Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Bei sachlicher Betrachtung ist das ständige Überbieten mit immer neuen Forderungen und Verschärfungen völlig ungeeignet, um wirklich mehr Sicherheit zu gewährleisten, ja, es trägt sogar dazu bei, dass sich eher ein Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung breit macht. Von der Politik wird wieder etwas versprochen, was hinterher nicht eingelöst werden kann. Das ist sicher nicht dazu geeignet, um das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu verstärken.

Meine Damen und Herren von der CDU, es wäre wichtig, zu einer sachlichen Debatte über die Frage der Inneren Sicherheit und der Terrorbekämpfung zu kommen, damit in all den Pakten und Päckchen, die wir momentan schnüren und auf denen „Terrorbekämpfung“ steht, auch wirklich Terrorbekämpfung drin ist.

So fordert die CDU beispielsweise mehr Polizistinnen, das heißt mehr Kommisariatsanwärterinnen einzustellen. Dies hatten wir auch schon im letzten Doppelhaushalt gefordert, weil wir gesehen haben, dass die Polizei immer mehr spezialisierte und besondere Aufgaben zugewiesen bekommt. Die personelle Ausstattung – davon haben wir uns auch überzeugt – hat damit nicht Schritt gehalten.

Wir haben dies auch gefordert – dies ist eigentlich der wichtigere Grund –, weil wir gesehen haben, dass spätestens ab 2007 weit mehr Polizeibeamtinnen in den Ruhestand gehen, als neu ausgebildet werden können. Man braucht eben auch einmal Einstellungen auf Vorrat, so unsere Rede vor zwei Jahren.

Aber damals wurde das von der Landesregierung noch abgelehnt. Nun haben sich die Zeiten geändert. Nun ist auch die Landesregierung bereit, 75 zusätzliche Polizeianwärterinnen einzustellen, und wir werden nicht dagegen sein.

(Pörksen, SPD: Das ist gut!)

Wir wissen natürlich auch, dass die Situation der Polizei momentan fast untragbar ist. Bei meinem Besuch im Polizeipräsidium in Kaiserslautern in der letzten Woche habe ich erfahren, dass vom 7. Oktober bis zum 5. November wegen der neuen Sicherheitslage mehr als 100.000 Einsatzstunden allein in diesem Polizeipräsidiumsbereich angefallen sind.

(Zuruf des Abg. Pörksen)

Der Grund dafür liegt natürlich in den vielen amerikanischen Einrichtungen in und um Kaiserslautern, die im Moment bewacht werden müssen. Herr Pörksen, wenn es mit der Bundeswehr so ist, dass es verfassungsmäßig nicht geht, sie außen vor den Lagern anzustellen, dann geht es eben nicht. Dann kann man nicht sagen, das ist einfach Paragraphenreiterei.

(Staatsminister Zuber: Das ist doch Quatsch!)

Herr Zuber, wenn das Quatsch ist, dann können Sie in Ihrer Rede dazu etwas sagen.

(Staatsminister Zuber: Das mache ich gern!)

Das sind auch Dinge, von denen wir wollen, das sie auf grundrechtlich und verfassungsrechtlich klarer Basis gestaltet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Staatsminister Zuber: Richtig!)

Meine Damen und Herren von der CDU, was Sie aber vorschlagen, um aus dieser misslichen Personaldiskussion herauszukommen – Herr Hörter hat dies gerade noch einmal betont –, ist nun allemal wirklich der falsche Weg. Auf der einen Seite ist es schon ein wenig rührend, wie Sie jetzt etwas kleinlaut von Ihrer Idee der Privatisierung von Polizeiaufgaben zurückgegangen sind, aber der Vorschlag, den Sie jetzt machen, ist auch nicht viel besser. Sie fordern nämlich – ich nenne jetzt einmal einen Ausdruck, der vielleicht ganz griffig ist, meine Damen und Herren von der CDU – den „Polizisten light“, der im Schnelldurchgang ausgebildet wird, der dann auch Geldtransporte und terrorgefährdete Objekte schützen soll, das natürlich bewaffnet.

