Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Zweiter Schritt: Man hat diese Schulden geparkt, ein Jahr zur Seite gelegt und dann behauptet, wir haben mit diesen geparkten Schulden eine Rücklage gebildet.

Dritter Schritt: Als man das Geld gebraucht hat, hat man es selbstverständlich ausgegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist kreative Buchführung. Das will ich gern zugestehen. Mit Sparen hat das wirklich nichts zu tun.

(Beifall der CDU)

So erleben wir das seit zehn Jahren. Wir reden oft über die Frage, ob wir ein Einnahmenproblem oder ein Ausgabenproblem haben. Übrigens hat der ehemalige Finanzstaatssekretär unseres Landes, Dr. Thilo Sarrazin, jetzt, wo er einen neuen Hut trägt – das verändert manchmal das Denken; das Tragen eines neuen Huts ist manchmal sozusagen beflügelnd für die Innovationskraft des Denkens –, sehr bemerkenswerte Ausführungen dazu gemacht, was diese sehr schwierige Frage nach dem Einnahmenproblem und dem Ausgabenproblem anbelangt; natürlich mit Blick auf das Land Berlin. Das will ich gar nicht beschreiben. Aber die haben darüber hinaus eine gewisse allgemeine und generelle Bedeutung.

Zehn Jahre haben wir in Rheinland-Pfalz erlebt, dass nicht ein einziges Mal auf der Ausgabenseite eingegriffen wurde. Die Ausgabenseite war immer tabu. Es wurde immer alles, was man bekommen konnte, auf Heller und Pfennig ausgegeben. Das Geld wurde „zusammengekratzt“, und dann wurde es „verpulvert“. So war es Jahr für Jahr. Wenn es nicht gereicht hat, hat man sozusagen über Kredite nachgeholfen und über Kreditaufnahmen den Betrag aufgestockt, den man brauchte, um mit seinen Ausgaben zurechtzukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geschah zehn Jahre lang mit dem Ergebnis, dass in diesen zehn Jahren jährlich rund eine Milliarde Euro neue Schulden gemacht wurden. In zehn Jahren sind das 10 Milliarden Euro neue Schulden.

Nun kennen wir auch die Ausreden. Die gehen von Konversion, Flughäfen usw. – Das sind alles Probleme, die auf der ganzen Welt nur Rheinland-Pfalz berühren? Kein anderes Land ist von Wiedervereinigung, Konversion und solchen Fragen berührt? Nur wir sind hiervon berührt? Nur wir haben in den letzten Jahren mit diesen Problemen zu kämpfen gehabt?

Es gibt eine Ausrede, die ist recht originell, jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass wir schon einmal länger darüber debattiert haben. Deswegen will ich diese heute erwähnen. Alle anderen waren schon häufiger Gegenstand der Erörterung im Plenum.

Eine Ausrede ist ganz originell. Diese ist übrigens auch halbwahr. Es ist nicht so, dass das, was ich jetzt vortrage und worauf ich zu sprechen komme, sozusagen eine reine Finte wäre. Das ist die Investitionsquote.

Die Investitionsquote ist in Rheinland-Pfalz in der Tat erstaunlich hoch; übrigens auch im Vergleich der Bundesländer. Das ist gar keine Frage. Ich sehe einmal davon ab, wie diese Investitionsquote berechnet wird. Darüber kann man lang streiten. Ich erinnere mich ganz dunkel, dass wir das schon einmal vor vielen Jahren getan haben.

So, wie sie Ihre Multimediaausgaben berechnen, dass jeder Kugelschreiber, der irgendwo angeschafft wird, am Schluss ein Beitrag zur Umsetzung des Multimediaprogramms der Landesregierung ist, so ist es auch ein bisschen bei der Investitionsquote. So ist es leider.

Es gibt überhaupt nichts, was nicht niet- und nagelfest ist und am Ende nicht in die Investitionsquote des Landes Rheinland-Pfalz einfließt. Aber sei es drum. Sie ist erstaunlich hoch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur das ist die eine Seite der Medaille. Das ist wahr. Das ist unbestritten.

