Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Herr Ministerpräsident, vor diesem Hintergrund ist Ihre Argumentation auch kein Beleg für eine solide Finanzpolitik, wie Sie sie versucht haben, darzulegen.

Es bedarf deshalb immer wieder auch der Darstellung der Fakten. Sie sind nun einmal so, wie sie sind. Wir haben eine extrem hohe Nettoneuverschuldung. Wir haben eine ganz schwierige Haushaltslage, wie sie es noch nie in diesem Land gegeben hat. Die Schuld daran muss auch bei Ihnen gesucht werden.

Es ist sicher richtig, dass auch externe Faktoren ihren Einfluss haben, wie Sie es am Anfang auch versucht haben darzulegen. Ein ganz entscheidender Knackpunkt liegt aber darin, dass Sie in Ihrer Regierungsverantwortung nicht in ausreichendem Maß dafür Rechnung getragen haben, dass der Situation angemessen reagiert wurde und diese Finanzsituation nicht eingetreten ist.

Die Landesregierung hat beispielsweise der Steuerreform des Jahres 2000 die entscheidenden Stimmen gegeben, ohne die es nicht gegangen wäre. Es war eine Steuerreform mit den bekannten Ergebnissen für den Mittelstand und die Körperschaftssteuer. Diese Landesregierung hat alle Erhöhungen der Steuern und Abgaben mitgemacht, die Privathaushalte und Unternehmen belasten und die Wirtschaft abwürgen. Ökosteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer,

(Staatsminister Bauckhage: Wo? Das ist schlicht falsch!)

Verschiebung der Tarifentlastung, Einkommensteuer, höhere Rentenbeiträge über die Arbeitslosenversicherung.

Herr Minister, Sie sagen: Wo? – Herr Minister, bei der Steuerreform hat die FDP eine entscheidende Rolle spielen wollen. Diese hat aber genau in das Desaster geführt, in dem wir heute sind. Das können Sie nicht leugnen.

Die kritische Lage der Landesfinanzen ist auch nicht einfach ein Einnahmenproblem. Es ist ein Ausgabenproblem. Die Landesregierung beteuert immer wieder, was der Ministerpräsident eben auch gemacht hat, dass die jährlichen Steigerungen der Ausgaben deutlich unter den Vorgaben des Finanzplanungsrats liegen und dass sie dies einhält. Das gelingt aber immer nur mit ein und demselben Trick, den ich hier auch schon häufiger zitiert habe. Sie verlagern ganze Ausgabenblöcke aus dem Haushalt.

(Ministerpräsident Beck: Das stimmt doch gar nicht!)

Vom DIZ über den LDI, Landeskrankenhaus, Unikliniken, LBB, LSV, Landesforsten, Staatsorchester usw.

(Lewentz, SPD: LDI haben wir gemeinsam gemacht!)

Lieber Herr Kuhn, mir fällt dazu noch etwas ein. Wo ist er denn? Er ist gar nicht hier, ich werde ihn daher später darauf ansprechen.

Meine Damen und Herren, die Ursache für das Haushaltsdesaster liegt vor allem bei dieser Regierung. Sie selbst haben massenweise Fehler gemacht. Die Lage ist Ergebnis Ihrer eigenen Politik. Der Rechnungshof hat

das sehr nachdrücklich in seinem letzten Bericht dokumentiert. Ich möchte es zumindest stichwortartig wiederholen. Er hat dargelegt, dass wir eine überdurchschnittliche Verschuldung gegenüber den anderen Bundesländern haben. Er hat dargelegt, dass wir einen überdurchschnittlichen Anstieg bei den Personalausgaben haben. Er hat dargelegt, dass wir einen überdurchschnittlichen Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben aufwenden müssen. Er hat schließlich dargelegt, dass die Kreditfinanzierungsquote gegenüber den anderen Ländern überdurchschnittlich ist.

Herr Ministerpräsident, das, was Sie angeführt haben, dass wir für den Osten sehr viel bezahlen müssen, kann nicht als Argument gelten. Das müssen andere Länder auch machen. Da sind wir nicht allein. Deshalb war das Argument, das Sie bezogen auf diese Zahlen vorgebracht haben, auch falsch.

(Ministerpräsident Beck: Entschuldigung, Sie gehen auf Dinge ein, die ich überhaupt nicht gesagt habe!)

