Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Ich habe in meinem ersten Redebeitrag schon deutlich gemacht, dass viele der Programme, die ich angesprochen habe, erst zu Beginn der Nachvermittlungsaktion angelaufen sind. Es werden sicherlich im Lauf des Januars und Februars von den 1.600 Bewerbern noch viele Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommen können.

Herr Wiechmann, wenn Sie in Ihrem 5-Punkte-Programm das Thema „Ausbildungsverbünde“ ansprechen, muss ich Ihnen sagen, dass es in Rheinland-Pfalz sehr prominente Beispiele gibt, wo das in hervorragender Weise funktioniert. Alle Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern bieten ihren Betrieben diese Möglichkeiten an. Dies wird durch entsprechende Programme der Landesregierung unterstützt. Das prominenteste Beispiel ist die Firma BASF, die mittlerweile mehr Auszubildende im Ausbildungsverbund ausbildet, als sie selbst für ihren eigenen Betrieb benötigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in der Enquete-Kommission „Zukunft der Arbeit“ lange und ausführlich über die Situation auf dem Ausbildungsmarkt diskutiert und diesem Teil des Abschlussberichts einen besonderen Zwischenbericht gewidmet, der sicherlich auch morgen in der Abschlussdebatte noch einmal eine Rolle spielen wird. Viele Punkte aus diesem Zwischenbericht sind mittlerweile in das Regierungshandeln aufgenommen worden. Ich nenne als Beispiel nur die Ausweitung der Schulsozialarbeit oder die Programme, die ich eben schon angeführt habe.

Es gibt allerdings ein Problem, über das wir auch in der Enquete-Kommission lange diskutiert haben, für das wir meines Erachtens noch keine abschließende Lösung gefunden haben, nämlich für das Thema „Ausbildungsabbrecher“. Ich habe bei meinen Recherchen leider nur bundesweite Zahlen gefunden, die aber meiner Meinung nach Besorgnis erregend sind.

Nach Beginn des Ausbildungsjahres meldeten sich bis Mitte Oktober bei den Agenturen für Arbeit 20.000 Jugendliche, die sofort in eine Ausbildungsstelle vermittelt werden wollten, vor allem weil sie ihre Ausbildung nicht angetreten oder abgebrochen hatten. Gleichzeitig wurden 16.500 Lehrstellen zur sofortigen Besetzung gemeldet. Dies insbesondere deshalb, weil Lehrlinge ihre Ausbildung gar nicht begonnen hatten oder Ausbildungsverträge während der Probezeit aufgelöst wurden.

Im November – das sind die letzten Zahlen – waren davon noch 4.500 Stellen frei. Das ist meines Erachtens für beide Seiten ein Problem.

Insofern kommt zwei besonderen Programmen der Landesregierung eine besondere Bedeutung zu, und zwar einmal für den schulischen Bereich die Ausweitung berufsweltorientierter Klassen, wo junge Leute in einen Beruf hineinschnuppern und feststellen können, ob das der entsprechende Beruf für sie ist, und das Programm „Eltern als Berufswahlbegleiter“, wo sich Eltern gemein

sam mit ihren Kindern informieren und die richtige Berufswahl treffen können.

(Glocke des Präsidenten)

Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode losgelöst vom Wahlkampfgetümmel sach- und ergebnisorientiert über weitere Lösungsvorschläge sprechen können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Frau Abgeordnete Thelen.

(Schweitzer, SPD: Das ist die Frau mit den alten Zahlen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem nach dem lautstarken Getümmel eingestanden wurde, dass die Zahlen auch der Arbeitsagentur gar nicht so neben der Realität liegen, wie das hier vermittelt werden sollte, will ich noch einmal ganz kurz rekapitulieren.

Herr Bauckhage hat gesagt, dass es in Rheinland-Pfalz gelungen ist, von September 2005 bis Dezember 2005 – die Zahl ist etwa drei Wochen alt; Herr Schweitzer, ich finde, sie ist nicht zu alt – doch noch 2.000 Jugendliche nachzuvermitteln. Die Zahl, die ich vorgetragen habe, war 1.966. So weist es das Arbeitsamt aus.