Die andere Seite der Medaille geht sehr schön aus einem Monitum des Rechnungshofs hervor, der nämlich darauf hingewiesen hat, dass diese doch verhältnismäßig hohe und gute Investitionsquote mit einem hohen Preis erkauft wurde. Sie wurde erkauft und wird bis heute mit einer überdurchschnittlich hohen Kreditfinanzierungsquote erkauft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Punkt. Das ist wirklich der zentrale Punkt der Auseinandersetzung. Es ist nicht alles falsch, was die Regierung macht. Es ist auch nicht alles richtig, was die Opposition sagt. Nur in diesem einen Punkt müssten wir den Streit weiter führen. Dieser eine Punkt lautet: Alles das, was Sie machen – ob es unsere Zustimmung findet oder nicht, ob wir es für richtig finden oder nicht, ist völlig „wurscht“ –, ist im Kern auf Pump finanziert, und das seit zehn Jahren.

(Beifall der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht nicht gut. Das kann nicht gut gehen.

Im Übrigen empfehle ich dringend, wenn wir über die Investitionsquote reden, dass wir irgendwann einmal so eine Art Erfolgskontrolle auch in diesem Bereich beginnen. Ich habe eben knapp etwas zur Frage der Finanzkraft und der Wirtschaftskraft gesagt.

Wir haben seit Jahren eine hohe Investitionsquote. Das ist wahr. Das stimmt. Wenn die Landesregierung das behauptet, sagt sie nichts Falsches. Nur: Obwohl wir seit Jahren eine verhältnismäßig hohe Investitionsquote haben, sinken wir in der Wirtschaftskraft Jahr für Jahr ab. Wie auf einer schiefen Ebene rutschen wir nach unten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da kann angesichts dieser hohen Investitionsquote etwas nicht stimmen in Bezug auf das magere und dürftige Ergebnis, was die Entwicklung der Wirtschaftskraft in Rheinland-Pfalz anbelangt. Damit sind wir bei dem Kern des Problems.

Ich denke, dass der Kern des Problems in diesem Land und auch dieser Landesregierung ist, dass sie dann doch immer wieder den Versuch unternimmt, mit aller Kraft nicht nach Sparmöglichkeiten zu suchen, sondern alle Kraftanstrengungen darauf konzentriert, eine Politik zu gestalten, die niemandem etwas zumutet und – wir erleben das im politischen Alltag sehr häufig – allen alles in Aussicht stellt.

Herr Ministerpräsident, ich glaube übrigens auch, dass das ein gutes Stück des Geheimnisses Ihres bisherigen Erfolges ist, dass Sie niemandem etwas zumuten und allen alles in Aussicht stellen.

(Beifall bei der CDU)

Das hält natürlich viel Ärger vom Hals – das ist keine Frage –: Keine schlechten Nachrichten, kein Antasten von Besitzständen, keine Infragestellung von Erbhöfen, außer – ich habe mir lange überlegt, ob ich diese Bemerkung machen soll – da, wo es wirklich nur eine kleine Hand voll Leute trifft. – Ich nenne ein Beispiel. Ich hoffe, dass ich jetzt keinem damit schade, wenn ich das Beispiel nenne. Es hat mich aber einfach geärgert, weil es so beispielhaft für das ist, was diese Landesregierung macht. Da, wo es niemand merkt und wo es wirklich nur eine Hand voll Leute trifft, wird wie mit der Axt im Wald zugeschlagen. Das Musikgymnasium in Montabaur. Da

ist zwar nur ein Betrag von 150.000 Euro herauszuholen, aber da wird gnadenlos zugeschlagen.

(Frisch, CDU: So ist es!)

Da weiß man genau, da gibt es keine Demonstrationen. Das gibt es noch nicht einmal einen Artikel in der „RheinZeitung“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da, wo man es unbeobachtet machen kann, da tut man es. Da, wo es auffallen könnte, wo es möglicherweise zu Protesten führen könnte, schleicht man wie die Katze mit Samtpfoten um den heißen Brei des Sparens herum. Das ist das Erfolgsgeheimnis dieser Landesregierung: Alles allen in Aussicht stellen und keinem irgendwie einen Besitzstand antasten wollen.

