Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde hat mich überrascht; denn in Rheinland-Pfalz hat die so genannte Agrarwende schon vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen, und zwar vorbildlich für alle Bundesländer. Es wird allenfalls eine Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik geben.
Wer auf dem richtigen Weg ist, darf niemals eine Wende machen, allenfalls Verbesserungen nach wissenschaftlich und objektiv zu bewertenden neuen Erkenntnissen vornehmen.
Mit der vermutlich notwendigen Agrarwende wird den Verbrauchern vieles vorgegaukelt. Darüber hinaus werden unsere bäuerlichen Familienbetriebe auf dem Altar des Wahlkampfs zu parteipopulistischen Zwecken geopfert. (Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von Ihnen!)
Richtig ist, dass Fachleute aus Wissenschaft, Beratung, Agrarpolitik und der bäuerlichen Praxis seit Jahrzehnten in unserem Land bemüht sind, die Agrarproduktion in Bezug auf Nahrungsmittelqualität, Tiergerechtigkeit und Umweltschutz zu optimieren.
Mit der BSE-Krise soll nun auf einmal alles anders sein. Wissenschaftliche Zusammenhänge und Erkenntnisse gelten in der agrarpolitischen Auseinandersetzung scheinbar nichts mehr. In Deutschland soll seit einem Jahr plötzlich alles falsch sein, auch was in den vergangenen Jahrzehnten zu einem nie gekannten Produktionszuwachs und gleichzeitig einer nie gekannten Produktqualitätssteigerung geführt hat. Die Qualitätssteigerungen in unserem Land sind in Europa und weltweit beispielhaft.
Ebenso ist die Arbeitsplatzqualität in unseren Familienbetrieben auf einem guten Niveau. Bedauerlicherweise wird immer wieder das Image der Landwirtschaft beschädigt.
Frau Ministerin Künast zeigt sich in erster Linie für den Verbraucherschutz verantwortlich. Dass sie dabei gleichzeitig die Landwirte verunglimpft, wie dies Anfang dieses Monats im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin geschehen ist, passt in ihr Kalkül, da sie anscheinend so mehr Verbraucherstimmen für sich gewinnen möchte.
Auch ich fühle mich wie Sie alle und unsere Landesregierung für den Verbraucherschutz verantwortlich. Es ist geradezu eine Eigenart der bäuerlichen Familienbetriebe, dass sie sich dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen. Neben ökonomischen und ökologischen Aspekten zählt dazu auch die soziale Verantwortung, qualitativ hochwertige und unbedenklich zu konsumierende Lebensmittel zu erzeugen.
Auf Bundesebene hat man den Eindruck, Argumente werden durch Aktionen und sachgerechte Lösungen durch Schnellschüsse ersetzt. Die zunehmend von Frau Ministerin Künast beschworene Agrarwende vermittelt den Eindruck, dass sie vor lauter Wendeaktionen die notwendige Richtung für die Landwirte und die Verbraucher aus den Augen verloren hat. Will sie nun den ökologischen Landbau verordnen oder doch lieber den Verbraucher überzeugen, höhere Preise zu zahlen?
Ich kann nur sagen: Die FDP will keine dirigistischen Vorgaben. Ökologisch wirtschaftende Betriebe sind den gleichen Marktgesetzen wie alle anderen Betriebe unterworfen. Die Öko-Betriebe in Rheinland-Pfalz waren bis jetzt auf einem guten Weg. Sie bedienten das zunehmende Marktsegment zu ihrer und des Verbrauchers Zufriedenheit. Dabei dürfte außer Acht gelassen werden, ob mehr die subjektive oder die objektive Produkteinschätzung maßgeblich ist.
Mit dem Biosiegel à la Künast, dessen Anforderungen nicht höher sind als die, die an ganz normal erzeugte Produkte – auch in Rheinland-Pfalz – gestellt werden, entsteht unnötige kontraproduktive Konkurrenz innerhalb der Landwirtschaft. Es wird nicht nur ein Keil, sondern es werden gleich mehrere Keile in die so arg gebeutelte Landwirtschaft getrieben. Es wird eine Minderheit verschaukelt, aber nicht geschützt.
