Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Die Simulation des Verkehrsverhaltens zeigt für die Untersuchungsfälle mit Rheinbrücke eine deutliche Veränderung des Verkehrsverhaltens.“ Im Klartext heißt das: Auf der Fähre zwischen Bingen und Rüdesheim ist die höchste Belastung mit über 2.100 Kraftfahrzeugen pro Tag festgestellt worden. Nach dem Bau einer Rheinbrücke würde das Verkehrsaufkommen auf etwa 9.100 Kraftfahrzeuge pro 24 Stunden steigen, wenn keine Gebühren für die Querung der Rheinbrücke genommen würden. Durch die Einführung von Gebühren reduziert sich die Belastung deutlich auf rund 4.100 Kraftfahrzeuge pro 24 Stunden und auf ca. 5.100 Kraftfahrzeuge pro 24 Stunden bei veränderter niedriger Gebührenstruktur.

Brücken schlagen zwischen den Menschen gelingt also nur mit einer Rheinbrücke, aber nicht, wie die GRÜNEN meinen, wenn keine Rheinbrücke bei Bingen gebaut würde. Wieder einmal ignorieren die GRÜNEN die Wünsche der Menschen. Herr Kollege Bischel hat das sehr plastisch dargestellt. Der von weiten Teilen der Bevölkerung geteilte Wunsch nach dem Bau einer Rheinbrücke bei Bingen soll wieder einmal auf dem Altar der Ideologie der GRÜNEN geopfert werden.

Die Behauptung in der Begründung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die im September 2001 durchgeführte Untersuchung zum Verkehr im Mittelrheintal in keiner Weise den Bau einer Brücke bei Bingen stütze, ist schlicht und einfach falsch. Das Gegenteil ist richtig, wie ich bereits mit meinen Ausführungen deutlich gemacht habe. Das Verkehrsaufkommen würde sich nahezu verdoppeln. Auch die Unterstellung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass durch den Bau einer Rheinbrücke die Anerkennung des Mittelrheintals als UNESCO-Weltkulturerbe gefährdet sei, ist nicht nachvollziehbar. Auch dazu hat Herr Kollege Bischel Ausführungen gemacht.

Eine Brücke kann sich in eine bestehende Landschaft nicht nur einbinden, sondern sie kann auch eine Bereicherung darstellen. Deshalb muss die Forderung natürlich lauten, dass sich die Gestaltung der Brücke den Gegebenheiten der Landschaften anpassen muss.

(Glocke der Präsidentin)

Wir meinen, dass die Forderung der FDP-Fraktion bei der Umsetzung des Projekts berücksichtigt werden soll.

Meine Damen und Herren, wir lehnen den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

(Beifall bei FDP und SPD)

Es spricht nun Herr Minister Bauckhage.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es steht außer Zweifel, dass die Landesregierung alles unternimmt, um das Weltkulturerbe im wahrsten Sinne des

Wortes zu realisieren. Dafür haben wir insgesamt 50 Millionen DM vorgesehen. Darüber hinaus werden wir alles unternehmen, dass alle anderen Maßnahmen entsprechend den Vorgaben der UNESCO angepasst werden. Deshalb müssen wir nicht mehr daran erinnert werden; denn das ist eine große Selbstverständlichkeit, was ich eingangs klarstellen möchte.

Meine Damen und Herren, die Planung und der Bau von Brücken über den Rhein liefert schon seit Jahrzehnten den Stoff für zahlreiche Debatten, sei es am Mittelrhein oder an anderen Rheinabschnitten. Die Landesregierung hat die Prüfung für verschiedene Brückenprojekte in ihrem Landesentwicklungsprogramm III aus dem Jahr 1995 festgelegt.

Die Projekte „Weisenauer Brücke“ und „Zweite Rheinbrücke bei Worms“ sind bereits im Bau. Darüber hinaus haben wir uns in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, eine neue Rheinquerung zwischen Mainz und Koblenz zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für eine Brücke zwischen Bingen und Rüdesheim mit Unterstützung des Landes eine Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für eine Realisierung als kommunales Mautprojekt durchgeführt worden ist.

Aufgabe dieser ersten Untersuchung war zunächst die Erhebung verkehrlicher und wirtschaftlicher Eckdaten. Noch nicht eingeflossen sind Fragen des Umwelt- und Naturschutzes. Diese sind selbstverständlich in den weiteren rechtlichen Verfahren sorgfältig abzuarbeiten.

Die Landesregierung hat ferner die Konzeption einer neuen Rheinquerung für die Bewertung im Rahmen der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans beim Bund angemeldet. Bislang ist dieses Projekt als weiterer Bedarf im aktuellen Bundesverkehrswegeplan eingestuft.

