Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

2. wir brauchen veränderte, das heißt, faire Rahmenbedingungen, die einen qualitativen und quantitativen Wettbewerb in Forschung und Lehre – ich betone – und Lehre ermöglichen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf einmal!)

Ein Blick in die Haushaltspläne der vergangenen eineinhalb Dekaden belegt, dass die sozialliberale Landesregierung auch in finanzieller Hinsicht einen deutlichen Schwerpunkt auf die Wissenschaftspolitik gelegt hat.

(Beifall der SPD und der FDP – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das würde ich aber einmal mit Fakten belegen!)

Die Fakten kommen.

Von 1991 bis 2004 hat das Land seine Ausgaben für die Hochschulen um 59,4 % von rund 330 Millionen Euro auf 525,5 Millionen Euro erhöht. Im selben Zeitraum sind die bereinigten Gesamtausgaben des Landes nur um 31,2 % gewachsen. Auch im Doppelhaushalt 2005/2006 hat das Land seine Hochschulausgaben erhöht. Sie liegen im Jahr 2006 9,6 % über denen des Jahres 2004. Zum Vergleich: Die bereinigten Gesamtausgaben des Landes steigen lediglich um 1,1 %.

Wir werden diese Entwicklung verstetigen. Es ist deshalb notwendig, das Hochschulprogramm „Wissen schafft Zukunft“ über den ursprünglich beschlossenen Zeitraum 2005 bis 2009 hinaus fortzuführen. Dieses Programm ermöglicht Impulse und Initiativen, die den Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz weiter voranbringen.

Letzteres, das Voranbringen eines Wissenschaftsstandortes, werden wir mit Studiengebühren eindeutig nicht erreichen. Wir brauchen, wie ich gezeigt habe, mehr und nicht weniger Studierende. Die Einführung von Studiengebühren widerspricht diesem volkswirtschaftlich notwendigen Ansinnen. Sie schreckt junge Frauen und Männer vom Studium ab, anstatt sie dazu zu ermuntern.

(Beifall der SPD)

Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur sechsten Novelle des Hochschulrahmengesetzes vor fast genau einem Jahr haben einige CDUgeführte Länder die Einführung von Studiengebühren angekündigt. Ich halte dies für falsch. Studiengebühren sind eine inopportune Antwort auf die Herausforderungen einer Wissensgesellschaft. Ich bin deshalb meinem Ministerpräsidenten und meinen Ministerkolleginnen und -kollegen dankbar, dass Rheinland-Pfalz diesbezüglich eine eindeutige Haltung einnimmt. Ein Ministerratsbeschluss vom 25. Januar 2005 dokumentiert dies.

(Beifall der SPD)

Wir möchten jungen Menschen auch weiterhin ein gebührenfreies Erststudium auf der Basis von Studienkonten ermöglichen. Diese Zielsetzung ist Richtschnur unseres Handelns, auch nach dem Verfassungsgerichtsur

teil. Mich alarmiert, dass in Deutschland der Anteil der Studienanfängerinnen und -anfänger im abgelaufenen Jahr gesunken ist,

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Auch in Rheinland-Pfalz!)

wie dies der Bericht des Statistischen Bundesamtes ausweist. 2005 sank die Quote auf 36,7 Prozent. Zum Vergleich: Der OECD-Durchschnitt beträgt 53 %.

Für mich belegt dies, dass die von den unionsgeführten Ländern angefachte Gebührendiskussion bereits Wirkung zeigt.

(Dr. Weiland, CDU: Es sind immer die anderen!)

Unseres Erachtens bietet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die einmalige Chance, den längst überfälligen Systemwechsel in der Hochschulfinanzierung einzuleiten. Studiengebühren stellen keinen Anreiz dar, die Anzahl der Studienplätze auszubauen. Sie decken nur einen geringen Prozentsatz der realen Kosten ab, die pro Studienplatz anfallen. Wenn nun der Staat die restlichen Kosten nicht 1 zu 1 übernimmt, entstehen aufseiten der Hochschulen Fehlbeträge. Dass deren Leitungsgremien dies nicht zulassen werden, liegt auf der Hand. In der Folge werden Studienplätze abgebaut und verknappt anstatt aufgebaut.

Nur eine staatlich garantierte Finanzierung der Hochschulen über die notwendigen Kosten für einen in Anspruch genommenen Studienplatz kann das Problem lösen. Rheinland-Pfalz jedenfalls wird, wie so oft in diesem Bereich, die bundesweite Vorreiterrolle einnehmen.

(Beifall der SPD)

Herr Dr. Weiland, wir werden eine studienplatzbezogene Finanzierung, aufbauend auf der leistungs- und belastungsorientierten Mittelzuweisung, für unsere Hochschulen im nächsten Jahr einführen. Einzelheiten dazu werden derzeit in meinem Haus vorbereitet.

(Dr. Weiland, CDU: Abschiedsrede!)

Wir möchten und werden zeigen, dass ein solches Finanzierungssystem den Wettbewerb zwischen den Hochschulen fördert und somit zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems beiträgt.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns hier aber nicht auf einer grünen Insel. Gesamtstaatliche Rahmenbedingungen müssen in einem solchen Zusammenhang verändert werden. Die in Deutschland seit Humboldt befolgte Einheit von Forschung und Lehre, von Breite und Spitze, ist gefährdet. Sie ist dadurch gefährdet, dass einige Länder ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nicht gerecht werden, indem sie nicht ausreichend für Studienplätze sorgen, junge Menschen durch Studiengebühren sogar noch vom Studium abschrecken.

Sie ist zusätzlich dadurch gefährdet, dass die Verteilung von Bundesmitteln zur Forschungsförderung die histo

risch bedingte Kluft zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern sogar noch vertieft.