Die Kreditfinanzierungsquote kann man nicht so begründen, wie Sie das gemacht haben. Sie haben so argumentiert. Wenn Sie widersprechen wollen, so können Sie das machen. Ich habe es mir so notiert.

Ich möchte noch ein anderes Beispiel als Begründung dafür nennen, dass diese Landesregierung ständig eigene Beiträge geleistet hat, damit es zu dieser Haushaltssituation gekommen ist, in der wir sind, nicht als Ziel, aber als Konsequenz daraus.

Betrachten Sie sich Ihren eigenen Haushalt, den Haushalt der Staatskanzlei. Betrachten Sie sich Ihre Bem ühungen beim letzten Doppelhaushalt, diesen Haushalt aufzustocken. Es ist und bleibt einfach so, dass Sie sich dort über vier Millionen haben zusätzlich bewilligen lassen. Ich gebe zu, zum Teil waren das Verschiebungen zwischen den Ressorts, aber zum großen Teil, nämlich über drei Millionen, waren es Mittel, die insbesondere der Darstellung der Politik gedient haben, die also nicht dazu da waren, Regierungsarbeit zu verbessern, sondern die dazu da waren, die Regierungsarbeit besser darzustellen, als sie tatsächlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb die Aufforderung: Machen Sie eine bessere Regierungsarbeit, dann brauchen Sie nicht so viel Mittel, um sie besser darzustellen, als sie ist.

Meine Damen und Herren, dass der Nachtragshaushalt eine Notoperation und keine Wende in der Haushaltspolitik darstellt, ist gesagt worden und zeigt sich auch daran, dass die fehlenden 580 Millionen Steuereinnahmen nicht durch Ausgabenkürzungen ausgeglichen werden, zumindest nicht in ihrem überwiegenden Teil. Mit 300 Millionen Euro werden die außerordentlichen Einnahmen durch Aufzehrung von Rücklagen und Vermögensverkäufen verbessert. Das sind alles Einmalfaktoren.

Herr Ministerpräsident, es kann sein, dass es in der Situation keine andere Lösung gab. Wir wissen auch

keine spontan aus der Opposition heraus für den Nachtrag.

(Billen, CDU: Das kann man so nicht sagen!)

Es muss aber klar werden, dass das ein großes Problem ist, was Sie machen. Es ist ein Einmalfaktor, mit dem Sie beim nächsten Doppelhaushalt nicht mehr leben können. Spätestens dann, wenn nicht schon jetzt, sind einschneidendere Maßnahmen notwendig, damit die Finanzierung des Gesamthaushalts möglich bleibt.

Die Ausgabenkürzungen, die die Landesregierung jetzt vornimmt, sind differenziert zu beurteilen; das möchte ich gern machen. Sie nehmen vieles auf, was die CDUFraktion schon bei ihrem Sparpaket für den Doppelhaushalt vor einem Jahr vorgeschlagen hat. Damals war das in den Augen der Koalition noch vollständig blödsinnig und nicht nachvollziehbar. Davon kann jetzt offenbar keine Rede mehr sein.

So hat die CDU-Fraktion auch für den Nachtragshaushalt ein eigenes Zusatzpaket vorgelegt. Wir waren und sind bereit, Verantwortung für die Zukunft, natürlich nicht für die Vergangenheit, zumindest nicht für die letzten zwölf Jahre, mit zu übernehmen. Es geht dabei nicht darum, Verantwortung von Regierung und Opposition zu vermischen. Ich möchte aber so deutlich sagen, wir waren und sind der Meinung, dass es notwendig ist, deutlich zu machen, dass in diesen schwierigen Jahren der politische Wettbewerb nicht dadurch entschieden wird, wer mehr Geld für welche Zwecke und welches Klientel locker machen möchte.

Es geht darum, weniger auszugeben und überzeugendere Prioritäten zu setzen. Mit unserem für den Nachtrag wiederholten Angebot der Zusammenarbeit wollten wir unserem Appell zur finanzpolitischen Umkehr letzten Nachdruck geben und zugleich allen Bürgerinnen und Bürgern die Botschaft übermitteln, dass niemand dieser Umkehr entrinnen kann.

Wir wollten mit den begrenzten Mitteln, die einer Landtagsopposition zur Verfügung stehen, jenen Paradigmenwechsel fördern, den Ministerpräsident Beck schon vor sechs Jahren versprochen hatte und an den er sich nie herangewagt hat. Jetzt haben wir die Tatsachen, und die schwierigen Verhältnisse haben uns alle endgültig eingeholt.