(Beifall der CDU)

Mit der Politik landet man natürlich da, wo diese Landesregierung jetzt gelandet ist und voraussichtlich in zwei Jahren endgültig landen wird. Man lässt die Dinge treiben und bedient Gott und die Welt mit geliehenem Geld. Das ist die haushaltspolitische Maxime der SPDgeführten Landesregierung von Rheinland-Pfalz.

Ich sagte eben schon, so schafft man sich Ärger vom Hals. Aber politische Führung sieht anders aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun ging das lang gut, wie wir alle wissen. Auch mit Blick auf die Wahlergebnisse ging das sehr lang gut. Es war wirklich eine Erfolgsstory, wie sich in Sympathiekurven und Wahlergebnissen zeigte. Aber – jetzt kommt ein großes „aber“ – die Welt hat sich verändert.

Sie hat sich mit der Einführung des Euro verändert; denn mit der Einführung des Euro hat ein neues finanzpolitisches Zeitalter begonnen.

Ich weiß nicht, ob wir uns alle schon ausreichend Klarheit darüber verschafft haben, dass die Einführung des Euro auch die Finanzpolitik der Länder auf eine gänzlich andere Grundlage gestellt hat. Seitdem wir den Euro haben, ist in der Finanzpolitik alles mit allem verbunden: Europa mit den Nationalstaaten, die Länder mit den Gemeinden, und alle öffentlichen Kassen zusammengenommen fließen in die Berechnung der Kriterien ein. Jetzt kann sich niemand mehr in der Ecke verdrücken und sagen: „Ich mache da nicht mit!“ Alles ist mit allem untereinander verbunden.

Meine Damen und Herren, seitdem das so ist, ist der Beitrag der Kommunen, der Städte und der Gemeinden genauso wie der Beitrag der Länder und der Staaten ein Beitrag, der entweder in seiner Gänze die Stabilität der Währung sichert oder in seiner Gänze die Stabilität der Währung untergräbt.

Da das so ist, ist es keine Infamie, wenn die Schuldenmacher jetzt und in der Zukunft von der Europäischen Union öffentlich an den Pranger gestellt werden. Das ist keine politische Verschwörung in Brüssel gegen einen liebreizenden deutschen Bundeskanzler, sondern das ist die zwingende Folge dieser neuen finanzpolitischen

Grundlage, auf der wir genauso stehen, wie alle anderen innerhalb der Europäischen Union auch auf dieser neuen Grundlage stehen.

Seitdem geht es gar nicht mehr anders, als dass die bedenkenlosen Schuldenmacher an den Pranger gestellt werden. Jetzt sind wir mitten in der Diskussion über den blauen Brief. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen. Ob es so klug war, den blauen Brief mit aller Gewalt aus der Welt zu bringen und sich dafür das einzuhandeln, was sich Herr Eichel eingehandelt hat, lasse ich einmal dahingestellt. Das Ergebnis ist, dass der Herr Bundesfinanzminister einen Ausgleich bis zum Jahr 2004 versprochen hat. So weit so gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das gehört in der Tat zu den von uns nicht beeinflussbaren Umständen und Bedingungen. Für das Jahr 2004 steht der Herr Bundesfinanzminister im Wort, einen Ausgleich oder – ich meine, die korrekte Zitierweise ist – annähernd einen Ausgleich vorzulegen.

Jetzt ist die Frage, ob das irgendwelche Folgen für uns hat. In der Zeitung lese ich, dass der Herr Finanzminister unseres Landes auf die Frage, welche Folgen das gegebenenfalls für Rheinland-Pfalz hat, sagt: Ich warte erst einmal ab.