In Rheinland-Pfalz wurde seit Jahren vieles auf den richtigen Weg gebracht. Die Agrarpolitik in RheinlandPfalz ist vorbildlich.
Meine Damen und Herren, Beispiele hierfür sind das Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung in Rheinland-Pfalz. Es gibt 12.000 Teilnehmer mit etwa 145.000 Hektar. Das sind 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die mit ca. 25 Millionen Euro gefördert werden. Damit sind wir auf dem richtigen Weg.
Der Ökolandbau in Rheinland-Pfalz befindet sich mit bereits 17.000 Hektar auf dem richtigen Weg. Rheinland-Pfalz ist führend bei der Förderung tiergerechten Bauens. Die flächenbezogene Tierproduktion ist mit unter 1,4 Großvieheinheiten pro Hektar beispielhaft für andere Regionen. Dank der richtigen Landwirtschaftspolitik in diesem Land gibt es nur bäuerliche Familienbetriebe.
Last but not least: Seit mehr als fünf Jahrzehnten haben wir in Rheinland-Pfalz ein Beratungssystem, das den Landwirten, der Umwelt und den Verbrauchern gerecht wird und das stets auf hohem Niveau und immer aktuell ist.
Ich frage nun die Antragsteller, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was wollen Sie? Wollen Sie zurück in die Vergangenheit, oder wollen Sie mit uns in eine gute Zukunft?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Billen: Sie haben es geschickt hingebracht, nichts zur „Agrarwende“ zu sagen und auch nichts zu dem – – –
Ich verteile keine Noten. Ich habe gesagt, Sie haben es geschickt hingebracht, sofort ein Problem anzusprechen, das wirklich ein Problem ist, nämlich die Schweinepest in der Eifel. Das bleibt Ihnen als Eifelaner unbenommen, und über dieses Problem muss auch gesprochen werden. Sie wissen aber so gut wie ich – das ist die Ecke, an der man vorsichtig sein muss –, dass jedwede Art der Förderung – – – Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Problemen zu tun. Wenn gekeult wird, ist das eine Frage der Tierseuchenkasse. Wenn gesperrt wird, stellt sich die Frage, wie man EU-gerecht, also EUnotifizierbar, Hilfe leisten kann.
Es wäre mehr als populistisch, wenn die Landesregierung heute sagen würde: Jawohl, wir tun da etwas.
Herr Schmitt, Ihnen muss ich das nicht erläutern. Das muss notifiziert werden, wofür es ganz enge Grenzen gibt. Es wird sehr schwierig sein – selbst wenn man das wollte –, das hinzubekommen. Deshalb am Anfang nur mein Einwand dazu.
Gestatten Sie mir noch ein Wort zu dem, was auch wichtig ist: Man kann jetzt lang diskutieren. Wenn man vor dem Hintergrund von 2,4 % diskutiert und dann von einer Wende spricht, muss man wissen, dass 2,4 % statistisch eine vernachlässigbare Größe sind, die aber gleichzeitig auch wichtig sind.
Damit wir uns nicht missverstehen, sage ich direkt dazu: Ich bin der Letzte, der die ökologische Landbewirtschaftung – ich bezeichne das einmal so – diskriminieren will. Ich wehre mich aber auch dagegen, dass der konventionelle Landbau diskriminiert wird. An der Stelle sind wir dann unterschiedlicher Auffassung.
Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade vor einem Jahr in der Landwirtschaft vor einer schwierigen Situation standen. Einerseits machten die BSE-Problematik und MKS
Jedem war klar, es musste etwas passieren. Ob man nun aber etwas passieren lassen kann, indem man eine Trennungslinie zwischen konventioneller und ökologischer Landbewirtschaftung zieht, ist eine zweite Frage der Bewertung. Tatsache ist nur – das muss man sehen –, dass wir uns ein Stück auf das Land RheinlandPfalz kaprizieren sollten.
Ich rede jetzt nicht über Agrarfabriken und über Viehbesatzdichten, die sich dramatisch entwickelt haben, sondern ich rede davon, wie die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz aussieht. Ich stelle also zunächst einmal fest, dass wir bezogen auf die Betriebsstruktur den klassischen bäuerlichen Familienbetrieb haben. Wir haben – Herr Billen hat zuvor einige Zahlen richtig genannt – in der Breite Schweinehaltungsbetriebe in einer Größenordnung von 100 bis 500 Tieren.