Meine Damen und Herren, ich will ein paar Worte zu den Gesprächen, die wir in den letzten Wochen geführt haben, sagen. Diese waren gut. Wir bedanken uns dafür, auch wenn wir inhaltlich bisher nicht so viel verändern konnten. Aber auch kleine Korrekturen können sinnvoll sein.

Herr Kollege Mertes ist jetzt nicht anwesend. Es hat uns geärgert, dass er nach den Gesprächen festgestellt hat, dass man endlich von einer Totalverweigerung der Opposition wegkomme. Ich muss widersprechen. Diese Totalverweigerung hat es in den sechs Jahren, die ich erlebt habe, nicht gegeben. Es war eher von einer umgekehrten Totalverweigerung die Rede. Wir haben regelmäßig Vorschläge für die Haushaltsberatungen ge

macht. Sie sind regelmäßig pauschal von den Regierungsfraktionen vom Tisch gefegt worden, ohne sie anzusehen. Deswegen müssen wir energisch widersprechen.

Wie Sie wissen, hatte die CDU ein umfangreiches Paket an Änderungsvorschlägen eingebracht, die eine Aufstockung von etwa 36 Millionen Euro und zusätzliche Einsparungen von rund 62 Millionen Euro beinhaltete. Bei den zusätzlichen Ausgaben ging es vor allem um die Korrektur von Ausgabenkürzungen, die Sie im Nachtragshaushalt vorgenommen haben. Auf die Forderung nach neuen zusätzlichen Ausgaben haben wir bewusst verzichtet. Wir haben geprüft, wo Ihre Vorschläge für uns vertretbar sind und waren dabei in dem genannten Umfang zu dem Ergebnis gekommen, dass aus unserer Sicht Korrekturbedarf besteht. Es hat sich hierbei vor allem um die Bereiche Polizei, Innere Sicherheit, Schule, Hochschule, Breitensport und Kommunen gehandelt. Eine besondere Bedeutung hatte die Verkehrsinfrastruktur bei den Beratungen.

Im Gegenzug haben wir Einsparvorschläge unterbreitet, die den Finanzbedarf der Aufstockung bei weitem überschritten haben. Diese Einsparvorschläge waren zum Teil einjährig angelegt, zum Teil aber auch mittelfristig, weil es um Strukturveränderungen gehen sollte. Einsparmöglichkeiten haben wir vor allem bei den Pers onalausgaben gesehen. Allein im Ministeriumsbereich sind die Personalstellen in den letzten elf Jahren um 250 Stellen angestiegen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit sehen wir weiterhin großen Einsparbedarf. Entgegen Ihren Aussagen in Gesprächen belegen unsere Zahlen, dass die Öffentlichkeitsarbeit um gut das Vierfache seit 1991 angestiegen ist, Herr Minister Mittler. Wir meinen, das ist zu weit gehend. Das ist zu viel.

Unsere Vorschläge haben sich auf den Bereich der Förderung des zweiten Arbeitsmarkts, der Wirtschaftsförderung und auf eine stringentere Reform der Agrarverwaltung bezogen. Das ist angesprochen worden. Dazu gehört die Rückführung von Ausgabenansätzen auf den tatsächlich zu erwartenden Abfluss von Mitteln.

Im Saldo wäre durch unser Alternativkonzept zu dem Nachtragshaushaltsentwurf eine Reduzierung der Nettoneuverschuldung von rund 26 Millionen Euro auf dann knapp unter 1 Milliarde Euro möglich gewesen.

In den geführten Gesprächen waren Sie zu solch weit gehenden Schritten nicht bereit. Auch zu einer Beschränkung auf ein abgespecktes Paket, das wir vorgelegt hatten, haben Sie sich nicht in der Lage gesehen.

Lediglich zu einigen Einzelpositionen hat es ein Entgegenkommen gegeben. Ich will das nicht unterbewerten. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie nicht erwarten, dass wir dem Entwurf zum Nachtragshaushalt mit diesen wenigen Änderungen zustimmen. Wir bringen daher nahezu unser komplettes Alternativkonzept sozusagen als unseren Gegenentwurf zum Nachtragshaushalt in die Abschlussdebatte nochmals ein. Ich will allerdings darauf hinweisen, dass wir dort, wo es geringes Entgegenkommen gab, gänzlich auf die ursprünglich beantragte weiter gehende Änderung verzichtet haben. Das gilt insbesondere für die Personalausgaben, wo Sie bereit

waren, die Effizienzrendite von 1,8 auf 1,9 zu erhöhen, was 2 Millionen Euro Einsparung in diesem Jahr bedeutet. Das gilt für die Öffentlichkeitsarbeit, bei der Sie symbolisch 50.000 Euro zurückgehen, und für die Erziehungshilfen, bei denen um rund 2 Millionen Euro aufgestockt wurde.

