Protokoll der Sitzung vom 06.06.2001

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rein romantisch!)

Ich halte das durchaus für illusorisch; denn schon heute – das wissen Sie ganz genau – ist es verboten, Müll in die Landschaft zu werfen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Hiermit werden Sie dies mit Sicherheit nicht schaffen. Hier müssen wir die Dinge doch ganz anders angehen. Wir müssen das Bewusstsein in der Bevölkerung für unsere Natur und unsere Landschaft wecken und nicht,

indem wir ein Zwangspfand einführen und dem Bürger in die Tasche greifen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind doch Marktwirtschaftler!)

Das funktioniert doch nicht.

(Beifall bei der FDP – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sind Sie gegen die Marktwirtschaft? Seit neuestem für Regelungen?)

Meine Damen und Herren, neben den genannten ökologischen Gründen spricht noch eine ganze Reihe ökonomischer Gründe gegen ein Zwangspfand auf Getränkedosen und Einwegflaschen.

Zum einen wird der Handel gezwungen, Investitionen in Milliardenhöhe in teure Rücknahmesysteme zu stecken, was langfristig über den Verkaufspreis kompensiert werden muss.

Zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, der Mittelstand würde geschädigt: Was Sie mit dem Zwangspfand vorhaben, ist ein Abzocken der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, ein Abkassieren der Verbraucher in diesem Land. (Beifall der FDP – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Des Weiteren wird durch ein Zwangspfand gerade das Gegenteil von dem erreicht, was in dem Antrag von Ihnen gefordert wird. Anstatt einer Stärkung mittelständischer verbauchernaher Herstellungs- und Vermarktungstrukturen im Getränkebereich wird eher eine Schwächung dieser Strukturen stattfinden. Durch die Auslistung des Mehrwegs werden gerade kleine Brauereien aus der Region in ihrer Existenz gefährdet.

Meine Damen und Herren, in Wahrheit sind doch die Großbrauereien und die großen Getränkekonzerne Gewinner bei der Einführung eines Zwangspfands. Das wissen Sie genauso wie wir alle hier.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, schließlich schafft das Zwangspfand nur noch ein Mehr an Bürokratie und Regulierung, anstatt die Deregulierung unseres Staates und unserer Wirtschaft voranzutreiben.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, machen Sie Rheinland-Pfalz nicht zu einer Spielwiese für grüne ideologische Politik. Lehnen Sie diesen Antrag ab.

(Beifall der FDP) Ich danke Ihnen. (Beifall der FDP und bei der SPD)

Ich erteile Staatsministerin Frau Martini das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren Abgeordneten! Ich darf Sie einmal bitten, die Fantasie zu bemühen und sich zwei Bilder vorzustellen:

Es gibt Menschen in unserem Land, die werfen Dinge weg, zum Beispiel Dosen, Flaschen, Zigarettenschachteln, (Itzek, SPD: Kühlschränke!)

Kühlschränke, Reifen, alte Autos, Kekspapiere und vieles mehr. Diese Menschen, die das tun, die zum Beispiel im Park oder an der Autobahnaus- oder -auffahrt eine Dose wegwerfen, würden die diese Dose nicht wegwerfen, wenn es 50 Pfennig Pfand darauf gäbe? (Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder kann sich die Frage beantworten.

Ich stelle die zweite gleich im Anschluss. Sehen Sie die Heerscharen von Schülerinnen und Schülern, Sozialhilfeempfängern oder umwelteifrigen Menschen, die an Autobahnaus- oder -auffahrten die dort weggeworfenen Dosen einsammeln? Sehen Sie die Heerscharen von Menschen, die durch Parks und Uferanlagen streifen, um Dose für Dose, sei sie zerknüllt, beschmutzt oder verdreckt, aufzusammeln und sie dann in ein Geschäft zurückzutragen, wo ein Automat steht? Sehen Sie diese Heerscharen?

Wissen Sie zum Beispiel, dass eine zerknüllte Dose in keinen Rücknahmeautomaten hineingeht und deswegen nie 50 Pfennig herauskommen würden?

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Ich darf Sie zu einem anderen Bild mitnehmen: Wenn die Dose bepfandet würde, was glauben Sie, was geschehen würde, wenn die Verordnung von Bundesumweltminister Trittin Realität werden würde, dass nämlich ökologisch vorteilhafte Verpackungen keine Pfandpflicht hätten, aber ökologisch nachteilige Verpackungen Pfandpflicht bekämen? – Dann schauen wir uns doch einmal eine ökologisch vorteilhafte Verpackung an, die nach den Vorstellungen des Kollegen Trittin ohne Pfand bliebe.

Eine der ökologisch vorteilhaften Verpackungen ist zum Beispiel der Tetrapak, die Kartonverpackung, in der Orangensaft, Mineralwasser und viele andere Dinge enthalten sind.