In Rheinland-Pfalz waren Ende September immerhin noch 9,8 % der Bewerber nicht vermittelt, bundesweit 5,5 %. Nur wir haben es geschafft, diese Zahl um 54 % zu reduzieren, bundesweit 57 %. Wir sind keineswegs ein Aufsteigerland. Das ist eher ein Aufschneiden, wenn man sich die Zahlen derart schön rechnet.

(Beifall der CDU)

Es gibt für mich für dieses Problem in Rheinland-Pfalz zwei wesentliche Ursachen. Diese Ursachen haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert. Da es aber offensichtlich schwer fällt, sie seitens der Regierungsfraktionen anzunehmen, werde ich sie noch einmal vortragen.

Unser Problem ist unser schlechter Arbeitsmarkt und unsere Beschäftigungslücke, die wir haben. Wir haben in Rheinland-Pfalz im Vergleich zum Bundesdurchschnitt viel zu wenig sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt fehlen uns 150.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

(Beifall der CDU)

Wenn Beschäftigung fehlt, hat man weniger Chancen auszubilden. Der Ministerpräsident registriert, dass die

Banker aus Frankfurt gern in der Pfalz leben und die Rheinland-Pfälzer ein mobiles Völkchen sind und gern Rhein-Main, Rhein-Ruhr und Karlsruhe nehmen, um dort zu arbeiten. Das ist für den Lehrling mit 16 Jahren oder 17 Jahren sehr viel schwieriger. Deshalb fehlt ihm das Angebot an Lehrstellen in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der CDU)

Deshalb sage ich: Das grundsätzliche Defizit dieses Landes ist eine nach wie vor verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Es ist schön, dass Ihnen der Rechnungshof noch einmal bescheinigt hat, dass man eine Reihe von Mitteln für sehr ineffiziente Maßnahmen in diesem Land hinauspulvert. Das sind viele Millionen. Dabei kommt wenig herum. Das wäre ein Grund für Sie, näher hinzuschauen.

Der zweite große Fehler, den dieses Land meines Erachtens seit Jahren begeht, ist eine zu schlechte Bildungspolitik. Die PISA-Vergleichsstudien von 2002 und 2005 – Herr Schweitzer, diese sind auch noch nicht so furchtbar alt – belegen doch, dass wir bei einigen Leistungsmerkmalen der Schüler im bundesweiten Ländervergleich nicht nach oben, sondern nach unten gewandert sind. Schüler, die schlecht ausgebildet sind, tun sich auch schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden.

Hier hat Herr Bauckhage durchaus eingestanden, dass es eine Reihe von Bewerbern gibt, die wegen nicht gegebener Fähigkeiten die nach wie vor noch freien Ausbildungsplätze nicht besetzen können.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, krempeln Sie die Ärmel hoch und bringen Sie die Relation zwischen PR und tatsächlich sinnvollem Handeln für unsere Jugendlichen etwas besser in Übereinstimmung. Damit tun Sie unseren Jugendlichen einen größeren Gefallen als mit viel PR!

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Das machen wir dieses Jahr, nächstes Jahr und in zwei Jahren auch noch!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Creutzmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wiechmann, es bestreitet niemand, wenn Sie sagen, dies sei die niedrigste Zahl der Auszubildenden seit der Wiedervereinigung. Allerdings muss man auch einmal nach den Ursachen fragen. Eine der Ursachen ist die gesamtwirtschaftliche Situation, die die Betriebe vorfinden. Eine weitere Ursache – ich bleibe dabei – sind die Ausbildungsvergütungen.

