Deswegen bleibe ich für meinen Teil dabei: Wer es gut meint mit Deutschland – diesen Appell richte ich an alle Parteien, weil es in allen Parteien Leute gibt, die so denken –, der muss mit aller Kraft dafür sorgen, dass es einen Richtungswechsel in der deutschen Politik gibt. Das ist die entscheidende Voraussetzung für die Haushaltsberatungen auch der nächsten Jahre.
Ich habe diese Vorbemerkungen nicht nur deshalb gemacht, weil sie das politische Umfeld charakterisieren, in dem diese und kommende Haushaltsberatungen stattfinden, sondern auch, weil diese Vorbemerkungen zeigen, dass nicht alles, was es uns im Land RheinlandPfalz so schwer macht, der Landesregierung anzukreiden ist. Für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland kann der rheinland-pfälzische Finanzminister nichts.
Ich lasse nun bewusst einmal eine naheliegende Betrachtung weg, wonach man im Bundesrat das eine oder andere vielleicht doch hätte verhindern können. Weshalb die FDP regelmäßig sozusagen kuscht, wenn es an die Abstimmungen im Bundesrat geht, lasse ich heute einmal außerhalb der Betrachtung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wahr ist – das gehört zu dieser Diskussion dazu –, es gibt einen vom Land nicht zu verantwortenden Teil der Probleme, mit denen wir uns herumschlagen. Das ist wahr.
Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt natürlich auch das ganze Paket der hausgemachten Ursachen. Über diese muss heute genauso gesprochen werden, weil diese hausgemachten Ursachen zum Teil viele Jahre zurückreichen.
Ich möchte heute nicht die Zitate noch einmal aufwärmen, die in den letzten Jahren dazu genannt wurden, aber der gemeinsame Nenner dieser hausgemachten Ursachen, mit denen wir uns herumschlagen, ist die Tatsache, dass wir Jahre einer sinnlosen, ja geradezu einer besinnungslosen Spendierfreude dieser Landesregierung hinter uns haben. Nichts war zu teuer, und kein Wunsch blieb unerfüllt.
Das hat uns natürlich auch neben all den bundespolitischen Rahmendaten, die ich soeben kurz erwähnt habe, in die Situation gebracht, in der wir uns befinden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Situation – auch das ist das Ergebnis einer ganz nüchternen Betrachtung – ist nicht nur ernst, sondern das Ergebnis dieser besinnungslosen Spendierfreude der letzten Jahre. Tatsache ist, dass nun das Land Rheinland-Pfalz finanzpolitisch einen Offenbarungseid leisten muss. Dieser Nachtragshaushalt ist nichts anderes als der dokumentierte Offenbarungseid der Finanzpolitik des Landes Rheinland-Pfalz.
Schauen wir uns einmal die Lage im Jahr 2003 an. Wir haben mit diesem Nachtrag die zweithöchste Nettokreditaufnahme, die wir jemals in der Geschichte unseres Landes hatten. Die höchste hatten wir im vergangenen Jahr. Wir haben in diesem Jahr 2003 die höchste Nettokreditaufnahme aller westlichen Flächenländer nach dem Nachtrag.
Wir haben nach dem Katastrophenjahr 2002 mit 1,79 Milliarden Euro Neuverschuldung nun erneut eine Neuverschuldung, die deutlich über 1 Milliarde Euro liegt. Ich sage dies nur einmal sozusagen mit Blick auf die Manövrierfähigkeit und die Zielsetzung dieses Nachtrags, wie bescheiden der Anspruch in unserer Haushalts- und Finanzpolitik geworden ist. Über 1 Milliarde Euro in diesem Jahr!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich behaupte, das Thema wird uns in den nächsten Monaten weiter beschäftigen. Wir liegen mit unserer Neuverschuldung über der Verfassungsgrenze.
