Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

dass es auch dort Leute gibt, die man von Maßnahme zu Maßnahme schieben muss, und es manchmal an Konsequenz fehlt? Ich bitte Sie aber nur um eins, sich auch einmal vorzustellen, Sie wären der Entscheider, der bei einem solchen Verlierer sagen muss: Nun machen wir nicht weiter, weil wir nicht mehr an dich glauben.

(Zuruf des Abg. Kramer, CDU)

Auch das gehört mit dazu. Das ist alles so leicht gesagt. Aber wenn jemand einmal in eine solche schiefe Ebene geraten ist, ihm dann nicht zu helfen – allerdings muss er sich auch helfen lassen –, kann und wird nicht unser Weg sein.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir geben viel Geld aus für die Forschung, und wir werden viel Geld für die Forschung ausgeben. Wir haben übrigens bislang viele Erfolge. Ich habe den Satz auch gehört, den der Vorstandsvorsitzende von Boehringer gesagt hat. Er hat aber in Ingelheim sein Forschungszentrum ausgebaut. Das ist entscheidend. Wenn Sie sich die Forschung anschauen, die in Kaiserslautern läuft, und wenn Sie sich die Forschung anschauen, die in Birkenfeld läuft, dann wird deutlich, wir können dann, wenn wir unsere Universitäten auf der einen Seite vernünftig ausstatten, ihnen auf der anderen Seite aber auch die Instrumente an die Hand geben, Drittmittel einzuwerben, dann können wir von einem Forschungsstandort ausgehen, der nicht nur wettbewerbsfähig ist, sondern der auch andere anziehen wird, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Vergessen wir eins nicht, es musste 1996 werden, bis die ersten zwei Fraunhofer-Einrichtungen nach Rheinland-Pfalz kamen. Dies war 1996. Ich sage es nur. Wenn wir heute beklagen, dass in Bayern und in BadenWürttemberg – interessanterweise auch in Sachsen; die haben sich auch eine Menge unter den Nagel reißen können – bestimmte Dinge sind, dann war es bei uns diese Landesregierung, die es geschafft und damit die Lücken im Forschungsnetz geschlossen hat.

Die Arbeitsplätze und die Arbeitsmarktwirkungen habe ich schon des Öfteren beschrieben. Besuchen Sie einmal eine dieser modernen neuen Firmen. Dort werden Sie vieles von dem nicht mehr finden, was wir vielleicht in den Köpfen aus unserer Zeit in Firmen haben. Aber genau das sind diese kleinen innovativen Kerne, die Rheinland-Pfalz in der Zukunft ausmachen. Wir wollten einen Blick auf fünf bis zehn Jahre. Da liegt die Zukunft, und nicht in anderen veralteten Technologien.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Ich komme zur Suburbanisierung und Verkehrsverbindungen. Über Straßen ist geredet worden. Über den Landesbetrieb muss doch noch etwas gesagt werden. Ich nehme erstens einmal zur Kenntnis – ich hoffe, ich habe das auch bislang bewiesen –, wenn jemand sagt, wir haben da prinzipiell keine Probleme, nur im Einzelfall wegen der Hausbank – ein schöner Begriff –, dann wol

len wir das erst einmal akzeptieren. Richtig ist der Weg, meine Damen und Herren. Vieles, was wir in der öffentlichen Verwaltung auf unsere Weise 50 Jahre gemacht haben, können wir so nicht weiterm achen.

Zweitens: Dann müssen wir uns neue Instrumente und neue Wege suchen. Das haben wir beim LBB gemacht.

Herr Böhr, wenn ich Ihre geschätzte Aufmerksamkeit darauf lenken darf, frage ich Sie, was Sie mit dem Satz meinen, die LBB hat doch gar nichts mit Grundstücken und Gebäuden zu tun. Mit was denn dann? Mit Ameisenhügeln, Hundehütten, Radwegen? – Ich sage nur, da wird so etwas in die Welt gesetzt. Natürlich hat die LBB nur mit Häusern, Grundstücken und deren Instandsetzung und Instandhaltung sowie deren Neubau zu tun. Wir können alle glücklich sein, dass wir es gemacht haben.

