Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Ich lese in der Zeitung, dass das Mainzer Innenministerium, angesprochen auf diese Missstände, gelassen reagiert habe. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Gelassenheit in diesem Fall ist eine absolute Fahrlässigkeit. Ich warne davor, diese Fragen auf die leichte Schulter zu nehmen, weil sich auch das in den nächsten Jahren bitter rächen wird.

Der zweite Punkt: Neben der Inneren Sicherheit und dem Notstand bei der Polizei – wir haben diesen Notstand; denn selbst traditionell sozialdemokratische Parteigänger, die über Generationen hinweg SPD gewählt haben, denken nicht im Traum daran, das zu bestreiten – haben wir inzwischen in Rheinland-Pfalz einen Notstand bei der Bildung.

(Unruhe bei der SPD)

Ich muss mich jetzt ein bisschen nach links wenden, um den Kolleginnen und Kollegen von der anderen Fraktion das verständlich vor Augen zu führen. In RheinlandPfalz ist das Thema „Bildung“ inzwischen vorzugsweise ein Thema für die Beschäftigung in Sonntagsreden geworden. (Unruhe bei der SPD)

Es fehlen in Rheinland-Pfalz 800 Lehrer-Vollzeitstellen.

(Ministerpräsident Beck: Mindestens!)

Der Herr Ministerpräsident sagt mindestens. Ich weiß nicht, ob das ironisch oder ernst gemeint war. Vielleicht ernsthaft.

(Jullien, CDU: Zutreffend!)

Die 800 werden auf jeden Fall nicht bestritten.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe gedacht, Sie machen es unter Tausenden nicht!)

Das gilt vor allem für die Sekundarstufe I und den Bereich der berufsbildenden Schulen. In einer Zeit mit hoher Jugendarbeitslosigkeit muss man darüber nachdenken, ob das so gut ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anstatt endlich Ihre Hausaufgaben zu machen, anstatt endlich das zu machen, was notwendig wäre – wie soll ich das sagen –, lassen Sie es zu – ich sage das jetzt einmal ganz zurückhaltend, da ich niemanden beleidigen will –, dass wir eine blödsinnige Scheindiskussion über EliteUniversitäten führen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Universitäten brechen unter der Grundlast zusammen.

(Starker Beifall der CDU)

Wir diskutieren aber über Elite-Universitäten. Das muss man sich einmal vor Augen führen. Man muss sich einmal vor Augen führen, was Sie der Öffentlichkeit zumuten.

Ihr Generalsekretär erklärt dazu, der Begriff stünde gar nicht im Papier. Der Bundeskanzler habe das unter diesem Begriff verkauft. Meine herzliche und dringende Bitte lautet: Machen Sie Ihre Hausaufgaben!

(Hartloff, SPD: Sie scheinen zu selten in Rheinland-Pfalz zu sein!)

Ach ja, Herr Kollege Hartloff.

Ich habe gelesen, dass wir jetzt Kinder-Universitäten in Rheinland-Pfalz machen. Ich bin nicht gegen KinderUniversitäten. Wenn das ein Beitrag zur Bekämpfung der PISA-Folgen ist, soll mir das Recht sein. Die normalen Jugend-Universitäten gehen aber am Krückstock, und Sie eröffnen eine neue Scheindebatte über KinderUniversitäten. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Es ist wirklich an der Zeit.

(Starker Beifall der CDU)

Man tut sich damit wirklich schwer. Man wird zu all diesen Diskussionen auch gefragt. Man weiß doch schon am Anfang, dass das eine Scheindiskussion mit einer Halbwertzeit von maximal vier Tagen ist. Eliteuniversität, Kinderuniversität, die sind alle nach vier Tagen Schall und Rauch und vergessen.

Unterdessen bewältigen unsere Universitäten im Land die Grundlast nicht mehr. Ich muss übrigens den Vorwurf, dass nicht gespart wird, ein bisschen relativieren. Bei den Universitäten ist wirklich gespart worden. Ich habe mir einmal die Zahlen der Universität Mainz angesehen. Der Haushalt der Universität Mainz im Ansatz 2004 entspricht exakt dem Betrag der Ist-Ausgaben des Jahres 1997.