(Heiterkeit bei der CDU)

Man muss aber nicht abwarten, um zu wissen, dass dieser Zug im Gefolge der Zusagen des Herrn Bundesfinanzministers unabdingbar auf die Länder zurollt. Das ist doch völlig klar, aber nicht, weil der Herr Bundesfinanzminister besonders bösartig ist und seinen Parteifreunden in den Ländern die heiße Kartoffel weiterreicht, sondern weil alles mit allem verbunden ist und weil er gar nicht anders kann, als die Entwicklung der Verschuldung in den deutschen Bundesländern mit in seine Betrachtungen einzubeziehen.

Also rollt der Zug auf die Bundesländer zu. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, in dieser Situation hat die CDU Ihnen ein Angebot gemacht, nämlich das Angebot, gemeinsam darüber nachzudenken, ob es im Wissen, dass der Zug auf uns zurollt und das Abwarten keine Lösung des Problems ist, sondern bestenfalls andere dazu einlädt, über unseren Kopf hinweg zu bestimmen, was jetzt getan werden muss, nicht sinnvoll wäre, einen Stabilitätspakt für Rheinland-Pfalz zu schließen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Null plus null gibt null!)

Ich will das nicht mit einem falschen Pathos vortragen, aber dass das für eine Opposition eher ein ungewöhnliches Angebot ist, muss meines Erachtens nicht weiter kommentiert werden. Dennoch haben wir dieses Angebot gemacht, und wir halten das Angebot aufrecht, ein paar Sparmaßnahmen gemeinsam zu überlegen und gemeinsam zu tragen.

Ich weiß nicht, weshalb dieses Angebot auf eine so schroffe Ablehnung gestoßen ist, Herr Ministerpräsident. In den nächsten vier Jahren wird sich die politische Landschaft in Rheinland-Pfalz nicht verändern. Sie sitzen fest im Sattel, fester denn je. Sie haben überhaupt

keinen Grund, mit Blick auf Wahltermine irgendwelche falschen Rücksichten zu nehmen. Deswegen fordere ich Sie in aller Form auf: Haben Sie endlich den Mut, das Notwendige zu tun. Wenn wir es für sinnvoll halten, werden wir Sie darin unterstützen. Wir werden uns einem solchen Stabilitätspakt nicht verweigern; denn er ist notwendig und überfällig.

(Beifall der CDU)

Der erste Punkt mit Blick auf die Frage, was denn zu tun ist, ist, dass wir uns eingestehen – ich weiß, dass es uns allen schwerfällt, auch einer Opposition fällt das nicht einfach –, dass in diesem Landeshaushalt Sparpotenziale vorhanden sind. Es gibt sie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist nicht so, dass mit Blick auf die Frage, ob es Sparpotenziale gibt, gesagt werden kann, dass der Haushalt auf Kante genäht sei. Er ist im Hinblick auf die Nettoneuverschuldung auf Kante genäht. Das ist wahr. Aber im Hinblick auf die Frage, ob es Sparpotenziale gibt, ist dieser Haushalt bei Gott nicht auf Kante genäht.

Ich nenne drei Stichworte, die die Frau Berichterstatterin vorhin bereits vorgetragen hat. Es gibt Sparpotenziale beim Personal. Über die Steigerung der Personalkosten in Rheinland-Pfalz – übrigens auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – gibt es außerordentlich interessante Hinweise, Bemerkungen und Feststellungen im jüngsten Bericht des Rechnungshofs. Das will ich an dieser Stelle aber nicht vertiefen. Dass die Welt zusammenbricht und in Rheinland-Pfalz die Lichter ausgehen, wenn wir unseren Personalbestand auf den Bestand im Jahr 1991 zurückführen, das glaubt doch keiner.

Also gibt es doch gewisse Einsparpotenziale beim Personal des Landes. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Steigerung von 266 Stellen, die Sie seit dem Jahr 1991 zusätzlich eingerichtet haben, in der Staatskanzlei und in den Ministerien zurückzuführen. Herr Ministerpräsident, fangen Sie damit an; denn Sie lassen sich mit diesem Doppelhaushalt zusätzlich 18 Stellen für die Staatskanzlei genehmigen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!