Wenn die Hessen – sie mögen es mir verzeihen, dass ich dieses Vorurteil habe – uns etwas abschauen, dann heißt dies etwas. Meine Damen und Herren, wenn ein Hesse auf die Idee kommt, uns etwas abzuschauen, dann ist ihm wirklich nichts eingefallen. Genau das schauen sie uns ab, also ein Erfolgsmodell dieser Landesregierung. So wird es mit dem Landesbetrieb Straßen und Verkehr auch.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich habe gesagt, wir werden Fehler begehen. Es gibt keine Mappe, die Sie ziehen können und bei der Sie sagen können, genauso haben es die anderen gemacht, dann drehen wir noch an dieser und an jener Schraube und wissen dann, es geht. Es wird Schwierigkeiten geben. Aber begleiten Sie uns doch nicht mit Ihrer Häme, sondern, wenn es geht, mit Ihrer Information, wie wir für dieses Land eine neue Struktur schaffen können.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Ich erinnere mich übrigens an die Irrtümer, die auch Legion waren, die die Opposition vorgetragen hat, als es darum ging, einen eigenen Pensionsfonds für neu einzutretende Mitarbeiter des Landes zu schaffen. Es gab hier vorn eine wunderbare Vorstellung des Kollegen Böhr, was das für ein Verschiebebahnhof ist. Heute sagen alle die, die in die Zukunft schauen und die Pensionslasten der Zukunft berechnen, „Ihr wart gut“ und raten, dies für die neu Einzustellenden zu machen. Die Pensionslasten sind ab 2020, 2030 so massiv, dass das Beschäftigen von Personal eine Nebenbeschäftigung geworden ist. Auch das gehört zu den Irrtümern, die Sie vertreten haben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir haben auch mit viel Freude erlebt, wie Sie dies im Haushalts- und Finanzausschuss als einen Finanzierungstrick beschrieben haben, wo wir das Geld entsprechend platzieren. Dabei ist es nicht mehr als vernünftig, dies so zu machen. Aber warum nicht? – Ich habe immerhin acht Jahre Erfahrung in Opposition. Da waren wir auch nicht immer sachlich.

Herr Dr. Gölter erinnert sich an das eine oder andere.

(Dr. Gölter, CDU: Sehr gut!)

Insofern sind wir selbstkritisch genug.

(Dr. Gölter, CDU: Ich glaube, darüber schreibe ich einmal ein Buch!)

Herr Kollege Dr. Gölter, das geht noch, wenn Sie ein Buch über alle schreiben. Was glauben Sie, was wir für einen „Bammel“ gehabt haben, als der ehemalige Bundestagsabgeordnete C. C. Schweitzer ein Buch über die SPD geschrieben hat. Das macht Freude. Sie müssten eins über die CDU schreiben. Glauben Sie mir, das würde uns Freude machen.

(Dr. Gölter, CDU: Das ist mein Problem, dass es noch nicht fertig ist!)

Kommen wir zu unserem Thema „Zivilgesellschaft“ zurück.

Meine Damen und Herren, in dieser Debatte ist über Arbeitslosigkeit wenig gesagt worden. Ich weise nur darauf hin, wir sind diejenigen, die, was die Arbeitslosigkeit anbelangt, immer auf dem dritten oder vierten Platz der Bundesrepublik stehen. Wir sind es nicht nur aus eigener Kraft. Wir sind es auch, weil uns traditionell Regionen umgeben, die uns Arbeit anbieten.

Aber um die Wahrheit ganz zu sagen: Ich war jetzt in Magdeburg gewesen. Die Kollegen aus Ostdeutschland, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg haben geklagt.

Meine Damen und Herren, ich musste ihnen erklären, bei uns gibt es auch Gebiete, wo es unter 100 Einwohner je Quadratkilometer gibt und die Leute nicht von Ort zu Ort schauen können. Dort haben wir auch keine großen Betriebe, weil es nicht möglich ist, in so dünn besiedelten Gebieten für betriebswirtschaftliche Größen zu sorgen. Dies ist eines unserer Probleme, auch der Höhengebiete. Wenn wir es jetzt zum Beispiel schaffen, im Hunsrück und in Bitburg gemeinsam mit den Kommunen und dem Zweckverband einen Schwerpunkt zu schaffen und wir es am Ende auch in Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken bei all den ungelösten Fragen zweier Flughäfen in 35 Kilometer Entfernung schaffen, dann ist das auch ein Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik, die diejenigen unterstützt, die als Pioniere in diesem Gebiet arbeiten.