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben nicht umsonst immer wieder betont, dass es für alle hoheitlichen Aufgaben der Polizei gut ausgebildete und hochmotivierte Beamtinnen geben muss. Neunundneunzig Mal passiert bei einem Geldtransport nichts, beim einhundertsten Mal kommt es dann zu einem Überfall. Dann möchte ich nicht nur als Politikerin, sondern auch als Bürgerin haben, dass die Verantwortung, ob und wie geschossen wird, in der Hand von geschulten und

Stress erfahrenen Polizisten und Polizistinnen liegt und nicht in der Hand von einem „Polizisten light“, der im Schnelldurchgang ausgebildet ist. Meine Damen und Herren, deshalb lehnen wir dies ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, in einem weiteren Punkt geht Ihr Antrag in eine falsche Richtung; denn er schafft nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Ich meine den letzten Punkt in Ihrem Katalog, den ich auch wirklich für gefährlich halte.

(Billen, CDU: Gefährlich ist da nichts!)

Meine Damen und Herren von der CDU, hier bestärken Sie das schlimme Vorurteil – ich sage es jetzt einmal ganz allgemein –, dass sich Einwanderung negativ und belastend auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirkt.

(Billen, CDU: Das haben wir nicht gesagt!)

Wegen der Sicherheitslage soll diesem Zuwanderungsgesetz nicht zugestimmt werden. Das ist genau das, was dort steht. Das heißt, wenn wir mehr Zuwanderung hätten, würde das bedeuten, dass die Sicherheitslage dadurch negativ verändert würde. Meine Damen und Herren, damit unterstützen Sie die Ängste und Vorurteile gegenüber Ausländern hier in der Bevölkerung.

(Schnabel, CDU: Das ist nicht wahr!)

Sie spielen hinterher sogar die Ausländerinnen und Ausländer, die hier sind, gegenüber den Ausländerinnen und Ausländern, die noch kommen wollen, gegeneinander aus, weil Sie sagen, beides zusammen schaffen wir nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich müssen wir beides zusammen schaffen. Wir müssen die Integration der jetzt hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer schaffen. Wir müssen auch die Einwanderung von Menschen, die aus wirtschaftlichen oder demographischen Gründen zu uns kommen, schultern.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte Ihnen noch eine Sache deutlich machen: Auch Ausländerinnen und Ausländer in Rheinland-Pfalz haben genauso wie wir Deutsche Angst vor weiteren Anschlägen der Terroristen. Aber Sie haben natürlich zusätzlich auch noch Angst davor, für die Anschläge in New York und in Washington mit verantwortlich gemacht zu werden und damit ein Opfer eines ausländerfeindlichen Übergriffs zu werden. Sie sind natürlich durch das verunsichert, was an Gesetzesverschärfung im Ausländerrecht bei der Visaerteilung, bei der Androhung von Abschiebung auf sie zukommt. Wenn wir hier in Rheinland-Pfalz von mehr Sicherheit für alle Menschen reden, dann heißt das auch, dass wir den zugewanderten Menschen mehr Sicherheit geben wollen. Dazu gehört der angebotene Dialog, über den ich das letzte Mal geredet habe. Hierzu gehören die vertrauensbildenden Maßnahmen, aber