Jetzt bitte ich Sie einfach einmal zu überlegen: Sehen Sie in der Landschaft keine Tetrapaks herumliegen? – Ich sehe diese, wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Das heißt, ökologisch vorteilhafte Verpackungen können auch künftig gefahrlos weggeworfen werden, weil schließlich kein Pfand darauf ist. Also werden wir künftig eine Vermüllung unserer Landschaft mit ökologisch vorteilhaften Verpackungen erleben. Welch großer Fortschritt! – Herzlichen Glückwunsch.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Können Sie sich dann auch noch die andere Vorstellung ein Stück aneignen, dass nämlich die Getränkeindustrie reagieren würde, wenn die Verordnung so käme, wie sie vorgesehen ist; denn vieles von dem, was heute in der Dose verpackt wird, wird spätestens mit In-Kraft-Treten der Verordnung in Kartonverpackungen verpackt.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Wer von Ihnen konnte sich vor fünf Jahren vorstellen, dass wir Mineralwasser in Plastikflaschen trinken? Wer kann sich nicht vorstellen, dass wir nicht auch Bier in Kartonverpackungen trinken oder irgendetwas anderes?

(Zurufe aus dem Hause)

Meine Damen und Herren, was will ich mit diesen Beispielen deutlich machen? – Ich versuche, Sie mit auf eine gedankliche Reise zu nehmen, die in der Republik Wirklichkeit werden wird, wenn ein Pflichtpfand für bestimmte Getränkeverpackungen kommt. Wir werden mit diesem Pflichtpfand die Vermüllung der Landschaft nicht verändern, sondern wir werden sie nur in ihrer Zusammensetzung verändern.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Das ist der Punkt. Sie sehen vielleicht dann nicht mehr so viele Dosen herumliegen, aber mehr Kartonverpakkungen und Kunststoffflaschen.

Auch das ist interessant: Zum jetzigen Zeitpunkt wird die so genannte PET-Flasche, also diese Kunststoffflasche, noch als ökologisch nachteilig erachtet. Erste Unters uchungen beim Umweltbundesamt lassen aber bereits den Schluss zu, dass auch diese Kunststoffflasche über kurz oder lang zu einer ökologisch vorteilhaften Verpakkung wird. Dann wird vieles von dem, was sich in der Dose befindet, in eine Kunststoffflasche gepackt werden, und diese „Sauigel“ und die „Schweinebären“, die ihre Sachen aus dem Fenster werfen oder im Park, wo sie stehen und gehen, liegen und fallen lassen, werden das mit Tetrapaks und Kunststoffflaschen, aber nicht mehr mit der Dose machen. Aber das ist für mich nicht das umweltpolitisch erstrebenswerte Ziel an der Sache.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Meine Damen und Herren, mit dieser „heißen“ Diskussion um Pfand auf Getränkedosen und Einwegflaschen hat die deutsche Politik ein Thema gefunden, über das in einem Ausmaß mit Halbwahrheiten, Fehlurteilen und Vorurteilen gestritten wird wie schon lange nicht mehr. Man könnte fast meinen, vor allen Dingen wenn man so einige Diskussionsbeiträge hört, dass die Pfandpflicht

auf Dosen zur Schicksalsfrage der deutschen Nation geworden wäre.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich heute noch einmal versuchen, einige Missverständnisse und Fehlinterpretationen auszuräumen.

Es geht uns, es geht der Landesregierung darum, dass wir ökologisch vorteilhafte Verpackungen fördern. Hier sind wir völlig eins mit der Bundesregierung. Es war eine lange Zeit notwendig, um den Bundesumweltminister überhaupt darauf zu bringen, dass nicht mehr zwischen Mehrweg und Einweg, sondern zwischen ökologisch vorteilhaft und ökologisch nachteilig zu unterscheiden sein wird. Diese Kriterien sind erstmals in unserem Antrag vom Februar 2000 in die politische Diskussion eingeführt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir immer mit Mehrweg und Einweg die Streitpotenziale.

Wenn man sich jetzt die abfallwirtschaftliche Realität vor Augen führt, dann will ich noch einmal unterstreichen, dass die Forderung nach einem Pfand auf Dosen lediglich ein Stück Symbolpolitik ist. Es wird nämlich der Eindruck erweckt, wir würden den großen abfallpolitischen Wurf starten, das heißt, es wird der Eindruck erweckt, wir würden ein riesiges Umweltproblem dadurch lösen, dass die Vermüllung der Landschaft durch Dosen angeblich zurückgeht. Ich sagte hierzu: Sie wird mit anderen Dingen weitergehen.

(Zuruf der Abg. Frau Gützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man in der Abfallwirtschaft im Interesse von Kreislaufwirtschaft und im Sinn von Ressourcenschonung wirklich etwas bewegen will – die Landesregierung will dies –, dann gibt es ganz andere Ansatzpunkte, die wir anpacken müssen und anpacken, und zwar darf ich Sie an den Restmüll erinnern.

1998 landeten in Deutschland nach wie vor noch – Herr Dr. Braun, hören Sie ruhig zu; Sie können hin und wieder etwas lernen – 90 Millionen Tonnen Restmüll auf Deponien, das heißt, diese werden nicht recycelt und verwertet. Damit ist keine Ressourcenschonung verbunden, sondern das Gegenteil ist überall der Fall.

Getränkedosen, bezüglich dessen die große Symbolpolitik betrieben wird, machen lediglich 200.000 Tonnen aus.