Da kommt erstens ein Kaufkraftverlust des Etats von 1997 hinzu. Ganz vorsichtig berechnet sind das 11 %.

Zweitens muss man den Block für die Personalkosten herausrechnen, weil dieser Block unabänderlich vorgegeben ist. (Hartloff, SPD: Ei der Daus!)

Ja gut, das ist so, Herr Kollege Hartloff. Sie und ich, wir sind keine Beamten, aber wenn man einmal Beamter ist und nach A 14 bezahlt wird, ist es in der Regel so, dass man bis zum Ende seines Lebens weiß, was man monatlich bekommt.

(Mertes, SPD: Das wird in Ihren Anträgen so deutlich!)

Vielen Dank, Herr Kollege Mertes.

(Mertes, SPD: Gerade bei den 250 Kollegen, die Sie raus- schmeißen wollen!)

Ach Gott, du meine Güte, Herr Kollege Mertes.

(Mertes, SPD: So ist es!)

Jetzt kann man natürlich Haushaltspolitik auf diesem Niveau diskutieren. Dann machen wir gleich das Buch zu. Dann haben wir die wunderbare Welt, die Sie gern hätten. Herr Kollege Mertes, wir sind uns aber einig, dass der Universitätspräsident nicht darüber verfügen kann? Er kann nicht sagen, du bist jetzt A 14 und in Zukunft bist du nur noch A 9. Da sind wir uns einig.

(Mertes, SPD: Aber in der Staatskanzlei geht das!)

Dann haben wir schon einmal einen wesentlichen Konsens erreicht. Also ist der Personalkostenfaktor für den Universitätspräsidenten ein vorgegebener und unabänderlicher Block. Das sind im Jahr 2004 Personalkosten in Höhe von 158,6 Millionen Euro. Ich rede nur von der Universität Mainz. Das sind 14,3 Millionen Euro mehr gegenüber 1997.

Wenn ich diese beiden Faktoren zusammenrechne, die Personalmehrkosten, die die Universität Mainz innerhalb ihres Budget zu verkraften hat, und den Kaufkraftverlust seit 1997, den ich einmal mit 11 % sehr zurückhaltend veranschlage, und vor dem Hintergrund der Tatsache, die ich eben nannte, dass der Gesamtetat der Universität Mainz im Ansatz 2004 exakt dem Betrag der IstAusgaben des Jahres 1997 entspricht, ist der Sachetat der Universität – immer unter Bezugnahme auf das Jahr 1997 – um 36 % zu niedrig angesetzt, um wenigstens den Stand von 1997 halten zu können. In absoluten Zahlen fehlen der Universität Mainz, um nur den Stand 1997 halten zu können, im Jahr 2004 22 Millionen Euro.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Zeit, in der kein Politiker, gleich welcher Fraktion, müde wird, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Wissenschaft, Forschung, Ausbildung, Bildung und Lehre das Pfund ist, mit dem wir in Deutschland in den nächsten Jahren alles entscheidend wuchern müssen, kürzen Sie faktisch den Sachetat der Universität Mainz um 22 Millionen Euro. Ich finde, das ist unverantwortlich.

(Beifall der CDU)

Das trägt in keiner Weise dem Rechnung, was geboten wäre. Das ist so ähnlich wie bei der Polizei. Sie legen inzwischen die Axt an diese Struktur.

Bei der Universität Kaiserslautern ist es übrigens ähnlich. Im Vergleich zum Bezugsjahr 1997 ist dort ein faktischer Verlust von 11,2 Millionen Euro zu verzeichnen. Ich gebe zu, bei den beiden anderen Universitäten ist das nicht so schlimm, Herr Kollege Mertes. Sowohl die Universität Koblenz-Landau als auch die Universität Trier kommen etwas besser weg als die beiden Beispiele, die ich genannt habe.