Als Fernstraßenprojekt hätte eine neue Rheinquerung natürlich eine andere Verkehrsbedeutung als eine rein kommunale Mautbrücke. Fest steht jedoch, dass nur ein Brückenprojekt im Raum Bingen weiterverfolgt wird. Die Landesregierung wird nicht den Bau von zwei Brücken unterstützen.

Vorrang hat für mich die kommunale Lösung. Hierüber besteht Konsens mit dem hessischen Verkehrsministerium und den Landkreisen auf beiden Seiten des Rheins. Sollte dieses Projekt realisierbar sein, wird für ein mögliches Bundesprojekt aus meiner Sicht kein verkehrlicher Bedarf mehr bestehen.

Meine Damen und Herren, für den Bau der Reinbrücke muss ein verkehrlicher und strukturpolitischer Bedarf nachgewiesen werden und die Umweltverträglichkeit gegeben sein. Darüber hinaus muss vor Ort die Akzeptanz für das Projekt vorhanden sein.

Mit der Planung neuer Brücken muss mit Blick auf die Anerkennung des Mittelrheintals als Weltkulturerbe der UNESCO aufgrund der Entree-Situation zum Mit

telrheintal verständlicherweise sensibel umgegangen werden. (Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hoffentlich!)

Die Bereisung vor einigen Wochen hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir unter strenger Beobachtung der Gutachter der UNESCO stehen.

Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Bau von Brücken gehört das systematische Erfassen und Zusammenstellen aller Wirkungen und Zusammenhänge aus den Bereichen Umwelt- und Naturschutz. Dazu haben wir das Instrument des gesetzlich vorgeschriebenen Raumordnungsverfahrens, in dessen Rahmen auch internationale Schutzbestimmungen zu berücksichtigen sind. Sofern in dem Verfahren ein Grundkonsens über einen möglichen Brückenstandort erzielbar ist, werden im anschließenden Planfeststellungsverfahren alle Einzelbelange sorgfältig gegeneinander abgewogen.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen alles schon im Vorfeld wissen. Ich verlasse mich lieber auf ein Gutachten und die normalen Verfahrensschritte und lehne nicht immer alles im Vorhinein ab. Ihre Politik geht nach der Devise, dass Sie sich selbst durch Ihre Vorurteile bestätigen. So kann man keine Verkehrspolitik betreiben und auch keine Politik gestalten.

Im Vorfeld gehört dazu unter anderem die Frage, inwieweit der seit Alters her bereitgestellte Fährbetrieb den heutigen Ansprüchen der Mobilität entsprechen kann.

Dabei gilt es auch zu prüfen, ob die kommunalen Aufgabenträger, die über das Landesgesetz über den öffentlichen Personennahverkehr als Aufgabenträger des ÖPNV bei der Personenbeförderung bestimmt sind, eigene Beiträge leisten wollen. Frau Kiltz, es ist nicht so einfach, per ordre de mufti zu verordnen, dass die Aufgabenträger diese Aufgaben jetzt mit übernehmen müssen. Nach meinem Verständnis funktioniert so Politik nicht. Die Landesregierung wird eine solche Politik auch nicht realisieren.

Ein erster Schritt ist sicherlich die vorgetragene Anregung, die Fährbetriebe in die Verkehrsverbünde auf beiden Rheinseiten zu integrieren. Hier steht die Landesregierung gern beratend – mehr ist ihr nicht möglich – zur Seite.

Dagegen ist eine Ausweitung des Fährbetriebs mit Subventionen aus öffentlichen Mitteln des Landes nicht vertretbar. Ich will Ihnen auch sagen warum.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben insgesamt meines Wissens 43 Fährbetriebe. Wenn Sie an einer Ecke beginnen zu subventionieren, können Sie sich vorstellen, wie das ausartet.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, das ist so, Frau Kiltz. Der Fährbetrieb wird nur dann ein Fährbetrieb sein, wenn er wirtschaftlich gestaltbar ist. Ich habe kürzlich zur Fähre bei St. Goarshausen/St. Goar noch einmal eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen lassen. Ich habe unters uchen lassen, wie viele Fahrzeuge dort insgesamt bewegt werden würden. Das ist ein Problem. Das wurde hochgerechnet. Darüber hinaus werden die Fährköpfe noch einmal verbessert – Herr Bracht und Herr Lewentz werden das bestätigen können –, damit die Verkehre zur Fähre und über die Fähre erleichtert werden und gleichzeitig der Verkehrsfluss auf beiden Bundesstraßen erleichtert wird, die hoch frequentiert werden.