Bei der Rinderhaltung haben wir selbst in der in Bezug auf die Rinderhaltung gut strukturierten Eifel im Landkreis Bitburg-Prüm die größte Rinderhaltungsdichte in Rheinland-Pfalz mit einem Hektar zu 1,5 oder 1,3 Großvieheinheiten. Daran erkennt man deutlich, dass Rheinland-Pfalz eine anders strukturierte Landwirtschaft hat, als sie in anderen Ländern und auch in anderen Bundesländern gegeben ist. Es gibt keine Agrarfabriken in unserem Bundesland. Dennoch ist ein EU-weiter Handlungsbedarf notwendig. Wenn ich mir die Tierhaltungsbedingungen und Umweltprobleme in einigen Regionen in den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ansehe, stimme ich zu, dass es da noch eine ganze Menge zu tun gibt. Meine Kollegin Höhn wäre jedoch froh, wenn sie rheinland-pfälzische Verhältnisse vorfinden würde.
In keinem Landkreis in Rheinland-Pfalz erreichen wir die kritische Grenze von 2,0 Großvieheinheiten pro Hektar auch nur annähernd. Ich kann also nicht erkennen, was wir in Rheinland-Pfalz verpasst haben sollten, zumal wir in Rheinland-Pfalz das so genannte FUL-Programm schon viele Jahre sehr erfolgreich praktizieren.
Auch dies ist eigentlich ein Beleg dafür, dass in Rheinland-Pfalz – ich sage damit nicht, dass diese Landbewirtschaftung in Ordnung ist – die Strukturen andere sind und wir rechtzeitig mit dem FUL-Programm die richtigen Strukturen auf den Weg gebracht haben und jedem Landwirt die Möglichkeit geben, daran teilzunehmen. Dafür gibt es strenge Kriterien.
Es kommt ein weiterer Punkt hinzu, der mir wichtig ist und den ich Ihnen gegenüber erwähnen möchte: Vor diesem Hintergrund ist der Verbraucher immer souve
rän. Wir werden es auch bei internationalen Märken nie hinbekommen, den Verbraucher zu zwingen, das eine oder andere zu tun. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gerade in der Landwirtschaftspolitik von vollmundigen Bekundungen ein Stück Abstand nehmen und gleichzeitig die Realität auch im Interesse der bäuerlichen Familienbetriebe deutlich und klar herausstellen.
Eins kann man auch feststellen: Es gibt seit wenigen Monaten im Ernährungseinzelhandel wieder den so genannten Preiskrieg. Den haben nicht die Landwirtschaftsminister, Frau Künast, Herr Höhn oder Herr Bauckhage, verordnet, sondern das ist ein Stück der wirtschaftlichen Realität, und das ist auch ein Stück der Verbrauchersouveränität. Tun wir doch nicht so, als ob wir alles erledigen könnten, indem wir den Verbraucher an die Hand nehmen und ihm sagen, was er heute, morgen und übermorgen tun muss. Ich will damit sagen, man kann nicht eine Politik auf den Weg bringen, indem man Politik für 20 % macht und die 80 % vernachlässigt.
Alle Landwirte wollen gesunde Lebensmittel produzieren. Alle Landwirte in Rheinland-Pfalz – ich kann natürlich nicht die Hand für den Letzten ins Feuer legen – tun dies auch. Deshalb ist es auch nicht gut, wenn man einen Affront gegen den so genannten bäuerlichen Familienbetrieb lostritt und gleichzeitig die industrielle Landwirtschaft fördert. Das kann übrigens dazu führen, dass die Verbraucher etwas ganz anderes machen als das, was wir uns von ihnen wünschen.
Der EU-Agrarkommissar Fischler hat kürzlich auf der Grünen Woche eine grundlegende Umgestaltung der Agrarpolitik erneut abgelehnt. Auch darüber kann man streiten. Wenn er sie ablehnt, müssen wir aber wissen, dass sich die Nachbarn drum herum anders verhalten, als der eine oder andere das gern hätte.