Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Die Bertelsmänner sagen, dies habe mit den beschäftigungspolitischen Aktivitäten der Landesregierung und mit dem Erfolg der Konversionspolitik zu tun. Dies sagen nicht wir selbst. Wir würden gar nicht so eitel sein. Sie sagen, es habe mit der Integration von Arbeitslosen und jungen Menschen und – jetzt kommt es – mit der Frage des Kinderbetreuungsangebots zu tun, das stabilisierend auf die Frauenbeschäftigung wirke. Dies sagen uns andere. Meine Damen und Herren, darauf sind wir nun erst einmal zehn Sekunden lang stolz.

(Beifall der SPD und der FDP)

„Wenn man sich die Wirklichkeit anschaut“, sagte jemand an der nordrhein-westfälischen Grenze auf einem Bezirksparteitag der CDU. Der rennt nicht jede Woche mit sozialistischen Parolen durch Rheinland-Pfalz. Packen Sie den einmal! Was glauben Sie, wer das gewesen ist? (Zurufe von der SPD: Na?)

Das war ein Gütezeichen von Herrn Böhr für unseren Ministerpräsidenten.

(Bracht, CDU: Packen Sie den einmal!)

Meine Damen und Herren, ich denke, dies zeigt die Hilflosigkeit in der Sache: Packen Sie den einmal! Sie packen eben nichts an, Sie lösen keine Aufgaben. Sie beschreiben immer nur die Aufgaben. Das ist der große Unterschied. (Beifall der SPD und der FDP)

Man kann natürlich kaum sozialistische Parolen daraus machen, wenn man vernünftige Mittelstandspolitik betreibt und Kinderbetreuung und Ganztagsschulen organisiert. Daraus kann man nichts Negatives ziehen. Das ist schade, das sehe ich ein. Dennoch können Sie sich im Moment noch in der bundespolitischen Stimmungslage in den Umfragen ein wenig sonnen. Aber diese geliehene Popularität wird natürlich nicht ewig halten. Irgendwann wird auch die Frage gestellt werden: Wer wird es denn? – Auch das gehört in eine Generaldebatte über den Haushalt.

Gestern hat man sozusagen – es tut mir für diejenigen furchtbar leid, die jetzt am Fernseher sitzen – bei einer Pressekonferenz die Sau herausgelassen, und heute sagt der Fraktionsvorsitzende kein Wort. Er streift höchstens das Wort „Schneekönig“. Also, bei allem Respekt! Als Könige haben wir uns noch nicht gefühlt. Es geht um die Frage, ob die Luft raus ist. Das ist nicht wie Politik, sondern wie Fußball. Nur Fußball!

(Zuruf des Abg. Itzek, SPD – Kuhn, FDP: Da ist auch die Luft raus! – Beifall der SPD und der FDP)

Fußball ist ein Teamspiel mit Fairplay. Das spielt man sicherlich in der CDU. Man muss sich schon fragen, ob Sie dann, wenn Sie sagen, den kann man gar nicht packen, und wenn diejenigen, die mit Ihrem Namen verbunden sind, Wahlen in der Partei verlieren, überhaupt die elf Freunde zusammenbekommen. Ich glaube, inzwischen ist es so, dass die SPD-Fraktion schon fast geschlossen für Ihre Spitzenkandidatur in 2006 ist, sogar darüber hinaus. (Heiterkeit bei der SPD)

Sie müssen sich doch heute fragen, wer eigentlich unter der Toga noch etwas außer der Tunika trägt, wenn Sie sich bewegen. Das ist doch Ihr Problem.

(Heiterkeit bei der SPD – Jullien, CDU: Sagen Sie etwas zum Haushalt! – Frau Schmitt, CDU: Sagen Sie doch etwas zum Haushalt! – Frau Schneider-Forst, CDU: Zum Haushalt!)

Diese Unsicherheit hat man eben bei Ihrer Rede gemerkt. Sie fühlen sich doch in Ihrer Partei angezählt. Man wird dann immer aggressiver, weil man sich uns icher fühlt. Das ist keine Art, dieser Debatte einen Stempel aufzudrücken.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Es ist natürlich schwer, in dieser Frage mit einem Angezählten zu boxen.

(Frau Schmitt, CDU: Nun hören Sie doch auf mit dem Quatsch! – Frau Schneider-Forst, CDU: Zum Haushalt!)