Wenn sich die Landesregierung nicht dieses Tricks bedient hätte, bei dem Fonds „Fluthilfe“, wo es eine Einigung zwischen dem Bundesfinanzminister und den Finanzministern der Länder gibt, zwei Drittel/ein Drittel zu quotieren, also bei den Zahlungen in den Fonds für die Fluthilfe zwei Drittel konsumtive Ausgaben, ein Drittel investive Ausgaben zu buchen, wenn sie sich nicht dieses Tricks bedient hätte – ich sage gleich dazu,
(Zurufe von der SPD: Aha, aha! – Itzek, SPD: Schauen Sie einmal das Saarland an! – Mertes, SPD: Herr Müller ist doch ein Vorbild für Sie! – Jullien, CDU: Aber nicht die Verfassungsgrenze! – Weitere Zurufe von der SPD)
Lieber Herr Kollege Mertes, in einem Land, in dem die Haushaltsnotlage öffentlich dokumentiert ist, ist das immer noch etwas anderes. Wenn Sie sich jetzt mit dem Saarland auf eine Stufe stellen, stimmen Sie mir zu, dass wir auch drauf und dran sind, unsere Haushaltsnotlage zu dokumentieren. Dann bin ich auch nicht so beckmesserisch!
Bei uns werden diese Mittel für den Fonds „Fluthilfe“ zu 100 % als investive Mittel gebucht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Kernproblem, das uns in den nächsten Wochen intensiv beschäftigen wird, ist, dass dieser Nachtragshaushalt, wenn man sich seine Einzelentscheidungen Punkt für Punkt vor Augen führt, eben kein Sparhaushalt ist, sondern ein Haushalt, der sich die notwendige Bereinigung von roundabout 600 Millionen Euro mindestens zur Hälfte dadurch beschafft, dass er Dritten in die Tasche greift.
Nun hat der Finanzminister gestern gesagt, dass dieses Bild eigentlich nicht zulässig sei, weil das Land sozusagen Dritten nicht in die Tasche greifen könne. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich greifen wir Dritten in die Tasche. Wenn wir die Nutzungsentgelte an den LSV um den Betrag von 44 Millionen Euro kürzen, nehmen wir doch anderen das Geld weg. Wenn wir das Kreditvermögen der Wohnungsbaudarlehen verkaufen, nehmen wir zwar nicht anderen das Geld weg, aber wir beschaffen uns eine Sondereinnahme. Wir bauen auf einen Sondereffekt, um diese Haushaltsnotlage gerade noch einmal abzuwenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Kredite zur Förderung der Landwirtschaft in Höhe von 12 Millionen Euro verkaufen, wenn wir Mittel aus der Rücklage des Wohnungsbauvermögens entnehmen – ich bin im Übrigen äußerst skeptisch, ob es einfach so zulässig ist, diese Mittel aus der Rücklage zu entnehmen – wundert dies nun in diesem Hause niemand mehr. Es ist völlig klar, dass dies nach den Beispielen, die ich genannt habe, kommen musste. Diejenigen, denen am meisten in die Tasche gegriffen wird und denen in den letzten Jahren immer am meisten in die Tasche gegriffen wurde, sind die Kommunen in Rheinland-Pfalz.
Sie dürfen wieder einmal kräftig zahlen. 10 Millionen zahlt das Land weniger an Aufwendungen der Jugendhilfe, 15 Millionen weniger Barmittel zum Bau von Schulen, 10,06 Millionen zahlen die Kommunen mehr an das Land als den überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind roundabout 35 Millionen Euro zu Lasten der Kreise, Städte und Gemeinden.
Nun frage ich den Innenminister, die Landesregierung, den Ministerpräsidenten und die Koalitionsfraktionen wirklich einmal in allem Ernst: Wisst ihr nicht, was in den Kommunen los ist? Wisst ihr nicht, dass wir die Haushalte nicht mehr fahren können?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kommunen sind blanker als blank. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen in Rheinland-Pfalz; das weiß ich auch. Es gibt ein paar Kommunen, die noch ein bisschen auf der hohen Kante liegen haben. Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, der Unterschied zwischen den Kommunen einerseits und dem Land und dem Bund andererseits ist doch, dass die Kommunen blind diesem Schicksal ausgeliefert sind. Sie können sich überhaupt nicht gegen diese Politik der Ausplünderung zur Wehr setzen. Das kann man doch im Ernst über Jahre hinweg nicht machen!
