Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Meine Damen und Herren, ich begrüße recht herzlich Gäste im Landtag, und zwar eine Seniorengruppe aus Kandel sowie die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen aus Riesweiler. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich erteile nun dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Joachim Mertes, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Möglicherweise wird meine erste Bemerkung zumindest bei den einen mildes Entsetzen und bei den anderen Freude hervorrufen. Ich wollte Herrn Kollegen Böhr für seine fulminante Rede herzlich danken.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Jetzt muss natürlich Herr Kollege Böhr umso nachdenklicher sein, wenn keiner in seiner Fraktion dieses Kompliment annimmt. Aber wollen wir das heute nicht überstrapazieren. (Zurufe von der CDU)

Ich sehe es Ihnen an. Herr Kollege Böhr hat eine interessante finanzpolitische Rede gehalten, die allerdings ausgelassen hat, wo wir sparen können – das ist wahr. Aber die Rede war interessant – keine Frage.

(Beifall bei der SPD – Zuruf und Heiterkeit bei der CDU)

Da wir viel Zeit haben, werde ich Ihnen die Gelegenheit geben, sich richtig auszuleben.

Ihre finanzpolitische Rede, die mit diesem wunderbar vergifteten Blumensträußchen vergiftet war, wir wollen einen gemeinsamen Pakt zum Schuldenabbau machen, ist deshalb wirklich bemerkenswert, weil Sie gestern sozusagen gezeigt haben, wie Sie es wirklich meinen, indem sie einen Packen von Entschließungsanträgen für 70 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich nicht des Wissens oder einer Prognose darüber rühmen. Ich habe gesagt, genauso wird es kommen. Es wird eine finanzpolitische Rede geben, bei der deutlich gemacht wird, wo wir Probleme haben – wer will das leugnen? –, bei der aber keinem Lehrer, keinem Polizisten oder keinem Beamten gesagt wird: Wir wollen Personal abbauen, und dich haben wir gemeint. – Nein, diese Aufgabe wird verschwiegen. So kann man keine Politik machen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es ist interessant, im Wandel der Zeiten mitzubekommen, wozu die Debatten um den Einzelplan der Staatskanzlei eigentlich genutzt werden. Früher war dies eine Generaldebatte über die Absichten der jeweiligen Fraktionen und Regierungen, wie sie Politik in RheinlandPfalz gestalten wollen.

Wir haben durchaus sachkundig und bemerkenswert gehört, welche finanziellen Probleme drohen. Wir werden im Einzelnen noch darauf zurückkommen. Aber wir haben nichts darüber gehört, wie man Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren gestalten will. Welches Bild haben wir eigentlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren von Rheinland-Pfalz? – Meine Damen und Herren, das ist die landespolitische Frage, die wir mit dem Haushalt abdecken.

Finanzpolitik ist die zweite Säule, nicht die erste Säule. Wir sind vor einem Jahr in die Verantwortung gewählt worden, weil wir zu gestalten haben, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen haben und ihre Probleme lösen wollen. Genau deshalb!

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Daher möchte ich Ihnen zunächst einmal die Prioritäten nennen. Wir werden die Menschen dabei unterstützen, dass sie ihre Lebenschancen wahrnehmen können und dabei die Hindernisse beiseite räumen, die ihnen im Weg stehen. Dies erreichen wir beispielsweise durch bedarfsorientierte und regional ausgewogene Ganztagsschulangebote. Meine Damen und Herren, dies ist eine der wichtigsten bildungspolitischen Maßnahmen in der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Das ist Gestaltung, und dafür stehen wir.

(Beifall der SPD und der FDP)

Selbstverständlich werden wir auch über das Geld dafür sprechen. Aber was ich zu vermissen habe, ist, dass in Ihrer Rede keine Landespolitik mehr gemacht wird, sondern die Verlängerung der Oppositionspolitik aus Berlin. Das ist eigentlich vertane Zeit, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU: Ha, ha!)

Prioritäten sind Landespolitik und Gestaltung. Wir werden die Infrastruktur des Landes ausbauen und die Ressourcen effizienter nutzen. Wir werden den gesellschaftlichen Zusammenhalt erhalten und stärken. Das ist sehr wichtig, dazu hat es aber von Ihnen kein Wort gegeben. Wir werden dies tun, indem wir die Menschen unterstützen, die in sehr vielfältiger Weise ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und eine aktive Zivilgesellschaft bilden. Meine Damen und Herren, im letzten Jahr ist zu viel über das Ehrenamt gesprochen worden, als dass heute nichts im Haushalt stehen könnte, um dieses Ehrenamt in unserer Gesellschaft zu unterstützen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Natürlich kann man den Haushaltsplan nur von der finanzpolitischen Seite her sehen. Aber in Wirklichkeit sind die Finanzen nur ein Mittel, um die Zukunft zu gestalten. Sie werden natürlich bei der CDU zum Mittel zum Zweck, das ist keine Frage. Sie reden zu viel von den Finanzen und zu wenig von der politischen Zukunft unseres Landes Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren. Genau das ist der Punkt.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie haben uns mit der Verschiebung der Verabschiedung des Haushalts einen Stabilitätspakt angeboten. Das ist nichts Neues, allenfalls für Sie. Das gibt es seit 1997. Wir wissen, dass wir für die Einhaltung eines bestimmten Haushaltsdefizits und für die Staatsverschuldung verantwortlich sind.