auch, was ich für sehr wichtig halte, eine offene und sachliche Information über geplante und bereits in die Wege geleitete Maßnahmen, von denen alle hier Lebenden betroffen sind, aber besonders über jene Maßnahmen, von denen vor allem Zugewanderte betroffen sind. Das sind bei all den Sicherheitspakten, die auf allen Ebenen geschnürt worden sind, sehr viele.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf eine Lücke hinweisen, die sowohl bei dem Sicherheitsmaßnahmenpaket der CDU als auch bei dem der Landesregierung zu sehen ist. Interessant ist nämlich, dass in dem Zehn-Punkte-Vorschlag und in dem vorgeschlagenen Sicherheitspaket die Aufgaben des Datenschutzes überhaupt keine Erwähnung finden. Meine Damen und Herren, dabei liegt es doch auf der Hand, dass infolge eines solchen, von der CDU eingeforderten Sicherheitsstaates auch Fehler und unverhältnismäßige Eingriffe vorkommen werden und nicht auszuschließen sind. Wo ist die Stärkung und Aufstockung von Stellen bei dem Landesbeauftragten für den Datenschutz? Das ist auch eine Frage an die Landesregierung. Hier müssen mehr Stellen gefordert werden. Wie sonst kann garantiert werden, dass Verstöße gegen das Bürgergrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch aufgedeckt werden? Wie sonst kommt es zu einer kritischen Kontrolle, von der auch Sie gesprochen haben, Herr Pörksen, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahme im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch einige Worte zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP sagen, der uns heute Morgen zugeleitet worden ist.

(Pörksen, SPD: Einige lobende Worte!)

Während der erste Teil sehr brav die Maßnahmen der Landesregierung noch einmal nachbetet, kommt im zweiten Teil noch etwas hinzu, nämlich eine Bewertung der Maßnahmenpakete auf Bundesebene. Meine Damen und Herren von SPD und FDP, da wird es für mich sehr widersprüchlich.

(Pörksen, SPD: Das kommt dann, wenn man selbst wider- sprüchlich ist!)

Ich möchte vorausschicken, dass diese Pakete Kompromisse sind – dies gilt besonders für das zweite Paket –, die die GRÜNEN in äußerst schwierigen Verhandlungen mit Innenminister Schily auf der Bundesebene erreicht haben.

(Redmer, SPD: Tragen Sie es mit?)

Sie müssen etwas Geduld haben, Herr Redmer. Uns GRÜNEN ist es gelungen, die gröbsten Eingriffe, die der Bundesinnenminister vorgelegt hat, nämlich Eingriffe in Bürgerrechte und in Verfassungsschutzrechte, wieder mühsam aus dem Paket heraus zu verhandeln. Herr Redmer und meine Damen und Herren, Sie dürfen aber nicht glauben, dass dieser Kompromiss zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgefallen ist. Es ist ein Kompromiss.

Vieles, was dort enthalten ist, ist nicht in unserem Sinne und wird nicht von uns unterstützt.

(Pörksen, SPD: Das gilt natürlich jetzt nicht, hier wieder auszubüxen!)

Aber natürlich, ein Kompromiss ist ein Kompromiss. Wir werden weiterhin dafür einstehen, dass viele Dinge, die dort enthalten sind, auch wieder verbessert werden müssen.

(Pörksen, SPD: Nichts!)

Weil auch die SPD viele Dinge, die Herr Schily zunächst vorgeschlagen hatte, nicht besonders gut fand,

(Pörksen, SPD: Haben Sie sich jetzt geeinigt oder nicht?)

wundert mich jetzt diese uneingeschränkte Zustimmung zu diesem Paket. Der Widerspruch ist auch sehr deutlich.

(Pörksen, SPD: Wo?)

Herr Pörksen, Sie sagen zum Beispiel in der Einleitung Ihres Antrags, es bestehe kein Grund für Panikmache und Gesetzesaktionismus. Dann heißen Sie aber ohne Probleme den völlig übertriebenen und völlig überhasteten Gesetzesaktionismus des Bundesinnenministers für gut.

(Pörksen, SPD: Ist das ein Ergebnis, das Sie selbst mittragen, Sie nicht, aber Ihre Freunde in Berlin, oder wie ist das?)

Das passt schon einmal nicht zusammen. Wie stehen Sie denn zum Beispiel zu der Kritik der Bundesjustizministerin?

(Pörksen, SPD: Die kann ich aushalten! – Staatsminister Zuber: Oh je!)

Diese hat sich ganz ausdrücklich dagegen gesträubt und sehr große Bedenken geäußert. Wer sind denn jetzt Ihre Ministerinnen und Minister?

(Redmer, SPD: Was hat Sie denn gesagt?)