Das Programm, das die Landesregierung aufgelegt hat, zeigt klipp und klar, dass die Höhe der Ausbildungsvergütungen manches mittelständische Unternehmen ab

schreckt, über den Bedarf auszubilden. Es hat sich gezeigt, dass das Programm – Bezuschussung von 400 zusätzlichen Ausbildungsplätzen für drei Jahre mit 5.000 Euro – angenommen wird. Deswegen müsste man sich überlegen, ob man auch hier noch das eine oder andere machen kann.

Wichtig ist auch, was die Tarifparteien in Sachen Ausbildung machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier hat sich zum Beispiel die IG BCE mit dem Arbeitgeberverband verpflichtet, bis zum Höhepunkt der Ausbildungsplatzknappheit im Jahr 2007 die Ausbildungsplätze um 7 % zu erhöhen. Wir haben in der Chemie 2,5 % mehr Auszubildende als in den vergangenen Jahren. Hier könnten auch die anderen Tarifpartner überlegen, ob sie im Rahmen ihrer tarifvertraglichen Regelungen ein Bündnis für Ausbildungsplätze schaffen. Was die Chemie getan hat, ist vorbildlich.

Im Übrigen zeigen auch die Zahlen, dass die Landesregierung und die rheinland-pfälzische Wirtschaft alles erdenklich Mögliche tun, um mehr Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Wir haben im Moment – das ist der neueste Stand – noch 1.200 Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen. Die Zahl ist über die Nachvermittlungsaktion von 3.600 – das ist beachtlich – auf 1.200 vermindert worden. Dies ist eine Größe. Ich sage es ganz offen: Wir werden es leider nie schaffen, allen einen Ausbildungsplatz zu verschaffen.

Ich erzähle Ihnen noch eine Episode. Diese schließt sich nahtlos an das an, was Herr Bauckhage gesagt hat. Die IHK Pfalz hat eine junge Frau angerufen und ihr mitgeteilt, dass der Ministerpräsident einen Ausbildungsplatz als Patenschaft übernehmen will. Daraufhin hat die junge Frau geantwortet, dass sie das überhaupt nicht will. Als die IHK nachgefragt hat, warum sie das nicht will, hat sie gesagt, dass sie den Ausbildungsplatz dann auch antreten müsste.

Meine Damen und Herren, hierbei handelt es sich um einen Einzelfall. Es gibt sicher mehr Jugendliche, die sich engagieren, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass wir es leider nie schaffen werden, allen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln.

(Glocke des Präsidenten)

Für diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, ist es wichtig, dass sie in der Nachqualifizierung so qualifiziert werden, dass sie in Zukunft auch einen Ausbildungsplatz erhalten werden.

Ich danke Ihnen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Es spricht noch einmal der Herr Minister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige kleine Beispiele nennen.

Herr Wiechmann, ich war auf das gespannt, was Sie uns mitteilen würden und wie Sie das Problem lösen wollen. Sie haben davon gesprochen, dass die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden muss. Das tun wir ständig sehr kooperativ am ovalen Tisch. Sie haben all das vorgeschlagen, was bereits getan wird.

Sie müssten noch sagen, was Sie mit Pflicht meinen und ob Sie damit Zwangsabgaben ansprechen. Wir tun das, was man tun kann, und versuchen, in Gesprächen die Wirtschaft für das Problem zu sensibilisieren. Das ist uns weitestgehend gelungen. Die Wirtschaft hat die Problematik erkannt.

Sie haben Ausbildungsverbünde gefordert. Diese haben wir, und zwar nicht nur zwischen zwei Betrieben, sondern auch zwischen Institutionen und Betrieben. Diese werden auch gefördert.

Ich habe Ihnen bereits die Vorbildfunktion des Landes genannt, nämlich 2004 25 % mehr und dieses Jahr 14 % noch einmal obendrauf. Die Basis verändert sich. Wir können die Kommunen nicht zwingen, sondern nur bitten. Mehr kann man nicht tun.

Sie haben die Schulen angesprochen. Allerdings muss man wissen, was man machen will. Wir wollen nicht von der dualen Ausbildung weg. Gerade die berufsbildenden Schulen in diesem Land leisten Erstaunliches.