Zur Verbesserung des Schienenangebots auf beiden Rheinseiten sowie in der Relation Bingen – Wiesbaden hat die Landesregierung ein Gutachten zur Fortschreibung des Rheinland-Pfalz-Takts in Auftrag gegeben. Insbesondere im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke Köln – Rhein/Main im Dezember 2002 muss der Schienenpersonennahverkehr verständlicherweise in Rheinland-Pfalz neu überplant werden, weil quasi eine andere Qualität hinzukommt.

Die angeregte Ausweitung der Leistungen auch in der Relation Bingen – Wiesbaden muss sich dabei im Verhältnis zu allen übrigen Leistungen im Land am Bedarf und an den zusätzlichen Kosten messen lassen. Hier sehen wir in Übereinstimmung mit dem hessischen Rhein-Main-Verkehrsverbund derzeit kaum neue Handlungsspielräume. Jedoch zeichnet sich ein genereller Optimierungsbedarf bei den Anschlussverhältnissen ab.

Offenkundige Kapazitätsengpässe auf der Schiene zwischen Mainz und Wiesbaden sind dagegen nicht bekannt; es besteht deshalb kein akuter Handlungsbedarf.

Durch die aktuellen baulichen Maßnahmen am Streckengleis von Wiesbaden bis in das Vorfeld des Mainzer Hauptbahnhofs wird sich dort in absehbarer Zeit eine Verbesserung der allgemeinen Betriebssituation einstellen.

Ich füge hinzu: Die Landesregierung wird alles unternehmen, um den Schienenverkehr zwischen dem Hahn und Bingen – Mainz – Frankfurt entsprechend zu verbessern und zu optimieren. Deshalb haben sich die Ministerpräsidenten und die Verkehrsminister beider Länder kürzlich getroffen und das alles noch einmal bekundet. Ich bin froh, dass die hessische Landesregierung entsprechend mitzieht, damit die Bahnverbindung zwischen dem Hahn und Bingen – Mainz – Frankfurt verbessert werden kann.

Frau Kiltz, Sie sehen also, wir gehen das gesamte Problem der Brücken nicht nach der Devise an „Jetzt bauen wir einmal eine Brücke“, sondern wir halten uns ganz streng an die Verfahrensschritte. Wir werden selbstverständlich neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf den Weg bringen.

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das müssen Sie nicht betonen; denn das ist vorgeschrieben!)

Ich habe doch gesagt, dass das vorgeschrieben ist. Sie wissen das im Vorhinein schon. Ihr Problem ist, dass Sie vorher schon die Ergebnisse wissen. Das ist Ihr Problem. Ich weiß die Ergebnisse nicht vorher. Deshalb werden wir das vorher alles streng mit dem Ziel prüfen lassen, die Verkehre im Rhein-Main-Raum zu verbessern.

Der Rhein-Main-Raum ist ein in sich geschlossener Wirtschaftsraum. Ohne eine gute Verkehrsinfrastruktur ist keine gute wirtschaftliche Entwicklung möglich. Ich war gestern bei Schott und habe dort im Rahmen der Rhein-Main-Initiative eine Ausstellung eröffnet. Frau Kiltz, was glauben Sie, wie viele Unternehmen auf beiden Seiten des Rheins ein großes Interesse an einer guten Verkehrsinfrastruktur auf beiden Seiten haben. Das gilt sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber. Es geht nicht nur um das Begegnen der Menschen, sondern es geht auch um die wirtschaftliche Entwicklung des Raums in den Visionen von Europa. Dazu gehören vernünftige Verkehrsbedingungen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, da Herr Staatsminister Bauckhage seine Redezeit überschritten hat, stehen jeder Fraktion noch vier Minuten Redezeit zur Verfügung. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich die Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt ab.

Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Brücke schlagen statt Brücke bauen – Keine Rheinbrücke bei Bingen“ – Drucksache 14/307 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Auf- und Ausbau eines flächendeckenden Netzwerks von Tagespflegebörsen fördern Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/368 –

dazu: Kommunale Tagespflegebörsen unterstützen – Netzwerk Ganztagsangebote verdichten Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der SPD – Drucksache 14/410 –

Die Fraktionen sind übereingekommen, diese Anträge ohne Aussprache an die Ausschüsse zu überweisen. Es wird der Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend –, der Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung und der Haushalts- und Finanzausschuss vorgeschlagen. Besteht Einverständnis? – Dann sind beide Anträge an die Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:

Für die Erhaltung der dezentralen, kommunalen Trinkwasserversorgung Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/381 –