Meine Damen und Herren, damit verbinden sich auch so Punkte wie „Arbeit muss sich wieder lohnen“, der Kindergeldzuschlag für den Ausstieg aus der Sozialhilfe oder das „Mainzer Modell“. Man mag sagen, es sind zu wenig. Wenn es 30.000 Menschen wären, die wieder zurück in die Arbeitsgesellschaft finden, muss man für jeden froh sei. Ich denke, das ist Christenpflicht.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Ich sagte zu Beginn, dass wir auch etwas zur Zivilgesellschaft sagen müssen. Wir können nicht das Jahr 2001

als das Jahr der ehrenamtlichen Betätigung feiern und sagen dazu wenig und engagieren uns auch nicht. Es heißt, eine Gesellschaft, die den Menschen keinen Grund mehr gibt, sich umeinander zu kümmern, kann ihre Legitimation nicht lang aufrechterhalten. Ich denke, das ist ein schwieriger und wichtiger Satz. Wenn wir uns nicht um unsere Nachbarn kümmern, können wir die Legitimation unserer Gesellschaft nicht auf Dauer sichern.

Meine Damen und Herren, daraus kommt für uns die Existenz einer lebendigen Zivilgesellschaft und eines gemeinwohlorientierten Bürgerengagements. Dies ist nicht der Ersatz für staatliches Handeln.

Meine Damen und Herren, aber es muss in vielen Fällen staatliches Handeln ersetzen, weil wir bei weitem nicht so zielgenau, nicht so effektiv und vielleicht auch nicht so menschlich handeln können wie unsere Nachbarn.

(Beifall der SPD und der FDP)

Glauben Sie mir, wenn wir ein Netz hätten, das zum Beispiel in meinem Dorf mit 1.000 Seelen dafür sorgt, dass ältere Menschen Medikamente von der Apotheke oder Nahrungsmittel bekämen und wir würden das staatlich einrichten, dann würden wir am Ende mehr Geld dafür ausgeben, das zu organisieren, als für die Medikamente und die Nahrungsmittel. Wenn aber Nachbarn sich in einer Initiative zusammenschließen und sagen, wir bringen dir das mit, dann ist das genau die Richtung, die wir anpeilen und unterstützen müssen. Genau dies wollen wir tun.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Wir haben alle den schlanken Staat herbeigeredet, die einen sogar herbeigesehnt. Als der schlanke Staat dann mit seinen Einnahmen da war – hier hat Herr Kollege Böhr Recht –, haben sich die Ausgaben in dem Maß nicht verändert, wie wir den schlanken Staat herbeigeredet haben. Wir stehen noch vor der wichtigen Entscheidung, wo wir diesen schlanken Staat mit weniger Einnahmen neu positionieren. Was die Ausgaben angeht, stehen wir noch vor Fragen, ob es dann richtig ist anzubieten, den Kindergarten ohne Beitrag zu organisieren, wie dies in einigen Entschließungsanträgen zu lesen ist.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Bracht, Sie machen ein Zeichen, wann ich Ihnen antworten darf.

Jetzt, okay.

Herr Bracht, wenn Sie mir nachweisen, dass Ihre Entschließungsanträge keine 70 Millionen Euro, sondern 20 % weniger ausmachen, als ich hier prognostiziere, dann können wir einmal darüber reden.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Aber Sie wissen ganz genau, Sie haben mit Ihren Entschließungsanträgen am Ende nichts anderes gemacht, als das, was Sie immer gemacht haben. Sie bieten ein

leeres Versprechen an und schicken einen Kasten voll mit Wünschen. Das funktioniert nicht gemeinsam.

(Beifall der SPD und des Abg. Kuhn, FDP)

Ich finde es immer toll, diese Sparsamkeit zu propagieren und im Einzelfall einen Antrag auf den anderen zu legen und damit zu sagen: Da muss die Landesregierung Geld ausgeben.

Sie können jetzt einwenden, da stehen doch gar keine Summen drin. Das ist wahr. Aber wissen Sie, wir haben tüchtige Mitarbeiter, die große Rechenmaschinen haben. Da wird genau ausgerechnet. Wir werden Ihnen auf Heller und Pfennig nachweisen, wie viel Geld Sie eigentlich mehr ausgeben wollen, obwohl Sie versprechen, weniger ausgeben zu wollen. Das ist gar keine Frage.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Schmitt, CDU)