sagen, weil mir das auch wichtig ist. Die Landesregierung hat sich wirklich als Vorbild betätigt. Wir hatten im Jahr 2004 ein Plus von knapp 25 %. Im Jahr 2005 hatten wir noch einmal ein Plus von 14 %. Die Landesregierung ist auch in diesem Fall als Vorbild vorangegangen, was ich auch für richtig ansehe, aber auch das ist nicht ohne weiteres leistbar. Wir haben das aber im Interesse der Jugendlichen geleistet, aber auch um ein Signal nach draußen zu senden, noch ein Stück mehr zu tun. Deshalb ergeht auch jetzt noch einmal mein Appell an die Wirtschaft, noch einmal zuzulegen. Mein Appell richtet sich aber auch an Betroffene, nachdem es noch freie Plätze gibt – das sind immerhin noch über 600 –, einen Beruf der zweiten oder dritten Wahl anzunehmen.

Ich bin gespannt, was nachher Herr Wiechmann zu sagen hat. Darauf antworte ich gern noch einmal. Abschließend stelle ich aber fest, es wird die gesamte Republik nicht erschüttern, und es wird sich auch nicht die Meinungsbildung in der Republik verändern, wenn Frau Thelen und Herr Wiechmann die Landesregierung diskreditieren. Das hilft wenig.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei kurze Vorbemerkungen zu dem, was Herr Creutzmann und Herr Bauckhage gesagt haben.

Zum einen haben Sie die mangelnde Ausbildungsfähigkeit angesprochen, die Sie immer wieder wie eine Monstranz vor sich hertragen, Herr Creutzmann. Wer ist denn seit 15 Jahren für die Schulpolitik in unserem Land verantwortlich? Das ist doch insbesondere die FDP.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Staatsminister Bauckhage: Ach was! – Ministerpräsident Beck: Das hat doch mit Schulpolitik nichts zu tun!)

Hören Sie doch damit auf, sich an dieses Pult zu stellen und zu sagen: Ja, wir sind zwar dafür verantwortlich, aber die Schülerinnen und Schüler sind selbst schuld.

Der zweite Punkt ist, dass Sie Überschriften zitiert haben. Ich zitiere jetzt endlich einmal eine Überschrift von der einzig neutralen Stelle, die es im Bereich der Berufsausbildung gibt, und zwar ist das das Bundesinstitut

für Berufsbildung. Am 12. Januar 2006 lautete die Überschrift: „Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge fällt auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung.“ – Herr Creutzmann, so sind die Realitäten und nicht so, wie Sie sie immer gern darstellen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unser Sofortprogramm „Vorrang für Ausbildung“ enthält fünf Punkte.

Zum einen müssen wir natürlich die Wirtschaft wieder stärker in die Pflicht nehmen, in den nächsten Jahren zusätzliche Ausbildungsverträge anzubieten. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist, über regionale und über branchenspezifische Ausbildungsverbünde müssen wir zusätzliche Ausbildungskapazitäten schaffen.

Der dritte Punkt ist, dass sowohl das Land als auch die Kommunen ihrer Vorbildfunktion tatsächlich gerecht werden müssen und ebenfalls zusätzliche Ausbildungsplätze vorhalten müssen.

Der vierte Punkt ist, dass diese Landesregierung Ausbildungsverbünde nicht nur immer zwischen zwei privaten Betrieben, sondern auch Verbünde zwischen privaten Unternehmen und kommunalen Betrieben, berufsbildenden Schulen und gemeinnützigen Ausbildungsträgern tatsächlich finanziell und organisatorisch unterstützen muss.

Der fünfte Punkt ist, dass wir die Kapazitäten der Fachschulen und der Berufsfachschulen mit Blick auf den steigenden Bedarf entscheidend vergrößern müssen.

Meine Damen und Herren, mit einem solchen von uns GRÜNEN schon seit Jahren immer wieder in die Diskussion gebrachten Programm könnten wir mehr jungen Menschen in Rheinland-Pfalz endlich eine wirkliche berufliche Perspektive geben. Die haben es verdient. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir eine berufliche Zukunft für die jungen Menschen in unserem Land tatsächlich zur Verfügung stellen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Heinrich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Thelen, Sie haben am Ende Ihres Beitrags die Kurve bekommen; denn Sie haben die ganze Zeit mit den Zahlen vom 30. September argumentiert. Zum Schluss haben Sie aber dann doch deutlich gemacht, dass zum 31. Dezember – zumindest nach den Prognosen – die Zahl der unversorgten Bewerber um knapp

2.000 auf mittlerweile 1.600 Bewerber zurückgegangen ist.

Ich habe in meinem ersten Redebeitrag schon deutlich gemacht, dass viele der Programme, die ich angesprochen habe, erst zu Beginn der Nachvermittlungsaktion angelaufen sind. Es werden sicherlich im Lauf des Januars und Februars von den 1.600 Bewerbern noch viele Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommen können.