Dazu gibt es gemeinsame Anträge. Ebenso gibt es gemeinsame Anträge zur Pockenschutzimpfung, Impfstoffbeschaffung von 4 Millionen Euro und zum SWROpenairfestival.

Im Übrigen haben wir die Anträge aller Fraktionen sorgfältig geprüft. Es gibt einiges Gegenläufige zu unserem Konzept. Das lehnen wir natürlich ab. Es gibt einige Punkte, denen wir zustimmen können, weil wir es für vernünftig halten oder weil es sich um Korrekturen handelt. Für vernünftig halten wir zum Beispiel die Vorschläge, die zum Komplex Berufsschule und Ausbildungsplätze gemacht worden sind. Ich glaube, sie sind von den GRÜNEN gemacht worden. Denen werden wir zustimmen, weil wir in diesem Jahr ein massives Ausbildungsplatzdesaster zu erwarten haben. Es muss ein Stück gegengesteuert werden. Ich will an dieser Stelle sagen, das gilt auch für den Entschließungsantrag, der gestern zur Diskussion stand. Den wollten wir mit unterschreiben. Wir werden ihn gemeinsam mittragen.

Meine Damen und Herren, es gibt einige Vorschläge, über die wir uns geärgert haben. Das betrifft beispielsweise den Bereich der Hochschulen, bei denen wir für eine Rücknahme der im Nachtragshaushaltsentwurf vorgenommenen Kürzung eingetreten sind. Sie haben uns erklärt, dass der Wissenschaftsminister das Geld in Höhe von rund 5 Millionen Euro im Jahr 2005 zurückbekommt. Jetzt müssen wir feststellen, dass Sie weitere rund 5 Millionen Euro, also insgesamt 10 Millionen Euro im Hochschulbereich kürzen wollen. Diese weiteren 5 Millionen Euro wollen Sie zurückgeben. Das war uns bei den Gesprächen so nicht erläutert worden.

(Staatsminister Mittler: Das war ein Missverständnis!)

Zumindest haben wir das so nicht verstanden. Herr Minister, darüber haben wir uns ein Stück weit geärgert, was Sie sicher verstehen können.

Es gibt einen Vorschlag zur Fachhochschule Koblenz, zusätzlich 400.000 Euro als Interimskosten zu veranschlagen. Wir machen das nicht mit. Wir haben die Sorge, dass dadurch aus einem Provisorium eine Dauerlösung werden könnte und der zweite Bauabschnitt am neuen Hochschulstandort Karthause nicht mehr kommt. Deshalb lehnen wir diesen Vorschlag ab.

Zum Schulbau ist einiges gesagt worden. Ich will das in Anbetracht der Zeit nicht wiederholen. Bezüglich der Kreditobergrenze haben wir einige Unterlagen bekommen. Dies will ich hier nicht diskutieren. Das machen wir in der Rechnungsprüfungskommission.

Ich will noch ein paar Ausführungen zu den Gesetzen und den vorliegenden Anträgen machen. Meine Damen und Herren, wir haben zum Haushaltssicherungsgesetz einen Änderungsantrag eingebracht. Der Antrag lautet,

den Artikel 1 zu streichen, der sich mit der Anhebung der Altersgrenze bei der Polizei befasst. Wir bitten, den zu streichen. Unser Vorsitzender, Herr Kollege Böhr, hat die Gründe und die Argumentation vorhin in aller Deutlichkeit vorgestellt.

Auch bei den übrigen dort gemachten Vorschlägen gäbe es einiges anzumerken. Natürlich führt das beim Finanzausgleich im Ergebnis auch zu einer Verstetigung. Das geschieht aber auf einem niedrigen Niveau. Das ist ein Vorteil für die Kommunen, sie können sich darauf verlassen, aber auf einem niedrigen Niveau. Das muss dort zu massiven und erheblichen Einschränkungen führen.

(Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)