Entschuldigung. Wir haben doch gestern keine Pressekonferenz gemacht, in der wir mit Mitteln der Fraktion deutlich machen wollten, welche Meinung wir haben. Wir haben auch als Fraktion nicht das Problem, dass wir im letzten Jahr 140.000 Euro Unterdeckung hatten. Aber Sie geben hier Ratschläge, wie man vernünftig wirtschaften soll. Das haben wir alles nicht!

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Ich meine, es ist schon gut, dass diejenigen, die einen so klitzekleinen Laden wie eine Fraktion haben – ich bin da auch beteiligt und kenne mich aus – und diesen nicht einmal finanziell vernünftig sanieren können, der Landesregierung und der Koalition Ratschläge geben, wie man vernünftige Wirtschaftspolitik macht. Das ist glaubwürdig! Natürlich ist das glaubwürdig! Man wird doch jedem glauben, der selbst nicht mit Geld umgehen kann, dass er gute Ratschläge für andere hat. Was ist denn da anders?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Gehen wir einmal in die Debatte hinein, was noch alles passiert ist in der Frage der Entlastungsstufe der Steuerreform. Ich habe es schon beim letzten Mal gesagt. Solange Sie sich sicher sein konnten, dass wir unsicher waren, ob wir es machen sollten, solange waren Sie dafür. Das war so um die Zeit des 24. Juni 2003. Damals hat Christoph Böhr entschlossen gesagt, dass das vorzuziehen ist, sogar am 24. Juni 2003 im „Newsletter“, dass eine begrenzt höhere Neuverschuldung möglich sei. Das hat er hier auch heute gesagt.

Als dann aber deutlich wurde, dass wir darauf eingehen würden, nämlich im Dezember, hat er davor gewarnt, nicht allzu hohe Erwartungen in das Vorziehen der Steuerreform hineinzuinterpretieren.

Dann war ein halbes Jahr lang der Dauerbrenner der Entfernungspauschale zu hören. Keine Steuererhöhungen für die Rheinland-Pfälzer! Herr Jullien, Sie sind doch in den letzten sechs Monaten viel stiller im Parlament geworden.

(Jullien, CDU: Warten Sie einmal ab!)

Ja, wir warten es in der Tat ab. Sie haben das doch als Thema gemacht. Jetzt, wo Herr Merz die Bierdeckelsteuerreform einbringt, ist plötzlich die Frage der Entfernungspauschale alles kein Thema mehr. Meine Damen

und Herren, jetzt plötzlich schweigt unser Lautsprecher aus Bullay.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD – Jullien, CDU: Wer stellt denn die Frage der Finanzierung?)

So kann man natürlich auch Glaubwürdigkeit untergraben. Wir haben für die Entfernungspauschale gekämpft, weil wir unseren Fernpendlern das Leben nicht schwerer machen wollten. Sie haben es nur als taktischen Spielball benutzt. Meine Damen und Herren, das ist der Unterschied, der jetzt bei Merz herauskommt.

(Beifall bei SPD und FDP – Jullien, CDU: Das ist doch Quatsch! Das ist Unsinn! Sie haben doch den Eiertanz hingelegt!)

Es ist im Übrigen zu fragen, ob das Merz-Konzept wirklich das leistet, was es vorgibt, und ob das Gemeinwesen die Auswirkungen verkraftet.

Lieber Werner Kuhn, liebe Minister der FDP, ich weiß, dass der Koalitionspartner, die FDP, eine andere Meinung als wir Sozialdemokraten vertritt. Wir sind der Meinung, dass eine Reform des Steuerrechts nur Sinn macht, wenn es zur Vereinfachung beiträgt und eine gute Balance zwischen den finanziellen Freiheiten des Einzelnen und dem Finanzbedarf für wichtige Gemeinschaftsaufgaben gefunden wird.

(Beifall bei der FDP – Creutzmann, FDP: Das haben wir doch auch gewollt, Herr Mertes!)

Aha. Dann ist es doch umso schöner, das miteinander zu machen.