Über Jahre hinweg wird diese Politik so betrieben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz all dieser Plünderungen – der Zwischenruf des Kollegen Mertes hat es soeben indirekt noch einmal gezeigt – stehen wir vor der Überschuldung. Das Land Rheinland-Pfalz steht unmittelbar vor der Überschuldung.
Im dritten Jahr in Folge bleiben die laufenden Einnahmen des Landes hinter den laufenden Ausgaben zurück. Das klingt relativ harmlos, wenn man das so sagt. Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, im Klartext heißt das, wir sitzen ganz tief in der Schuldenfalle.
Die Rede des Finanzministers gestern hat nicht gezeigt, wo er denn eine Hoffnung sieht, dass wir uns aus dieser Schuldenfalle jemals wieder werden befreien können. Dazu gab es keinen Ton in der Rede gestern.
Wir flicken ein wenig das eine oder andere Leck und stopfen das eine oder andere Loch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist aber der haushaltspolitischen Gestaltungsmöglichkeit dieses Landes für die nächsten Jahre überhaupt nicht Rechnung getragen. Wir müssen wieder Handlungs- und Gestaltungsspielraum für unsere Haushalts- und Finanzpolitik gewinnen.
Ich finde, in dem Zusammenhang hat der Rechnungshof eine Reihe bemerkenswerter Feststellungen getroffen. Die Kreditfinanzierungsquote mit 6,2 % liegt in Rheinland-Pfalz über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Der Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben liegt mit 9,4 % über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Die Pro-Kopf-Verschuldung in Rheinland-Pfalz lag im vergangenen Jahr um 1.105 Euro pro Einwohner höher als im Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Wahrheit ist schon bitter; denn sie zeigt, kein anderes westdeutsches
Glauben Sie mir, ich würde lieber etwas anderes sagen. Kein anderes westdeutsches Flächenland sitzt so tief in der Schuldenfalle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem Halbsatz muss wenigstens dazu gesagt werden, dass es trotzdem kaum ein anderes westdeutsches Flächenland gibt, das einen so großen Investitionsstau wie wir in Rheinland-Pfalz hat. Dies beginnt bei den Hochschulen und reicht über die Schulen bis zu den Landesstraßen. Das ist unser Problem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Problem ist nicht vom Himmel gefallen. Es kommt noch schlimmer. Wir sitzen nicht nur ganz tief in der Schuldenfalle, sondern die Vorbelastung künftiger Haushalte wird immer größer. Ich komme jetzt auf diesen bemerkenswerten Mechanismus zu sprechen, dass man die Kommunen und Träger vorfinanzieren lässt und dann den Landeszuschuss, den man fest und rechtsverbindlich zugesagt hat, immer weiter auf der Zeitschiene streckt.
Die Vorbelastung künftiger Haushalte in Rheinland-Pfalz liegt inzwischen bei deutlich über vier Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Jahreshaushalt unseres Landes beträgt präterpropter elf Milliarden Euro. Mit mehr als vier Milliarden Euro sind wir über derartige Vorbelastungen festgelegt. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist in den letzten Tagen dazu ein Beispiel begegnet. Ich fürchte, dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Wir werden in den nächsten Tagen diesem Beispiel intensiver nachgehen. Es war ein Beispiel, in dem die Zinsbelastung einer Kommune durch die Streckung des Landeszuschusses und den Zwang zur Vorfinanzierung eines Projekts die Hälfte des Landeszuschusses wegfrisst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da beginnt wirklich eine Art virtuelle Politik.