Ich frage mich: In welchem politischen Land haben Sie gelebt, und in welchem habe ich gelebt? – Das ist seit 1997 Bestandteil. Meine Damen und Herren, klar ist, dass es ein harter Kampf werden wird, dies zu erreichen.

2004 war ein Zeichen, als wir eine besonders gute Konjunkturlage hatten. Die konjunkturelle Lage hat sich aber verändert. Wer in der Haushaltsdebatte so tut, als könnten nicht neue Reaktionen auf neue Entscheidungen und Entwicklungen folgen, der muss sich fragen lassen, ob es ihm wirklich so ernst damit ist, wie es Herr Böhr soeben betont hat.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Kommen wir zu der Ernsthaftigkeit dieses Stabilitätspaktes, des Angebots einzusparen. Ich habe im Haushalts- und Finanzausschuss die Kollegen gefragt: Heißt das nun, dass alles, was Sie bislang überall im Land an Verbesserungen gefordert haben, obsolet ist? – Es fällt in Rheinland-Pfalz kein Ziegel vom Dach, ohne dass Sie ein Notprogramm ausrufen.

(Heiterkeit bei SPD und FDP – Beifall der SPD und der FDP)

Darauf wurde mir keine Antwort gegeben.

(Bracht, CDU: Falsch!)

Das ist nicht falsch. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

(Bracht, CDU: Sie wollten nicht zuhören!)

Allein schon bei der Frage an den Kollegen Böhr nach seiner Äußerung in der Zeitung des Deutschen Beamtenbundes, in der er von einem Haushaltsdiktat spricht, das unsere armen Bediensteten so drückt, und dass es Verbesserungen geben müsse, wurde schon deutlich, dass Sie einerseits immer neue finanzielle Anstrengungen des Landes fordern und andererseits eine Haushaltsrede halten, in der Sie sagen, ohne Sparen geht dieser Staat zugrunde. Dies ist auf die Dauer nicht durchzuhalten, um kein anderes Wort zu benutzen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dem Ministerpräsidenten können Sie irgendwie nicht so richtig an den Karren fahren. Also wird ein Bild eines Mannes gemalt, der nicht bereit ist, Streit einzugehen. Ich möchte dies nun einmal in einem außerordentlich gefährlichen Licht für diese Debatte beleuchten. Wir streiten nicht zu Unrecht mit den Kommunen über den Grad der Kommunalisierung in Rheinland-Pfalz und fragen, ob das Land und die Kommunen nicht ab und zu neu justieren müssen, wie die Finanzen sind. Herr Böhr sagt, dies sei kein Streit. Ist das kein Streit?

Wir führen einen Streit, weil Sie heute den Kommunen zusichern, dass sie das Geld wieder zurück bekommen sollen, das wir nun bei der neuen Verteilung gemeinsam brauchen.

Meine Damen und Herren, wir haben das Blindengeld in der letzten Wahlperiode verändern müssen. Wir haben an zig Stellschrauben gedreht. Wir waren sogar bereit – dies ist für eine Partei, die viele Mitglieder hat, die in der Gewerkschaft sind, nicht einfach –, auch die Arbeitszeit der Beamten nicht gerade zu verbessern. Wo waren denn Ihre Beiträge, uns zu unterstützen? Sie haben uns in den Hintern getreten. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es gibt das wunderbare Prinzip der Sparsamkeit im Allgemeinen und der Freigiebigkeit im Besonderen. Im Allgemeinen bieten Sie dies an, und so auch heute. Es soll allgemein gespart werden.

Bereits 24 Stunden, nachdem Sie uns Ihren Stabilitätspakt angeboten hatten, war Ihre Pressemitteilung im Fax, in der Sie gefordert haben, dass das Ergebnis des Urteils des OVG zur Beförderung von Kindern in die Kindergärten selbstverständlich das Land übernehmen müsse, obwohl es eine kommunale Aufgabe ist. Das ist eben die Sparsamkeit im Allgemeinen und die Freigiebigkeit im Besonderen.

(Zuruf von der SPD: Sparen! – Beifall der SPD und der FDP)

Sie sind durchaus fähig, mit einer großen Kiste Sand durchs Land zu laufen. Sie haben für bestimmte Anträge keine Deckblätter gemacht.

Vielleicht sollte man das dem Publikum erklären. Bei einem Deckblatt müssen Sie sowohl die Ausgaben, die Sie mehr benötigen, als auch die Einnahmen dafür darstellen. Wenn Sie aber wenig Geld haben, müssen Sie es an anderer Stelle abziehen. Also machen Sie kein Deckblatt, legen einfach einen allgemeinen Antrag vor und schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie können nun ebenso wie wir Briefe und E-Mails an die Kommunen schicken, Sie hätten sich bis zum letzten Blutstropfen dafür eingesetzt, dass der kommunale Finanzausgleich in Ordnung gebracht wird,

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

brauchen dafür aber keine einzige Mark zu bewilligen. Genau das ist der Punkt.

(Dr. Schiffmann, SPD: Drückeberger! – Beifall der SPD und der FDP)

Schauen wir uns einmal den Stabilitätspakt im Licht Ihrer Entschließungsanträge an. Sie haben eben ein paarmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Ich möchte dies dann auch nur summarisch machen. Wir haben ausgerechnet, 70,6 Millionen Euro werden dadurch neu ausgegeben. Das ist sozusagen die Realität des Stabilitätspakts, den uns die CDU anbietet. Das ist die Hand, die nimmt und nicht gibt. (Beifall der SPD und der FDP)

Ich komme dann zu unserer „Agrar-Stamokap“.