Ich rede keiner Gleichmacherei das Wort. Wir brauchen aber länderübergreifende Rahmenbedingungen in Forschung und Lehre, die einen qualitativen und quantitativen Wettbewerb in diesem Bereich überhaupt erst ermöglichen. Dafür wird sich diese Landesregierung weiter mit aller Kraft einsetzen.

Wir brauchen die Exzellenzinitiative in der Forschung. Wir brauchen aber ebenso etwas Vergleichbares für die Lehre. Rheinland-Pfalz hat dazu einen entsprechenden Vorschlag in die Kultusministerkonferenz eingebracht.

Wir plädieren für einen Systemwechsel in der Hochschulfinanzierung, der auf zwei Säulen beruht. Wir müssen zum einen den Hochschulen seitens des Staates die notwendigen Basiskosten von besetzten Studienplätzen zur Verfügung stellen. Für deren Finanzierung muss über einen Vorteilsausgleich wie in der Schweiz – dies ist die zweite Säule – dasjenige Land aufkommen, aus dem die Studierenden kommen, und nicht diejenigen, die die Studienplätze zur Verfügung stellen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dieses Verursacherprinzip ist in vielen anderen Bereichen gang und gäbe. Warum nicht in der Hochschulpolitik?

Jedes Land bekommt dann Geld für die Abiturienten, die aus einem anderen Land an seine Universitäten strömen. Die Zeiten, in denen Studierende vor allen Dingen als finanzielle Last betrachtet werden, wären dann endgültig vorbei.

(Beifall bei SPD und FDP)

Vielmehr würde ein Wettbewerb um kluge Köpfe einsetzen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das haben wir auch schon!)

Gerade jene Länder, die Studiengebühren einführen wollen, müssen ein Interesse an verbindlichen länderübergreifenden Regelungen haben. Sonst ignorieren sie das Urteil der Karlsruher Richter, das ausdrücklich auf die Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse verweist.

Ich appelliere deshalb an Sie, und zwar ernsthaft, Kolleginnen und Kollegen der CDU in diesem Hause, tragen Sie dazu bei, Kleinstaaterei zu verhindern. Setzen Sie sich bei Ihren Parteifreunden für ordnungspolitisch verantwortungsvolle und effektive Rahmenbedingungen im Hochschulbereich ein.

(Dr. Weiland, CDU: Vorteilsausgleich!)

Es wäre notwendig, dass Herr Böhr in seiner Eigenschaft als stellvertretender Bundesvorsitzender in seiner Partei Zustimmung zu einer länderübergreifenden Regelung organisiert. Nur mit einer solchen Regelung wird die Studiengebührenfreiheit dauerhaft zu sichern sein. Das

weiß auch er. Nur so könnte er glaubhaft machen, dass sein etwas überraschendes Bekenntnis für ein gebührenfreies Studium nicht nur dem Wahltermin im März geschuldet ist.

(Beifall bei SPD und FDP – Frau Kohnle-Gros, CDU: Er hat nie etwas anderes gesagt!)

Lassen Sie mich in diesem Kontext aus einem höchst aufschlussreichen Artikel zitieren – das muss jetzt sein –, der vor weniger als einem Jahr, im März 2005, in der „Rhein-Zeitung“ zu lesen war.

Ich zitiere wörtlich:

(Dr. Weiland, CDU: Ein sehr guter Artikel! Zitieren Sie ihn aber ganz! Wer nur die halbe Wahrheit sagt, lügt auch! – Staatsminister Mittler: Wer schreit, hat Unrecht!)

„Wer bessere Hochschulen möchte, kommt an Studiengebühren als Bestandteil eines innovativen Finanzierungssystems nicht vorbei.“ Der Autor war, wie unschwer durch den Zwischenruf erkennbar, Herr Dr. Weiland, der seit vorgestern für die Bildungspolitik in dem Kompetenzteam zuständig ist.

(Beifall bei SPD und FDP – Lewentz, SPD: Wie ist Ihre Meinung dazu? – Dr. Weiland, CDU: Das ist eines Wissenschafts- ministers unwürdig, was Sie da machen! – Weitere Zurufe im Hause)

Meine Damen und Herren, ein entscheidender Durchbruch zur Verbesserung der Lehrsituation könnte im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt erfolgen. Dieser soll in den nächsten zwei Monaten erarbeitet werden.

(Dr. Weiland, CDU: Fragen Sie einmal Herrn Mertin, was er davon hält!)

Erklärtes Ziel bei diesem Hochschulpakt des Bundes ist es, im Wissen um die Wechselbeziehungen von Forschung und Lehre, die ich schon mehrfach angesprochen habe, gemeinsame Anstrengungen hinsichtlich der Bereitstellung von mehr Studienplätzen zu unternehmen. Hier bietet sich meines Erachtens die einmalige Chance, dass der Bund einen verfassungskonformen relevanten Beitrag zum Ausbau der Hochschulen leisten könnte. Der Bund ist ohne Zweifel für Auswärtiges und Entwicklungshilfepolitik zuständig. Dies bedeutet, wenn man nur möchte, dass er im Rahmen eines Vorteilsausgleichs zum Beispiel die Kosten für die Studierenden aus Entwicklungsländern übernehmen könnte. Dies – soweit ich es sehe, nur dies – wird dem Ziel gerecht und bringt den Hochschulen je nach Ausgestaltung eines solchen Vertrages mehr Mittel zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Lehre.

Ich begrüße im Zusammenhang mit der Diskussion um die Ausgestaltung dieses Hochschulpakts die Überle

gungen hinsichtlich einer Vollkostenfinanzierung der DFG.