Meine Damen und Herren, ich habe mit unserer Finanzpolitik folgendes Problem: Es wird um Kopf und Kragen geredet, wenn es um die Frage von Steuerreform und die Frage, wie viel Geld es zurückgibt, geht. Wir haben im Jahr 2005 einen Teil der Steuerreform. Da gibt es noch einmal eine Möglichkeit. Aber wann fangen wir als verantwortliche Politiker an, noch einmal zu beschreiben, was denn die Aufgaben des Staates sind oder was sie nicht sind? Ich weiß von denen, die wir kennen, dass wir denkbar klar ein Einnahmenproblem selbst organisiert haben. Wir müssen uns fragen, wann wir bereit sind, die Einnahmen für den Staat wieder so zu machen, dass dieser Staat und die Gemeinschaft funktionieren.

(Beifall der SPD – Jullien, CDU: Dann fangen Sie doch bitte einmal an, Herr Mertes!)

Ich habe dieses Thema bei mehreren Gelegenheiten mit Kommunalpolitikern vor Ort besprochen. Die Not an Finanzen hat nicht nur mit der Unfähigkeit der jeweiligen Ebene zu tun, mit Geld umzugehen. Nein, die Not hat damit zu tun, dass wir ganz strikt zurückfahren. Hier

spricht ein Dorfbürgermeister. Herr Schmitt, Sie sind auch einer. Vielleicht wollen Sie lieber Ortsbürgermeister heißen, wie auch immer.

(Schmitt, CDU: Nein, ich komme mit dem zurecht!)

Ich sage Ihnen, ich sehe, wie die Einkommensteuer in meinem Dorf zurückgeht. Glauben Sie mir, die Realsteuern, also Grundsteuern A und B, sind nicht diejenigen, die ein Dorf reich machen. Es ist die Einkommensteuer. Wir sind permanent Schlüsselzuweisungsem pfänger, weil wir unter der Steuerkraft liegen.

Meine Damen und Herren, wir bekommen nicht mehr das Geld für wichtige Aufgaben. In einem Dorf lässt sich noch zehn Jahre lang ein bestimmter Renovierungsbedarf aufschieben. Wenn ich aber lesen muss, dass die Stadt Mainz Probleme hat, für ihre Kinder Grundschulen zu renovieren, und wenn wir all das, was Herr Kollege Böhr eben beschrieben hat, ernst nehmen, dann können wir nicht nur über die Frage von Verschuldung reden. Dann müssen wir auch über die Frage reden, welche Staatseinnahmen wir für welche Zukunft erwarten. Genau diese Frage wird populistisch von Merz nicht beantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Friedrich Merz schreibt uns auf Seite 22 seines Konzepts etwas, was in dieser Gesellschaft keinen aufregt. Er schreibt wörtlich – ich zitiere –: „Auf den Arbeitnehmer im Zuge einer Sozialreform übertragene Arbeitgeberbeiträge zu Sozialversicherungen werden ebenfalls steuerpflichtiges Einkommen.“ Oho! Meine Damen und Herren, wissen Sie, was das bedeutet? Das heißt, der ganze Reiz des Merz’schen Steuerkonzepts, also Einfachheit und einfache Stufen, wird dadurch einkassiert, dass diejenigen, die am 30. jeden Monats Lohn oder Gehalt bekommen, plötzlich ihre Sozialbeiträge des Arbeitgebers mit versteuern müssen.

Die Stille in diesem Parlament kann ich nicht verstehen; denn es wird doch dauernd davon geredet, dieses Konzept wäre so überzeugend, hätte so viel Strahlkraft, dass es überhaupt keine Diskussion gebe, das müsse man machen.

Meine Damen und Herren, wer dieses Konzept möchte, muss sagen: Wir werden künftig die Sozialbeiträge der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer versteuern. Lieber Freund, liebe Freundin, Pech gehabt! Richtiges Pech!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Böhr sagt das viel schöner. Er ist ein Mensch, der wirklich mit der deutschen Sprache umgehen kann. Er sagt zuletzt beim Neujahrsempfang der CDU in Koblenz, dass die sozialen Sicherungssysteme von den Lohnkosten abzukoppeln sind. Das ist eine verbrämte Formulierung, die genau das Gleiche macht.

Damit das klar ist: Wer die Sozialbeiträge der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer versteuert, schreibt den ganzen Nutzen der Steuerreform für diese Leute im Grunde in den Wind. Das macht er im Übrigen auch deshalb, weil

die Nacht- und Feiertagszuschläge auf Kosten dieser Reform auch wegfallen würden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dass die Nachtzuschläge für Fußballer wegfallen, dafür habe ich volles Verständnis, aber nicht für Krankenschwestern und Leute, die dafür sorgen, dass wir nachts in Sicherheit leben können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)