Die Folgen sind bekannt. Die Folgen können Sie jeden Tag in der Zeitung lesen. Vier Hauptseminare für 800 Studenten, eine Professoren-Studenten-Relation von 1 zu 75 bzw. 1 zu 80. Nach Nordrhein-Westfalen ist das die zweitschlechteste Betreuungsrelation aller Bundesländer. Die Präsidenten unserer Hochschulen sind nicht mehr in der Lage, Berufungsverhandlungen erfolgreich zu führen, weil sie denen, die wegberufen werden sollen, nichts mehr anbieten können. Sie müssen die weiße Flagge hissen.

Es werden durch präsidentiellen Erlass Aufzüge in den Universitäten stillgelegt, damit man Strom spart. Die Studenten werden gebeten, den Nebeneingang und den dortigen Aufzug zu benutzen, weil der andere Aufzug abgestellt ist. Es werden Bibliotheken geschlossen, weil man das Licht und die Heizung aus dem Budget der Universität nicht mehr zahlen kann. Es wird – ich habe lange überlegt, ob ich das sagen soll – das Toilettenpapier rationiert.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ja, da lachen Sie. Sehen Sie, das ist Ihre Politik. Folge Ihrer Politik ist, dass die Aufzüge abgestellt werden und das Toilettenpapier rationiert wird.

(Starker Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sage ich, wir brauchen keine blödsinnige Diskussion zum x-ten Mal über eine Elite-Universität, sondern wir brauchen arbeitsfähige Universitäten in der Grundlast. Ich möchte in fünf Jahren nicht nur Nobelpreisträger von rheinlandpfälzischen Hochschulen haben. Ich möchte, dass in zehn Jahren die Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker und Ingenieure so solide ausgebildet werden, wie wir das in Deutschland gewöhnt sind. Die Voraussetzungen dafür müssen Sie allerdings heute mit diesem Haushalt schaffen.

(Starker Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der Sicherheit und der Bildung sind die Städte und Gemeinden in unserem Land seit vielen Jahren das dritte Stiefkind. Die kommunale Selbstverwaltung ist am Ende. Was hier in den vergangenen Jahren geschehen ist, ist wirklich schwer in Worte zu fassen.

In diesem Zusammenhang will ich nur eine Bemerkung machen. Das Thema beschäftigt uns zu Recht immer wieder. Sie machen gelegentlich den Versuch, den Schwarzen Peter den Städten und Gemeinden zuzuspielen. Ich habe in den vergangenen Tagen noch einmal den Gemeindefinanzbericht gelesen, der erst wenige Wochen alt ist. So eindrucksvoll, wie der Gemeinde

finanzbericht, der im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Sport erstellt wurde, den Nachweis führt, dass die Städte und Gemeinden in den vergangenen fünf Jahre eine ganz andere Ausgabenpolitik gemacht haben als das Land, zeigt das ganz unmissverständlich, dass der schwarze Peter nicht den Städten und Gemeinden zugespielt werden kann.

Die Gemeindefinanzen saufen ab. Das ist übrigens keine Formulierung von mir, sondern die eines hochdekorierten sozialdemokratischen Kommunalpolitikers. Baufällige Schulen müssen weiterbetrieben werden. Die Kommunen verschulden sich über beide Ohren. Die Kommunalaufsicht drückt beide Augen zu, wenn es um die Genehmigung des Haushalts geht, obwohl die Verschuldung ein Ausmaß erreicht hat, das nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kern des Problems ist – auch hier ist der Gemeindefinanzbericht eine dankbare Quelle –, dass die allgemeinen Zuweisungen des Landes Rheinland-Pfalz an die Städte und Gemeinden um ein Drittel niedriger als im Bundesdurchschnitt liegen.

Herr Kollege Mertes, da wir bei der Wahrheit bleiben wollen, gibt es dazu eine Ergänzung, die Ihnen ein ganz kleines bisschen Luft verschafft,

(Mertes, SPD: Gute Gründe!)